Im Zweifel die Rote Karte
Im Zweifel die Rote Karte
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Nach fast fünf Jahren endete zum 31. März 2020 der Aufklärungs-Einsatz der Tornado-Flotte in Syrien und dem Irak. Die Jagdbomber hatten den Auftrag, die internationale Koalition mit Aufklärungsbildern zu unterstützen. Das gemeinsame Ziel: Der Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“. Um zu gewährleisten, dass die an die Bundeswehr gestellten Aufträge dem Mandat des Deutschen Bundestages entsprachen, setzte die Bundeswehr den „Red Card Holder“ ein. Rückblickend werden hier Eindrücke und Erfahrungen geschildert.
„Je suis Charlie“ schrien sinnbildlich Millionen von Profilbildern in den sozialen Netzwerken. Tausende von Menschen gingen weltweit auf die Straße und riefen zur Solidarität und Gemeinsamkeit auf. „Not in my name!“ protestierten Muslime überall auf der Welt, um auszudrücken, dass die radikalen Terroranschläge nichts mit der Religion des Islams zu tun haben.
Am 7. Januar 2015 wurden 12 Angestellte einschließlich des Herausgebers des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ von den Brüdern Chérif und Said Kouachi ermordet. Der sogenannte „Islamische Staat“ bekannte sich zu dem Anschlag. Die sunnitische Terrororganisation unter Führung des selbsternannten Kalifen AbuBakr al-Baghdadi ging mit einer nie dagewesenen Brutalität gegen all Jene vor, die sich nicht ihrer Gewaltherrschaft und ihrer Ideologie unterwerfen wollten.
Insbesondere Frankreich sah sich im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus. Der 13. November im gleichen Jahr sollte zu einem der dunkelsten Tage unseres Nachbarlandes werden. Terroristen, die sich als „Kämpfer des Islamischen Staates“ ausgaben, griffen koordiniert an fünf Pariser Orten gleichzeitig an und ermordeten 130 unschuldige Menschen. 683 Weitere wurden verletzt.
Der damalige Staatspräsident Francois Hollande rief daraufhin eine dreitägige Staatstrauer aus und beantragte am 17. November 2015 erstmals in der Geschichte den EUEuropäische Union-Bündnisfall. Der Deutsche Bundestag beschloss nur wenige Tage nach den Anschlägen, am 4. Dezember 2015, die Ausweitung der Beteiligung an der Operation Inherent Resolve, womit sich Deutschland solidarisch und entschlossen an die Seite Frankreichs stellte. Dieser Bundestagsbeschluss war der Startschuss der Operation „Counter DAESH“. Tornados wurden in das türkische Incirlik entsandt, um den beteiligten Nationen Aufklärung aus der Luft zu liefern. Außerdem stellt Deutschland seit Beginn des Einsatzes der internationalen Koalition Luftbetankung zur Verfügung.
Die Aufgabe des „Red Card Holders“
Von Beginn bis Ende des Tornadoeinsatzes wurden knapp 140.000 Luftbilder ausgewertet und der internationalen Allianz zu Verfügung gestellt. Die Situation in den Einsatzgebieten Syrien und Irak ist bis heute kompliziert. Viele Akteure mit unterschiedlichen Interessen sind in den Gebieten aktiv.
Die Bundeswehr als Parlamentsarmee erhält stets bei Auslandseinsätzen den Auftrag der Volksvertreter – dem Deutschen Bundestag.
Oberst Johannes Rudolf war als „Red Card Holder“ im Combined Air Operations Centre – kurz CAOCCombined Air Operations Centre – eingesetzt. Das CAOCCombined Air Operations Centre ist das Hauptquartier für Luftoperationen und ist in Katar stationiert.
Oberst Rudolf oblag, wie seinen Vorgängern, die verantwortungsvolle Aufgabe, die Aufklärungsanfragen zu prüfen. Er entschied, ob eine Mission durchgeführt werden durfte und ob die Ergebnisse der Koalition zur Verfügung gestellt werden. Der Handlungsspielraum ist dabei klar definiert. Ausschließlich Ziele, die den sogenannten „Islamischen Staat“ betrafen, durften durch deutsche Tornados aufgeklärt werden. Das verlangte das Mandat des Deutschen Parlaments.
„Die an Deutschland beauftragten Ziele wurden stets durch den Red Card Holder vor und nach der Missionsdurchführung auf Mandatskonformität geprüft und genehmigt – will heißen, dass die erflogenen Aufklärungsbilder- und ziele erst nach Feststellung der Unbedenklichkeit an die Koalitionspartner zur Bekämpfung weitergeleitet worden sind“, sagt der fünffache Familienvater.
Die Rote Karte blieb nicht nur in der Tasche
Wurde beispielsweise bei der Begutachtung der Aufklärungsergebnisse andere Parteien als der „Islamische Staat“ identifiziert, musste Oberst Rudolf eingreifen. „In diesem Fall haben wir wie beim Fußball einen Regelverstoß, der mit der Roten Karte - weil nicht Mandatskonform - geahndet werden muss“. Diese Bilder wurden dann nicht weitergegeben.
Evakuierung im Ernstfall
Oberst Johannes Rudolf hatte aber nicht nur die wichtige Aufgabe des Red Card Holders inne, sondern sorgte mit seinen Kameraden im CAOCCombined Air Operations Centre auch für eine beispiellose Evakuierungsmission.
Der Tod des iranischen Kommandeurs der Al-Quds Brigaden, Qassem Seleimani, am 3. Januar in diesem Jahr sorgte nicht nur für internationale Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten, sondern führten auch zu einer geänderten Bedrohungslage deutscher Soldaten im Irak.
Deutschland setzte daraufhin die Ausbildungsmission im Zentralirak und im nördlichen Erbil bis auf Weiteres aus.
32 deutsche Soldatinnen und Soldaten waren dafür zu dem Zeitpunkt in Taji im Zentralirak eingesetzt. „Mit einem planerischen Vorlauf von gerade mal 48 Stunden haben mein Team und ich gemeinsam mit unseren Kameraden im CAOCCombined Air Operations Centre die Evakuierung unserer Kameraden im Irak ausgeplant“, berichtet Oberst Rudolf und führt weiter aus: „Dabei wurde der A400M der Luftwaffe mit zwei F-15 Strike Eagle eskortiert, um maximale Sicherheit für unsere Besatzung und den zu evakuierenden deutschen Soldaten zu garantieren“.
Corona kennt keine Ländergrenzen
Wie die Tornados sollte auch Oberst Johannes Rudolf schon längst wieder in Deutschland sein. Doch die weltweite Covid-19-Pandemie machte auch der militärischen Planung einen Strich durch die Rechnung. Bis zum 30. Juni hat Rudolf mit seinem Team in Katar die Stellung gehalten. Sein Nachfolger hat unter anderem die Aufgabe, als Verbindungselement des deutschen Kontingentes in Jordanien zu fungieren. Von dort werden zwar keine Aufklärungsflüge mehr mit deutschen Tornados geflogen, aber die dort stationierten A400M der Luftwaffe stehen der Koalition weiterhin für Betankung aus der Luft zur Verfügung.