Luftwaffe
Überlebenstraining

„Sie verdursten bevor Sie verhungern!“

„Sie verdursten bevor Sie verhungern!“

Datum:
Ort:
Darwin
Lesedauer:
3 MIN

Ein Flugzeugabsturz ist prinzipiell nie auszuschließen. Während es in den dichtbesiedelten heimischen Gefilden vermutlich nur Minuten dauern würde, bis die ersten Rettungskräfte eintreffen, stellt sich das in den unwirtlichen australischen Outbacks ganz anders dar.

Mehrere Personen haben sich zur Ausbildung versammelt

Die internationalen Piloten lernen von der australischen Infanterie, wie man nach einem Ausschuss in den Outbacks überleben könnte

Bundeswehr/Francis Hildemann

„Machen sie sich wegen des Essens keine Sorgen – viel wahrscheinlicher ist, dass sie verdursten bevor sie verhungern“, erklärt Sergeant Ronald M. ohne Umschweife. „Wenn Sie also einen Ausschuss aus ihrem Cockpit oder auch einen Absturz ihres Flugzeugs überlebt haben und weitgehend unverletzt sind, kümmern Sie sich als erstes um Wasser“.

Die Aufmerksamkeit der Piloten aus unterschiedlichen Nationen ist dem Ausbilder der North-West Mobile Force (NORFORCE), einem Infanterieregiment der australischen Army Reserve nach dieser trockenen Ansage sicher. Sie haben sich im Halbkreis um den hageren, nicht mehr ganz jungen Sergeant versammelt, dem man sofort abnimmt, dass er eine Woche in der Pampa ohne jegliche Hilfsmittel überlebt.

Menschenleeres Übungsgebiet

Die Kameraden der Australischen Luftwaffe, Ausrichter der Übung Pitch Black, wollten das heikle „Post Ejection Survival Awareness Training“ (etwa Überlebenstraining nach Ausschuss) nicht selbst übernehmen und hatten deswegen die Spezialisten des Heeres als Referenten gewonnen. Stichwort „Awareness“: Zur „Bewusstseinsbildung“ verglich der Australier zu Beginn seiner Einweisung die Relationen. Das Northern Territory, in dem die Pitch Black - Piloten Luftoperationen durchführen, ist fast viermal so groß wie Deutschland, aber statt über 200 Einwohner je Quadratkilometer gibt es hier weniger als 0,2. „Die Wahrscheinlichkeit, dass im Umkreis von mehreren hundert Kilometern jemand lebt, der ihnen helfen könnte, ist gering“, so Sergeant Ronald M. „Geschweige denn, dass derjenige mitbekommen hätte, dass da jemand Hilfe brauchen könnte“. Wegen der großen Entfernungen sei auch die militärische Rettungskette relativ träge. Das Gebiet, in dem das Flugzeug vom Flugradar verschwunden ist, ist eingrenzbar. Aber im ungünstigen Fall reicht der Sprit des größten Rettungshubschraubers nicht, um überhaupt dorthin beziehungsweise wieder zurück zu kommen.

Essen aus der Blechdose, Wasser aus dem Fluss

„Rechnen sie mit bis zu drei Tagen, bis wir bei ihnen sind“, so der NORFORCE-Soldat. Um diese 72 Stunden zu überstehen, sind an den Schleudersitzen der verschiedenen Länder Notrationen mit nützlichen Utensilien verbaut. Essenstechnisch gibt es meist recht nahrhafte, extrem kalorienreiche Kost. Die australische Luftwaffe zum Beispiel kredenzt ihren Piloten in einer Blechdose, die sich auch zum Wasserschöpfen eignet, konzentrierte Speisen, Müsliriegel, Schokolade und unterschiedliche Pulver – aber eben kein Wasser zum Aufbereiten.

Viele Ausrüstungsgegenstände liegen ausgebreitet auf dem Boden

Karte, Messer, Schnüre – es gibt verschiedene Hilfsmittel, um in der Wildnis zu überleben, aber nicht alles haben Piloten dabei, die Überlebensration Essen (vorne rechts) aber schon

Bundeswehr/Francis Hildemann

„Versuchen Sie als erstes Wasser zu finden“, lautet deswegen die dringendste Empfehlung des Ausbilders. Was entlang von Flüssen, in Meeresnähe oder in der sogenannten „Wet Season“, also der Regenzeit kein Problem ist, könnte in der Dry Season zur Herausforderung werden. Wo belaubte Bäume stehen, seien die Chancen gut. Entweder man gräbt dort im Umfeld oder man stülpt eine Plastiktüte über die Zweige, weil die Blätter ja Wasser verdunsten, das mit der Tüte aufgefangen werden könnte. Aber Vorsicht: Wo Wasser ist, sind meist auch Tiere! 170 Schlangenarten gebe es im Northern Territory. Und natürlich auch Krokodile. Niemals an der gleichen Stelle mehrmals Wasser zu schöpfen, Krokodile merken sich das, und dabei immer einen Baum zwischen sich und der Wasserlinie zu haben, sei ein guter Tipp.

Feuer machen ohne Zündhölzer

Eine Person macht behelfsmäßig Feuer

Feuermachen mit Zündhölzer ist keine Kunst – aber nur mit Stock und trockenem Gras schon

Bundeswehr/Francis Hildemann

Eurofighter-Pilot Christopher H. rotiert einen Stecken senkrecht auf einem Fetzen Holz, solange bis es leicht raucht. Den Stock steckt er dann ganz schnell in ein Büschel Gras und bläst kräftig in das trockene Knäuel. Und siehe da, nach kurzer Zeit qualmt es zunehmend und die ersten Flammen züngeln aus dem Haufen in seinen Händen. Das Feuer hätte neben dem Wärmeeffekt in kühleren Nächten auch den Vorteil, wildernde Hunde und vor allem Fliegen und Moskitos fern zu halten. Eine ordentliche Rauchfahne könnte aber auch helfen, den Aufenthaltsort des Abgestürzten zu markieren. Egal ob für die Retter mit dem Hubschrauber, für die Viehzüchter auf ihren Cattle-Stations (Rinderfarmen) oder für die Aborigines. Zu ihnen – in Australien auch „First Nations“ genannt – unterhalten die Kameraden der NORFORCE übrigens gute Kontakte. Nicht, um Hilfe bei der Suche nach Bruchpiloten zu erhalten, sondern um von ihnen diese und andere Überlebensstrategien in den australischen Outbacks zu erlernen.

Ein Soldat hat es fast geschafft ein Feuer mit behelfsmäßigen Mitteln zu machen. Es qualmt.

Hauptmann Christopher H. hat es fast geschafft, es qualmt schon gehörig

Bundeswehr/Francis Hildemann
von Max-Joseph Kronenbitter

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