Luftwaffe

Luftaufklärung von Breguet Atlantic bis PEGASUS

Luftgestützte signalerfassende Aufklärung wird immer wichtiger. Eine Chronologie der bisherigen Entwicklungen.

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Welcher Jet, welches Schiff, welcher Panzer agiert in einem bestimmten Gebiet? Wenn die Bundeswehr irgendwo auf der Welt im Einsatz ist, muss diese Frage so schnell wie möglich beantwortet sein. Denn nur rechtzeitig erkannte Gefahren schützen das Leben der Soldatinnen und Soldaten. Um diese Informationen zu gewinnen, werden auch Flugzeuge oder Drohnen eingesetzt. Man nennt dies im Militär „Luftgestützte signalerfassende Aufklärung“, Teil des Fähigkeitsbereichs SIGINTSignal Intelligence (Signal Intelligence).

SIGINTSignal Intelligence-Systeme tragen maßgeblich zum Lagebild eines bestimmten Gebiets bei. Sie können gegnerische Führungs-, Kommunikations- und Waffensysteme identifizieren. Beim letzten Haushaltsausschuss vor der Sommerpause 2021 wurde erneut entschieden, ein luftgestütztes SIGINTSignal Intelligence-System zu finanzieren. Grund genug, auf die bisherigen Entwicklungen zurückzublicken.

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    Der Fernaufklärer Breguet Atlantic

    Den Anfang luftgestützter SIGINTSignal Intelligence bei der Bundeswehr symbolisiert die BR 1150 Breguet Atlantic. Der Marine-Fernaufklärer wurde 1963 durch den Verbund SECBAT (Societé Européene pour la construction du Breguet Atlantique) von den Mitgliedsländern Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Deutschland beschafft. Die Breguet Atlantic überwachte die See, indem sie gegnerische Seestreitkräfte aus der Luft aufklärte. Sie wurde auch als U-Boot-Jagd-Flugzeug und als Messflugzeug bei der Erfassung elektromagnetischer Signale eingesetzt. Aufgrund ihres Alters wurde in den 1990er-Jahren überlegt, die Breguet Atlantic durch ein unbemanntes Luftfahrzeug zu ersetzen. Hierzu wurde eine deutsche Delegation 1999 zu einem Testflug der RQ-4A Global Hawk in die USA eingeladen, der jedoch wegen Softwareproblemen abgesagt wurde. Auch der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, unterstützte das Interesse der Luftwaffe im Januar 2000. Die Luftwaffe stellte einen Fähigkeitskatalog auf und führte eine Systemkonzeptstudie durch. Diese Studie sollte klären, ob auch bemannte Luftfahrzeuge wie Geschäftsflieger mit Aufklärungssystemen ausgestattet werden könnten. Die Antwort: Prinzipiell sei dies möglich, jedoch nur als Notlösung.

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    Die P-3C Orion und das Projekt Euro Hawk

    Eine unbemannte Lösung musste also her. Dazu unterschrieb General Kujat im August 2004 eine „Abschließende funktionale Forderung“ an das neue SIGINTSignal Intelligence-System. Eine Möglichkeit eröffnete sich, als das USUnited States-amerikanische unbemannte Luftfahrzeug Global Hawk mit einem EADS-Aufklärungssystem auf dem internationalen Markt als Euro Hawk ausgeliefert werden sollte. Die Rüstungskonzerne Northrop Grumman und EADS wurden aufgefordert, ihre Angebote einzureichen. Knapp ein Jahr später lagen diese bei der Zulassungsbehörde vor. Die Behörde beurteilte die Angebote als „kommerziell unbrauchbar“, weil „nahezu keine Forderung der Angebotsaufforderung“ erfüllt wurde. Um die Fähigkeitslücke schnellstmöglich zu schließen, entschloss sich die Bundeswehr dennoch für die Zusammenarbeit. 2007 wurde das Projekt Euro Hawk in Auftrag gegeben. Parallel wurden die meisten Breguet Atlantic durch acht gebrauchte niederländische P-3C Orion ersetzt, um die Zeit bis zur Indienststellung der Euro Hawk zu überbrücken. Die Orion galt ebenfalls als veraltet und musste nach dem Kauf von Grund auf saniert werden.

