Natla, Challa und Mesusa
Natla, Challa und Mesusa
- Datum:
- Ort:
- Israel
- Lesedauer:
- 3 MIN
Die Religion ist im täglichen Leben Israels präsenter als daheim in Deutschland. Das gilt auch für das Leben in der Kaserne, wo Juden ihre Riten und Gebräuche zelebrieren können. Und in der jüdischen Synagoge auf der Ovda Airbase ist mindestens so viel los, wie in einer deutschen Fliegerhorst-Kirche.
Flüchtig berührt Dana Pichon beim Betreten ihres Büros mit den Fingern der rechten Hand eine weiße Kapsel, führt ihre Finger kurz an die Lippen bevor sie ihre Kameradin, die schon am Rechner arbeitet, freundlich grüßt. Das Ritual ist mindestens einmal am Tag immer dasselbe. Die längliche Kapsel heißt Mesusa und hängt, wie die hebräische Übersetzung besagt, in Schulterhöhe am (rechten) Türpfosten. „Die Mesusa kann aus unterschiedlichen Materialien wie Holz, Metall oder Plastik gefertigt sein und enthält ein gerolltes Pergamentstück mit Abschnitten aus der Tora“, erklärt die Soldatin, die in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit arbeitet. Aufmerksamen Beobachtern fällt diese Kapsel nicht nur an allen Türen (außer Badezimmer und Toiletten) einer privaten, jüdischen Wohnung, sondern auch an Büro- und Hotelzimmertüren auf. „Es soll mich beschützen, ganz ähnlich wie die Chamsa, die schützende Hand der Miriam mit den fünf Fingern“, so die Soldatin, die derzeit ihren zweijährigen Pflicht-Wehrdienst leistet. Die auch im Islam verbreitete Darstellung mit den charakteristischen, nach unten weisenden fünf Fingern ist auf Danas Ring geprägt, den sie am Zeigefinger trägt.
Eine andere rituelle Gerätschaft fällt den deutschen Soldatinnen und Soldaten auch immer wieder auf: an fast jedem Waschbecken steht eine kleine Kanne. Fromme Juden nutzen das Natla genannte Gefäß, um sich dreimal Wasser über jede Hand zu gießen. „Das Wasser darf nicht direkt aus der Leitung über die Hand geschüttet werden, sondern muss aus der Natla fließen“, so die 20-jährige Soldatin. Das Material ist dabei völlig egal, es reicht von der einfachen Plastikkanne in öffentlichen Toiletten bis hin zu aufwändig verzierten und versilberten Gefäßen in Restaurants oder zum Beispiel an der Klagemauer in Jerusalem. Praktisch: die typischerweise zwei Henkel, erleichtern den Handwechsel. Anlässe für diese rituelle Handwaschung gibt es viele: vor oder nach dem Essen von Brot und nassen Früchten, vor oder nach Segenssprüchen oder gleich nach dem Aufstehen am Morgen.
Apropos Segenssprüche: zu den wichtigsten gehört der sogenannte Kiddusch. Dieser Segensspruch wird vom männlichen Familienoberhaupt über einen Becher voll Wein gesprochen, mit dem der Sabbat oder andere hohe Feiertage am Freitagabend eingeläutet werden. Der Kiddusch, den zu zelebrieren auch Frauen verpflichtet sind, schließt auch das Challa ein. Mit diesem, zu einem Zopf geflochtenen und mit Sesam bestreuten Gebäck („Sabbatbrot“) beginnt die Mahlzeit am Sabbat. „Ich bin nicht besonders fromm“, sagt die Israelin mit den langen dunkelbraunen Haaren, „aber der Kiddusch in meiner Familie ist mir schon wichtig“.
Während die Kippa, jene runde Kopfbedeckung, die zu den wohl bekanntesten Zeichen für das Judentum zählt, nur von Männern (und natürlich auch von uniformierten Soldaten im Dienst) getragen wird, ist ein Brauch nur den Frauen vorbehalten: das Anzünden der Sabbat-Kerzen. Dana Pichon kramt in ihrer Handtasche und fördert zwei Teelichter zutage: „Die hat mir der Militär-Rabbiner geschenkt“, sagt die junge Frau. Dazu gibt es auf einem Zettel einen Gebetsvorschlag.
Spätestens eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang am Freitagabend zünden Frauen mit bedecktem Haupt in der Nähe des Fensters zwei Kerzen an und läuten damit den bis zum Sonnenuntergang des Samstags dauernden Sabbat ein. Mit den Händen vor dem Gesicht wird dann ein Segen gesprochen. „Ich vergesse das gelegentlich, aber meine Mutter macht das jeden Freitag“ erzählt sie. „Ich glaube, dass sie dabei für mich betet – und das gibt mir Kraft!“.