„Lead, Develop, Care"
„Lead, Develop, Care"
- Datum:
- Ort:
- Washington D.C.
- Lesedauer:
- 4 MIN
Interkulturelle Führungsfähigkeit stärken und Erfahrungsaustausch unter Reservisten: IJOLDInternational Junior Officers Leadership Development 2024 bot fünf Reserveoffizieren der Luftwaffe diese Gelegenheit. Auch mir, Leutnant Jonas Herrmann. Die Air National Guard lud uns in die USA ein und ich erfuhr nebenbei, wie eine starke Reserve die Gesellschaft verbindet.
Ich war ein wenig nervöser als meine vier Kameradinnen und Kameraden, mit denen ich nun im Flugzeug am Frankfurter Flughafen saß. Für mich war es immerhin das erste Mal, dass ich in die Vereinigten Staaten reisen würde. Uns fünf Reserveoffiziere hatte die Luftwaffe ausgewählt, um der Einladung der Air National Guard zu folgen.
IJOLDInternational Junior Officers Leadership Development ist ein einwöchiges Seminar für Reserveoffizierinnen und -offiziere. In Workshops und Vorträgen sollen sie ihre Führungsfähigkeiten verbessern und die Reservestrukturen anderer Länder kennenlernen. Der Träger ist das International Air Reserve Symposium. IJOLDInternational Junior Officers Leadership Development findet jedes Jahr bei wechselnden Gastgebernationen statt. Als insgesamt 60 „students“ aus Deutschland, den Vereinigten Staaten, Estland, Frankreich, Kanada, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich kamen wir am Samstag den 10. August 2024 in Knoxville zusammen.
Was ich in der dann folgenden Woche erlebt habe, möchte ich hier erzählen.
Planspiele und Sicherheitsstrategie
Von Samstag bis Dienstag simulierten wir in Knoxville internationale Militäroperationen in Planspielen. Der Schwerpunkt lag auf der Entwicklung von militärischer Führungs- und Planungskompetenz, wobei in den multinationalen Gruppen unterschiedliche Führungskulturen schnell offenbar wurden. Wir Reserveoffiziere werden regelmäßig im Ausland eingesetzt. Ich zum Beispiel bin schon in der Slowakei und in Jordanien gewesen. IJOLDInternational Junior Officers Leadership Development bot mir die Gelegenheit, in interkultureller Kommunikation sicherer zu werden. Vorträge von Generalen und Botschaftern ergänzten den Lehrplan um einen sicherheitsstrategischen Blickwinkel.
Auge in Auge mit dem Raptor
Ein Highlight hielt das 134. Luftbetankungsgeschwader – 134th Air Refueling Wing – bereit, das uns von Knoxville nach Washington D. C. flog. Unsere zwei Maschinen vom Typ Boeing KC-135 nahmen einen unerwarteten Umweg nach Osten, um über dem Atlantik sechs F-22-Raptor-Kampfjets der U.S. Air Force zu betanken. Auge in Auge mit diesen Tarnkappenjägern zu sein, war beeindruckend und führte uns die Verantwortung beim Führen einer Luftstreitkraft vor Augen. Da geriet unser eigentliches Ziel, der Hauptstadtflughafen Joint Base Andrews mit seiner weiß-blauen Regierungsflotte, fast in den Hintergrund.
Washington D. C.
In Washington fokussierten wir uns auf persönliche Führungskompetenz und erarbeiteten das Konzept „Lead, Develop, Care“, das Fürsorge und Förderung unserer Soldatinnen und Soldaten neben der Auftragserfüllung betont. Nach der Ankunft am Mittwoch erkundeten wir auf den Spuren George Washingtons Mount Vernon, den Landsitz des ersten USUnited States-amerikanischen Präsidenten. Im Eingangsbereich seines Anwesens hängt bis heute der eiserne Schlüssel zur Pariser Bastille, den die französischen Revolutionäre beim Sturm auf das königliche Staatsgefängnis 1789 erbeuteten und später Washington schenkten. An diesem Schlüssel zeigt sich, wie das Streben nach einer liberalen Verfassung und Menschenrechten Amerika und Europa historisch eng verbindet.
National Mall
Am Freitag begann das 16-stündige Programm um halb sechs Uhr mit einer 4.000-Meter-Schnitzeljagd durch die National Mall. Vorbei an Lincoln Memorial, Washington Monument und Weißem Haus verbanden sich bei Sonnenaufgang Sport, Kultur und Gemeinschaft.
Besonders beeindruckt hat mich das schlichte Vietnam Veterans Memorial. Lange hatte die USUnited States-amerikanische Gesellschaft Vorbehalte gegenüber ihren Vietnamveteranen gehegt. Das Memorial wurde dann zur „wall that heals“ einer zusammenrückenden Nation, die zuvor über politische Ansichten auseinandergefallen war.
Das Seminar endete beim Graduation Dinner mit der feierlichen Verleihung der Urkunden im Fort Myer. Die vielen bei IJOLDInternational Junior Officers Leadership Development entstandenen Freundschaften hingegen werden bestehen bleiben.
Rolle der Reserve für die Gesellschaft
Die Air National Guard war meiner Ansicht nach ein ausgezeichneter Gastgeber. Sie ist neben der U.S. Air Force eine selbstständige Luftstreitkraft, die nur aus Reservistinnen und Reservisten besteht. Etwas Vergleichbares kennen wir deutschen Reserveoffiziere, die wir in der regulären Luftwaffe beordert sind, nicht. Die damit einhergehende breite Verankerung von Reservistendienst in der Gesellschaft hat sich uns in unserem Alltag immer wieder aufgedrängt. Veteranen begrüßten uns bei der Einreise mit „thank you for your service“ und viele Ladeninhaber gewährten uns „military discounts“.
Wir Reservistinnen und Reservisten arbeiten im Zivilleben unter anderem in Schulen oder im Gesundheitswesen und wissen, dass es viele Berufe gibt, die solche Anerkennung verdienen würden. Doch in den USA haben wir gesehen, dass treuer Dienst für die gemeinsamen Werte ein Anlass für eine Gesellschaft sein kann, wieder zueinanderzufinden. Jede Gesellschaft braucht treue Staatsdiener, die den Zusammenhalt ermöglichen. Für solch eine „wall that heals“ ist die Reserve ein Baustein.
Auch 2025 soll IJOLDInternational Junior Officers Leadership Development stattfinden. Das Gastgeberland steht noch nicht fest. Interessierte Reserveoffizierinnen und -offiziere der Luftwaffe bis zum Dienstgrad Hauptmann können sich hier bewerben.