Kampfflugzeuge statt Sportschuhe
Kampfflugzeuge statt Sportschuhe
- Datum:
- Ort:
- Neuburg an der Donau
- Lesedauer:
- 5 MIN
Nina Dietz führt das Team im Tower beim Taktischen Luftwaffengeschwader 74. Sie erzählt, was sie dazu bewegt hat, als begeisterte Sportwissenschaftsstudentin vor 17 Jahren zur Bundeswehr zu gehen und wie sie die Rolle der Frau in den Streitkräften erlebt.
Major ist ein noch selten vertretener Dienstgrad unter Frauen in der Bundeswehr. Nina Dietz ist eine von Ihnen. Sie ist als SATCO beim Taktischen Luftwaffengeschwader 74 in Neuburg an der Donau jeden Tag im Tower im Einsatz, muss wichtige Entscheidungen treffen, trägt viel Verantwortung – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die ihr unterstellten Soldatinnen und Soldaten. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums seit der Öffnung aller Laufbahnen für Frauen bei der Bundeswehr, gewährt Major Dietz einen Blick auf ihren Beruf, ihre persönlichen Erlebnisse innerhalb vom Bund als Frau, ihre Sichtweise auf Gleichstellung dort und die Bundeswehr im Wandel der Zeit.
Es liegt in der Familie
Nina Dietz studierte zunächst im Zivilen Sport und Chemie in Köln. Schon während ihres Studiums war für sie klar, dass sie zur Bundeswehr gehen würde. Auslöser dafür waren ihre zwei älteren Brüder, die noch als Grundwehrdienstleistende zur Bundeswehr gekommen sind und sich danach dann noch länger verpflichtet haben und Berufssoldaten geworden sind. „Wären meine Brüder nicht bei der Bundeswehr gewesen, hätte ich wohl keinen Gedanken daran verschwendet, mich über die Bundeswehr als Arbeitgeber zu informieren – einfach, weil ich keinen Berührungspunkt damit gehabt hätte“, gibt sie zu. Ihr ursprünglicher Plan war nämlich ein ganz anderer: „Hätte ich beide Studiengänge komplett abgeschlossen, wäre ich gerne in die Sportartikelindustrie gegangen und hätte den neuesten Schuh für irgendeinen Spitzensportler entwickelt.“
Ohne Zweifel
Bereut hat sie ihre Entscheidung, der Sportartikelindustrie den Rücken zu kehren, und den Weg einer Soldatin zu beschreiten, nie. „Es gab sicherlich Tage, an denen ich körperlich fertig war. Die hatte ich aber auch schon in Köln, während meines Studiums, wenn ich sieben Stunden Sport am Tag leisten musste. Es gab auch Momente, an denen ich meine Ausbilder verflucht habe. Ich habe aber an keinem Tag meine grundsätzliche Entscheidung, Soldatin zu werden, in Frage gestellt.“ Soldatin zu sein ist für die meisten Frauen in der Bundeswehr nicht nur Beruf, sondern Berufung. Der Sport ließ Dietz jedoch nicht ganz los: Nach ihrer Grundausbildung bei der Bundeswehr, studierte sie Sportwissenschaft an der Bundeswehr Uni in München und schloss das Studium auch erfolgreich ab. „Und so ganz nebenbei habe ich zunächst für die Luftwaffe, und später auch für die Bundeswehr allgemein, in der Auswahlmannschaft Volleyball gespielt und an verschiedenen internationalen Turnieren teilgenommen. Damit habe ich aber 2020 aufgrund meines Arbeitsaufkommens als SATCO aufgehört,“ erklärt sie.

Der „Papierkram“ gehört auch dazu. Dietz muss in ihrer Position sehr viel planen und organisieren.
