Luftwaffe
Binationale Rhein-Staffel

Bonjour KC-130J: Unterwegs mit der neuen Hercules

Bonjour KC-130J: Unterwegs mit der neuen Hercules

Datum:
Ort:
Evreux
Lesedauer:
6 MIN

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Zehn Flugzeuge, zwei Nationen, ein Team: Seit die KC-130J mit der Kennung 55+06 in Évreux übergeben wurde, ist die binationale Flotte komplett und ständig im Einsatz. Ob bei den Hilfslieferungen in Gaza oder bei der Übung Pacific Skies, die deutsch-französische Lufttransportstaffel nimmt ihr Motto „anytime, anywhere“ ernst.

Ein Flugzeug fliegt über die Insel Mont-Saint-Michel.

Die deutsche KC-130J 55+05 über der Insel Mont-Saint-Michel, die seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Das Foto wurden von der KC-130J 55+06 aus bei einem Trainingsflug gemacht.

Bundeswehr/Francis Hildemann

Es ist laut – sehr laut. Ohrstöpsel oder Gehörschutz sind ein Muss. Das Briefing für uns Mitfliegende in der KC-130J mit der Kennung 55+06 ähnelt nur entfernt den Ansagen in einer Linienmaschine. Vor dem Start werden erst einmal „Air Sickness Bags“ verteilt. Es ist ein Übungsflug und wir fliegen taktisch. Das heißt: einfach starten, Höhe gewinnen und dann geradeaus fliegen ist nicht. Hoch und runter, nach rechts und nach links, langsam und schnell, Tiefflug, eine kurze Zwischenlandung und wieder los. Wer unten im Laderaum sitzt, spürt die Flugbewegungen deutlicher, zumal man von dort den Horizont nicht sehen kann. Oben im Cockpit ist es ruhiger. Drei der sechs Passagiere werden die Tüten brauchen.

Passagiere sind eine schwierige „Ladung“

Nicht umsonst gibt es bei den Ladungsmeistern den Spruch: „Paletten motzen nicht, Paletten kotzen nicht.“ Paletten sind bei ihnen beliebter. Denn Passagiere sind eine „Ladung“, die zwar selbst ins Flugzeug läuft, aber manchmal trotz klarer Anweisungen nicht das tut, was sie soll.

Unser Ladungsmeister ist sehr geduldig. Er zeigt uns, wie wir uns anschnallen müssen und erklärt die Notausgänge. Den Hebel ziehen und die Tür rausheben. Ah ja. Wieder einsetzen wäre im Ernstfall ja nicht nötig. Bei der Probe ist das der schwierigere Teil. Die andere Tür, die für die Fallschirmspringer, lässt sich elegant nach oben schieben. Allerdings nicht von mir. Sie ist zu schwer. Gut, hoffen wir, dass kein Notfall passiert.

Am gewöhnungsbedürftigsten ist die Sauerstoffversorgung für den Notfall. Wo im normalen Passagierflugzeug eine kleine Maske elegant von der Decke baumelt, wenn der Druck in der Kabine abfällt, gibt es in diesem Militärtransporter ein Päckchen, in dem sich eine Kartusche mit Sauerstoff und eine Art Plastikhaube befinden. Letztere stülpt man sich komplett über den Kopf, am Hals liegt sie eng an und der Sauerstoff soll dann für eine halbe Stunde reichen.

Militärtransporter für Einsatz- und Krisengebiete

Aber schließlich ist die KC-130J ja auch kein Urlaubsflieger, sondern eine militärische Transportmaschine, mit der Soldaten, Fallschirmspringer, Ausrüstung, Fahrzeuge, Lebensmittel und andere wichtige Dinge in Einsatz- und Krisengebiete geflogen und wieder herausgebracht werden. 

