Machen, was wirklich wichtig ist!
Machen, was wirklich wichtig ist!
- Datum:
- Ort:
- Israel
- Lesedauer:
- 4 MIN
Zsolt Balla ist der erste deutsche Militärrabbiner seit über 100 Jahren. Nach wenigen Monaten im Amt führte ihn seine erste Auslandsdienstreise direkt ins Gelobte Land Israel.
Die multinationale Luftwaffenübung Blue Flag geht in die heiße Phase. Das Taktische Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ ist mit sechs Eurofightern und 160 Soldatinnen und Soldaten in die israelische Negev-Wüste gereist, um mit internationalen Partnern und den israelischen Freunden der IAF (Israeli Air Force) gemeinsam zu trainieren. Militärbundesrabbiner Zsolt Balla nutzte im Vorfeld die Gelegenheit, die Frauen und Männer auf die Kultur und die Religionen im jüdisch geprägten Staat vorzubereiten.
Die Soldatinnen und Soldaten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 „Boelcke“ trugen an jenem Tag eine für sie ungewohnte Uniform. „Blau lang“ war angesagt. Im blauen Dienstanzug mit Jackett und Krawatte erwarteten sie einen besonderen Gast auf ihrem Fliegerhorst etwa eine Autostunde von Köln entfernt. Der erst kürzlich ins Amt eingeführte Militärbundesrabbiner Zsolt Balla hatte sich aus Berlin auf die rund fünfstündige Reise gemacht, um die Nörvenicher auf ihren Auslandsaufenthalt vorzubereiten. Für die internationale Luftwaffenübung Blue Flag reisen die Nörvenicher fast sechs Wochen nach Israel. Für viele von ihnen ist es das erste Mal im Gelobten Land.
400 jüdische Soldaten mit hoher Dunkelziffer
Zsolt Balla sprach gleich zu Beginn seines rund einstündigen Vortrages von einer „unglaublichen Sache“. Seine Bewunderung über die enge Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen den deutschen und israelischen Luftstreitkräften versteckte Balla in keinem Moment. „Das, was Sie nun schon zum wiederholten Male mit der israelischen Luftwaffe machen, ist ein historischer Sprung. Für mich ist das einfach unglaublich“, sagte Zsolt Balla vor den gut 25 anwesenden Soldaten. Zu ihnen gesellten sich zudem fünf Mitglieder des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Die Luftwaffe pflegt schon seit über drei Jahren eine sehr enge Zusammenarbeit mit der DIG. Die jungen Vertreter bereicherten die Gruppe um die Soldaten.
Während seines Vortrages erzählte Balla von seinen Aufgaben als Militärbundesrabbiner. Für ihn gebe es verschiedene Säulen, zu denen neben der Seelsorge für jüdische Soldatinnen und Soldaten auch die Betreuung aller Bundeswehrangehörigen gehöre. Erst im Alter von neun Jahren erfuhr der gebürtige Ungar, dass er Jude sei. Er rechne mit rund 400 jüdischen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr, glaube allerdings an eine sehr hohe Dunkelziffer. Er wurde in den wenigen Monaten seit seiner Amtsübernahme häufig aus der Bundeswehr kontaktiert und freut sich auch besonders über das allgemeine Interesse am Judentum und seiner Arbeit. Für ihn stehen stets die Soldaten im Vordergrund. Den anfänglich medialen Hype empfand er eher als störend, auch wenn er wisse, dass Öffentlichkeitsarbeit zu seinen Aufgaben gehöre. „Die mediale Aufmerksamkeit war eine große Belastung zu Anfang. Jetzt machen wir hier das, was wirklich wichtig ist – wir tauschen uns im direkten Dialog aus“, erklärte er seinen Zuhörern.
Ob Zsolt Balla es für möglich halte, dass das Judentum vollständig in die Bundeswehr integriert werden könne und ob er das in seiner Amtszeit erreichen könne, wurde er zum Abschluss seines Vortrages gefragt. Balla lächelte und antwortete mit einem hebräischen Sprichwort: „Es ist nicht Deine Verpflichtung, die Arbeit zu beenden. Du musst sie aber beginnen“.
Ein Tag ohne Smartphone
Den Soldaten aus Nörvenich war deutlich anzumerken, wie wichtig ihnen dieser Besuch war. Im Anschluss an seinen Vortrag fuhren alle gemeinsam mit Rabbin Balla nach Köln, um in der dortigen Synagoge den Gemeinderabbiner Yechiel Bruckner sowie den Sekretär der Synagogengemeinde Köln, Israel Meller, zu treffen. Die Besuchergruppe hatte zahlreiche Fragen zu jüdischen Gebräuchen und dem jüdischen Leben in Deutschland. Besonders der heilige Sabbat faszinierte sie. Gläubigen Juden ist es im Allgemeinen beispielweise nicht gestattet, am Sabbat elektrische Geräte zu bedienen. Für nicht jüdisch Gläubige in der heutigen Zeit kaum vorstellbar. Ein ganzer Tag ohne Fernsehen, Smartphone, Auto, Radio und so vieles mehr? Für jüdische Menschen ist genau das jedoch ein Segen. Denn an diesem Tag kommen sie zur Ruhe, tanken neue Kraft und widmen sich den persönlichen Beziehungen - ganz besonders ihrer Familie.
Kommandospieß war begeistert
Oberstabsfeldwebel Volker Enders bereitete sich fast ein Jahr auf Blue Flag 2021 vor. Als Kommandospieß führt er gemeinsam mit Kontingentführer Oberstleutnant Niko Biedermann das Geschwader in die Negev-Wüste. Für ihn war dieser Besuch eine tolle Erfahrung. „Das war ein richtig angenehmer Besuch von Herrn Balla heute bei uns. Auch die Fahrt mit meinen Jungs und Mädels nach Köln in die Synagoge und das sehr angenehme Gespräch mit Herrn Meller und Rabbiner Bruckner war ein tolles Erlebnis“, sagte Enders nach seiner Rückkehr in Nörvenich.
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Wiedersehen in Israel bei Blue Flag
In Israel gab es während der Übung Blue Flag ein Wiedersehen zwischen den Nörvenichern und Militärbundesrabbiner Zsolt Balla. Als Teil der Delegation um den Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, reiste Balla in die Negev-Wüste und besuchte die Soldaten auf der Uvda-Luftwaffenbasis. Für die Nörvenicher Soldaten war der erneute Besuch eine große Freude, was zeigt, dass der erste Militärbundesrabbiner seit über 100 Jahren genau der richtige Mann für diese große Aufgabe ist und in der Bundeswehr endgültig angekommen ist.