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    Warum das Projekt Euro Hawk scheiterte

    Nur zwei Jahre nach der Auftragserteilung erfolgte der Roll-out des ersten Euro Hawk in Deutschland. Er wurde jedoch nicht für den deutschen Luftraum zugelassen, da unter anderem wichtige Informationen zum Aufbau der Drohne fehlten. 2013 scheiterte das Projekt Euro Hawk endgültig. Das benötigte „Detect-and-avoid“-System, mit dem die Drohne allen Luftfahrzeugen selbstständig hätte ausweichen können, konnte nicht verbaut werden. Northrop Grumman als Produzent des Euro Hawk gab die als geheim eingestuften Baupläne jedoch nicht an die Bundeswehr heraus. Bis 2016 erwog die Bundeswehr eine Wiederaufnahme des Projekts, doch die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zog letztlich die Reißleine.

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    Die Drohne PEGASUS

    Die Bundeswehr war jedoch weiterhin an Aufklärungsdrohnen interessiert. 2017 fiel die Wahl auf das Modell PEGASUS (PErsistent German Airborne SUrveillance System). PEGASUS basiert auf der maritimen Version der Global Hawk, genannt Triton, und verfügt ergänzend über das Aufklärungssystem ISISIntegrated SIGINT (Signal Intelligence) System (Integrated Signal Intelligence System). Ausgestattet ist der unbemannte Aufklärer mit einer verstärkten Tragfläche und verbesserter Software. Triton wird bereits seit über zehn Jahren von der USUnited States Marine genutzt. Auch die NATONorth Atlantic Treaty Organization entschied sich für dieses System. Triton durchlief bereits zahlreiche Tests und überzeugte durch seine hohe Zulassungswahrscheinlichkeit sowie Qualität. Aufgrund mehrfach verschobener Verhandlungen, erneuten Unsicherheiten der Zulassung, erheblich höheren Lieferkosten und langen Wartezeiten verkündete das Verteidigungsministerium im Frühjahr 2020 den Abbruch des Projekts PEGASUS.

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    Die Global 6000 als Zwischenlösung

    Seit Abbruch des Projekts PEGASUS wird auf das Aufklärungssystem ISISIntegrated SIGINT (Signal Intelligence) System an Bord bemannter Flugzeuge gesetzt. Die Wahl fiel dabei auf die Global 6000 Bombardier. Doch wie sich bereits 2002 herausstellte, ist dies nur eine Notlösung. Die Global 6000 ist als Businessjet für den Personentransport ausgelegt. Das unbemannte Luftfahrzeug PEGASUS erweist sich in diesem Vergleich nicht nur wirtschaftlich als sinnvoller. Der Betrieb würde deutlich weniger Personal beanspruchen. Zudem müssen zusätzliche Materialien für die Crews mitgeführt werden. Bei Transportflugzeugen werden aufgrund von Ruhezeiten bei langen Flügen mindestens zwei Crews benötigt. Da luftgestützte SIGINTSignal Intelligence-Systeme vor allem in Einsatz- und Gefahrengebieten genutzt werden, verringert man durch unbemannte Luftfahrzeuge das Risiko für Leib und Leben. Bei der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses vor der Sommerpause 2021 entschieden sich dessen Mitglieder für die Fortsetzung der Finanzierung, um die Fähigkeitslücke der signalerfassenden Aufklärung zu schließen. Diese Entscheidung öffnete ein weiteres Kapitel im Buch der luftgestützten SIGINTSignal Intelligence-Aufklärung.

    von Nathalie Passon

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