Auch Verwundetentransporte mit sogenannten Special Operations Surgical Teams (SOSTSpecial Operations Surgical Team) sind möglich. „Wir unterstützen unter anderem die Spezialkräfte im taktischen und logistischen Bereich, fliegen für die nationale Krisen- und Risikovorsorge und sind für das Europäische Lufttransportkommando EATC European Air Transport Command unterwegs“, zählt Oberstleutnant Maik Drescher auf. Er ist stellvertretender Staffelkapitän der Rhein-Staffel und führt gleichzeitig den deutschen Anteil. „Außerdem finden Trainingsflüge so wie dieser statt, um auszubilden und unsere Fähigkeiten auf- und auszubauen.“

Sechs Transportflugzeuge stehen auf einer Betonfläche.

Auch wenn die Flotte der binationalen Staffel jetzt komplett ist – alle zehn sind nie auf der Base Aérienne 105, denn irgendein Auftrag oder Trainingsflug steht immer an

Bundeswehr/Francis Hildemann

4,60 Meter kürzer als die große Schwester

Alle deutschen C-130J- und KC-130J-Maschinen können in der Luft betankt werden. Aber die KC-Version kann auch selbst andere Luftfahrzeuge betanken. Allerdings ist sie 4,60 Meter kürzer als ihre große Schwester und kann zwei Paletten weniger transportieren. Diese Paletten sind etwa viermal größer als eine Standardeuropalette und eigens für den militärischen Lufttransport vorgesehen. Jede wiegt 142 Kilo und kann mit über 4.000 Kilo beladen werden.

Bei unserem Flug ist keine zusätzliche Ladung dabei. Und betankt wird auch noch nicht. Denn um andere Luftfahrzeuge betanken zu dürfen, ist eine sogenannte Pairing Clearance nötig. Diese Genehmigung mit entsprechenden Tests ist für jedes Luftfahrzeug-Muster erforderlich, das betankt werden soll. Beispielsweise betanken die französischen KC-130J der Rhein-Staffel schon den Helikopter H225M Caracal. „Damit auch die deutschen KC-130J der Luftwaffe das dürfen, bedarf es einer Genehmigung durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr“, sagt Drescher.

Fliegende Tankstelle vor allem für Helikopter

„Grundsätzlich kann die KC-130J alles betanken, was eine Betankungssonde hat und über die Behälter an den Tragflächen betankt werden darf“, erklärt Drescher. Deshalb kann beispielsweise der A400M nicht an der KC-130J tanken. Denn er benötigt als Großflugzeug einen zentralen Tankschlauch an der Heckklappe. Doch die KC-130J soll auch primär als fliegende Tankstelle für Helikopter eingesetzt werden.

Wartungsfreundlich und leicht umzubauen

Die Mechaniker in Évreux mögen „ihre“ Hercules-Maschinen sehr. Hauptfeldwebel David* beispielsweise schätzt vor allem ihre Einfachheit. „Wir können alles schnell umbauen“, sagt er. „Auch das Fahrwerk ist sehr wartungsfreundlich, da es senkrecht an Spindeln hochgezogen und nicht seitlich eingeklappt wird. Da gibt es weniger anfällige Stellen, wo etwas verklemmen kann.“

Ein Soldat steht vor einem Flugzeug der Luftwaffe und lächelt in die Kamera.

Hauptfeldwebel David ist einer von über 160 Technikern (Avioniker und Mechaniker) in Évreux. Zehn Jahre lang hat er an Eurofightern gearbeitet, bevor er im April 2022 zur deutsch-französischen Rhein-Staffel wechselte.