Bundeswehr/Jennifer Güngör
Teamwork im Tower: Immer zu zweit wird die Sicherheit der Flieger und des Flugraums von Dietz und ihren Kameraden gewährleistet
Bundeswehr/Jennifer GüngörSATCO – das steht für Senior Air Traffic Control Officer. Dietz arbeitet auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Flugplatz des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 in Neuburg an der Donau. Vorzufinden ist Major Dietz dabei im Tower. Als SATCO ist sie, zusammen mit ihrem Fluglotsen-Team, für den gesamten Flugbereich in und um den militärischen Flugplatz zuständig. Das bedeutet, dass sie die Kontrolle und Verantwortung über jede Flugbewegung in diesem Gebiet hat. Wenn jemand diesen Luftraum befliegen will, muss man sich im Tower anmelden, verlässt man den Bereich, dann auch wieder dort abmelden.
Dietz schlägt den Piloten auch die Flugrouten vor, zeigt ihnen die Möglichkeiten auf, damit alles reibungslos und ohne mögliche Zusammenstöße von Statten geht. Zu Ihrem Team gehören neben den Fluglotsen auch die Flugberater in Neuburg. Worauf kommt es in Dietz‘ Position besonders an? „Breites Fachwissen. Auch zu wissen, wer für etwas verantwortlich ist – nicht nur innerhalb des Geschwaders, sondern auch in den Kommandobehörden. Man benötigt außerdem ein gutes Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen. Ich könnte ewig aufzählen“, erklärt Dietz.
Als Frau bei der Bundeswehr: Damals und heute
Oft besteht auch heutzutage noch der Eindruck, dass Frauen es schwerer haben in männerdominierten Ausbildungen. Als Dietz ihre Ausbildung bei der Bundeswehr begann, gab es gerade mal seit drei Jahren Soldatinnen in allen Laufbahnen. „Am Anfang meiner Ausbildung habe ich erlebt, dass der ein oder andere männliche Kamerad negativ gegenüber Frauen bei den Streitkräften eingestellt ist, aber das waren Einzelfälle und das hat sich auch merklich verbessert. Natürlich kommt es immer noch ab und zu mal vor, dass Frauen abwertend behandelt werden oder ein inakzeptabler Spruch fällt, aber ich denke schon, dass die meisten Soldaten mittlerweile Frauen in den Streitkräften akzeptieren. Ich glaube, dass die Bundeswehr da auf einem guten Weg ist. Ich persönlich fühle mich geschätzt von all meinen Kameraden“, lächelt sie.

Während der sogenannten „Medal Parade“ bekam Dietz in Afghanistan die Einsatz- und die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Medaille verliehen…
Bundeswehr
… sowie diverse kleine Aufmerksamkeiten.
BundeswehrEin Aufpolieren für Dienstgrade: nein. Für Uniformen: ja.
Immer wieder wird diskutiert, ob das Gendern von Dienstgraden die Bundeswehr für Frauen attraktiver machen würde und ob man so die Gleichstellung noch weiter fördern könnte. Frau Major hat dazu eine ganz eindeutige Meinung: „Sicherlich nicht. Ich kenne keine Soldatin, die das möchte. Zu diesem Thema werden wir Soldatinnen regelmäßig befragt. Diese Vorstöße kommen meistens von außerhalb – also aus der Politik, und da denken sich dann die Politiker, man tue den Soldatinnen was Gutes. Haben Sie sich schon mal überlegt, dass Frau Feldwebelin schon ein bisschen niedlich klingt? Da wäre ja das nächste Mobbing vorprogrammiert.“
Was spezielle Uniformteile angeht, sieht sie das Ganze schon anders: „Wenn die Bundeswehr es schaffen würde, einen ordentlichen, modernen Schnitt bei ihren Uniformteilen zu entwickeln, fände ich das super. Andere Streitkräfte schaffen das schließlich auch.“ Von Umstandsmode in Flecktarn wiederum, hält sie persönlich nichts. „Das ist in meinen Augen wieder über das Ziel hinausgeschossen. Flecktarn ist ein Anzug, der eigentlich für Draußen im Gelände gedacht ist. Welche schwangere Frau muss denn noch mit ins Gelände?“
Die Bundeswehr – besser als ihr Ruf
Für die Wahrnehmung der Bundeswehr von außen, hat Dietz einen ganz klaren Wunsch für die Zukunft: „Dass die Bundeswehr von der Gesellschaft positiver wahrgenommen wird. Und nicht nur in schweren Krisenzeiten wie mit Corona, Hochwasser, etc. positiv dargestellt wird.“