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Weiterentwicklung der NATO-Luftverteidigung: Schnelligkeit in der Beschaffung zentral

Weiterentwicklung der NATO-Luftverteidigung: Schnelligkeit in der Beschaffung zentral

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Im Militärhistorischen Museum in Berlin-Gatow tauschten sich am 15. Mai 2024 beim International Strategic Air Defense Symposium (ISADS) Expertinnen und Experten aus Europa und den USA zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Bereich Luftverteidigung aus. Die Integrated Air and Missile Defense wird auch ein Hauptthema für den NATO-Gipfel im Juli sein.

Ein Soldat stellt einer Expertenrunde auf einem Panel eine Frage.

Auf dem Symposium zum Thema Luftverteidigung diskutierten im Militärhistorischen Museum in Berlin-Gatow im Kommando Luftwaffe internationale Expertinnen und Experten aktuelle und zukünftige Herausforderungen

Bundeswehr/Cora Mohrdieck

Panel eins, geleitet durch Douglas Barrie vom International Institute for Strategic Studies, befasste sich mit der Bedrohung insbesondere durch Raketen und Drohnen und den möglichen Konsequenzen für die NATO-Luftverteidigung. Die Diskutierenden um den Inspekteur der Luftwaffe Generalleutnant Ingo Gerhartz – John D. Hill, stellvertretender USUnited States-Staatssekretär für Weltraum und Luftverteidigung, Bertrand le Meur, Abteilungsleiter für Verteidigungsstrategie und Nichtverbreitung im französischen Verteidigungsministerium und Tina Kornblum, NATO – waren sich einig, dass die Bedrohung vor allem aufgrund der Quantität der eingesetzten Drohnen und Raketen auf dem Gefechtsfeld gestiegen ist. Das hätten die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre vor allem in der Ukraine, aber auch in Israel gezeigt.

Neue technologische Entwicklungen

Die Herausforderung sei, dass der Gegner schneller in der Produktion beziehungsweise Nachbeschaffung sei und dies zu erheblich geringeren Kosten tun könne. Allerdings sei die Bedrohung auch aufgrund technologischer Weiterentwicklungen wie beispielsweise die sogenannten Hypersonic Missiles, also Raketen, die mit Überschallgeschwindigkeit fliegen können, gestiegen. Eine erforderliche Konsequenz daraus sei, die Luftverteidigung durch bessere Abstimmung noch effektiver zu machen und die Möglichkeit mitzudenken, dem Gegner die Fähigkeiten zu nehmen, die Drohnen und Raketen überhaupt erst auf den Weg zu bringen.

Der Inspekteur der Luftwaffe betonte die Rolle der Luftverteidigung auf dem Gefechtsfeld, um Leben zu schützen und das Vorrücken von gegnerischen Bodentruppen zu behindern. Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass Luftverteidigung allein einen Krieg nicht gewinnen könne – ohne sie würde er aber sicher verloren. Schlüsselfaktoren für eine effektive Luftverteidigung seien Beweglichkeit der Systeme, sichere Highspeed-Kommunikationsnetzwerke, schnelle Nachladefähigkeiten, ausreichend Personal sowie die Integration der verschiedenen Maßnahmen und Interoperabilität von Systemen. „Wir sind schon auf dem richtigen Weg, aber wir müssen schneller werden“, betonte Gerhartz. Beschaffung, Produktion und Ausbildung müssten zusammen gedacht, zivile technologische Entwicklungen beispielsweise im Bereich Künstliche Intelligenz verstärkt genutzt werden.

Defensive und offensive Fähigkeiten zusammendenken

Das zweite Panel, moderiert vom Professor für Sicherheitspolitik an der Universität der Bundeswehr in München Carlo Masala, behandelte das Thema Abschreckung im Bereich Luftverteidigung vor dem Hintergrund technologischer Entwicklungen und hybrider Bedrohungen, die die klassische konzeptionelle Zweiteilung in konventionelle und nukleare Abschreckung infrage stellen. An der Panel-Diskussion beteiligt waren der stellvertretende Abteilungsleiter Politik im BMVgBundesministerium der Verteidigung, Generalmajor Stephan Schulz, der Leiter der Abteilung internationale Politik des niederländischen Verteidigungsministeriums, Lars Walrave, sowie Fabian Hoffmann, Doktorand an der Universität Oslo.

Einig waren sich die Panelisten in der Frage, ob die NATO sich glaubwürdig verteidigen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen würde. „Natürlich“ bekräftigte Generalmajor Schulz, „da habe ich null Prozent Bedenken“. Die NATO würde diese Bereitschaft im Sinne einer effektiven Abschreckung auch regelmäßig auf unterschiedlichen Wegen kommunizieren – nicht zuletzt durch diverse Übungen. Abschreckung funktioniere durch eine realistische Planung und die Kommunikation der Maßnahmen, die im Falle eines Angriffs ergriffen werden müssten. Deswegen, so die vorherrschende Meinung im Panel, seien neben einer effektiv aufgestellten Luftverteidigung auch offensive Fähigkeiten, um Präventivschläge in der Tiefe des gegnerischen Territoriums ausführen zu können, wichtig.

Schnellere Beschaffung, marktverfügbare Lösungen

Panel drei, das vom Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Lutz Kohlhaus, geleitet wurde, diskutierte über das Thema „Luftkrieg von morgen, Lektionen aus dem Krieg gegen die Ukraine und Handlungsoptionen“. Um mögliche zukünftige Angriffe aus der Luft abzuwehren, seien neben einer effektiven Verteidigung auch Präventivschläge nötig, um den Gegner angriffsunfähig zu machen, wiederholte Kohlhaus die These aus vorangegangenen Panels. Denn durch die massenhafte Nutzung von Drohnen gäbe es auch keine Überlegenheit in der Aufklärung: „Jeder weiß, wo jeder ist, und das zu jedem Zeitpunkt“, so der Stellvertreter des Luftwaffeninspekteurs.

Radoslava Stefanova, Leiterin der Abteilung für Luftverteidigung in der Defence Investment Division der NATO, griff das Argument der Beschaffung auf: Produktions- und Beschaffungsprozesse in Demokratien seien ungleich langsamer als in den politischen Systemen potenzieller Gegner. Daher sei es erforderlich, sich auf marktverfügbare Lösungen zu stützen und koordiniert zu beschaffen. Darüber hinaus müsse man ressortübergreifende Maßnahmen ergreifen, um die Produktionskapazitäten des Gegners zu schwächen. Es sei eine rein mathematische Gleichung, dass die Ukraine den Krieg verliere, wenn sie nicht die Möglichkeit bekäme, die Nachschublinien des Gegners zu zerstören.

Quantität zählt

Einigkeit herrschte darüber, dass die Anzahl der Systeme zur Luftverteidigung, angefangen von Radaren und Sensoren bis hin zu Drohnen, vergrößert werden müsse. Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Abhängigkeit von China im Hinblick auf Bauteile und Ressourcen eine Herausforderung darstelle. Generalleutnant Claudio Gabellini, Kommandeur des italienischen Luft- und Weltraumkommandos, wies auf die Notwendigkeit hin, sich mit dem Umgang zum Einsatz von autonomen Waffensystemen zu befassen, und stellte die plakative Frage: „Sind wir bereit für die Maschinen?“ Auch auf diese Fragen gelte es Antworten zu finden.

Das internationale Symposium wird im September in Rom – ausgerichtet durch Italien – fortgesetzt.

von Sylvia Börner

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