Bundeswehr/Francis Hildemann

Solche Eigenschaften sind für den Einsatz auf unbefestigten Kleinstpisten wichtig. Deshalb sind auch alle Transporter der Luftwaffe Turboprop-Maschinen. Denn die ziehen auf Sand- oder Schotterpisten keinen Dreck ins Triebwerk. In der J-Version sind die Hercules-Maschinen nicht nur elektronisch gesehen auf dem neuesten Stand. Hauptfeldwebel David: „Da hat sich im Vergleich zur Vorgängerversion viel verändert. Die H-Version hatte noch Vier-Blatt-Propeller aus Metall, während die aktuelle Sechs-Blatt-Propeller aus Karbon hat. Das macht die Maschine leistungsstärker.“

Nicht den falschen Hebel ziehen

Unsere kurze Zwischenlandung während des Übungsfluges in Brest findet netterweise nicht auf einer Schotterpiste, sondern auf einer befestigten Landebahn statt. Aber „einfach“ gilt zumindest auch für einiges an der Innenausstattung. Es gibt zwar eine Toilette im Laderaum, aber die ist zwei Stufen hoch angebracht und hat keine Tür, sondern einen Vorhang. Gut, dass ich sie nicht brauche, schon, um nicht aus Versehen statt des Spülknopfes den Hebel darüber zu erwischen. Mit dem schießt man die Rettungsschlauchboote aus dem Flugzeug.

Selbstschutz: Täuschkörper und das „Eye in the Sky“

Für Flüge in Einsatzgebiete kann jede Hercules mit Täuschkörpern und ballistischem Schutz ausgestattet werden. Der Sensor unter dem Flugzeug, das „Eye in the Sky“, liefert Fotos und Videomaterial. Es ist auch bei Abwürfen, sogenannten Drops, sehr hilfreich. „In Gaza konnten wir damit das Gebiet besser einschätzen, in dem wir die Hilfsgüter abgeworfen haben“, erklärt Hauptfeldwebel David.

Anytime, anywhere

Dadurch, dass die Flotte der deutsch-französischen Rhein-Staffel jetzt komplett ist, „sind wir noch reaktionsfähiger, schneller und flexibler als zu Anfang“, sagt Drescher, „getreu unserem Staffelmotto: anytime, anywhere.“ Die Schlagzahl sei von Beginn an sehr hoch gewesen, mit großer Einsatzdichte und einem hohen Einsatzvolumen. „Der Aufbau geht kontinuierlich weiter und die Strukturen der Staffel, die die Stärken der beiden beteiligten Nationen bündelt, festigen sich immer mehr.“

Ein Flugzeug fliegt über einer Küstenlandschaft, das Meer im Hintergrund.

Bei ihren Trainingsflügen üben die Piloten verschiedenste Manöver für Flüge in Einsatzgebiete und andere Aufträge

Bundeswehr/Francis Hildemann
Ein Flugzeug der deutschen Luftwaffe, schräg von hinten aufgenommen, fliegt über eine Landschaft.

Die sechs deutschen Maschinen der binationalen Lufttransportstaffel sind von 55+01 bis 55+06 durchnummeriert

Bundeswehr/Francis Hildemann

Nahezu unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten

Da die Hercules schon so lange gebaut wird, gibt es viele Erfahrungswerte. „Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt“, sagt Drescher, „und der Markt bietet verschiedenste Ausrüstung, die durch die Nutzernationen bereits im Einsatz erprobt ist.“ Auch sei es leichter, in anderen Ländern Ersatzteile zu besorgen, da die Hercules von vielen Nationen geflogen wird.

Man kann die KC-130J nicht mit dem A400M vergleichen. Sie ergänzen sich in ihren Fähigkeiten.“ Ein klarer Vorteil der Hercules sei beispielsweise, dass die Leistung der Triebwerke mit zunehmender Höhe und bei steigenden Temperaturen nicht abnehme, sodass die Zuladungskapazität nicht beeinträchtigt werde.

Nach etwa dreieinhalb Stunden endet der Trainingsflug wieder auf der Base Aérienne 105 in Évreux. Wir nehmen die Stöpsel aus den Ohren und verlassen die KC-130J 55+06 mit einem kleinen Eindruck von dem, was diese Maschinen, ihre Piloten, Ladungsmeister und Mechaniker alles können und in der Lage sind zu leisten. Wir wünschen many happy landings.

*Name zum Schutz abgekürzt.

von Stefanie Pfingsten

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