Luftwaffe
Zentrum Luftoperationen

Luftoperationen in Europa

Luftoperationen in Europa

Datum:
Ort:
Kalkar
Lesedauer:
4 MIN

Der Einsatz von militärischen Mitteln ist immer die Ultima Ratio und obliegt dem Primat der Politik. Hat die Politik entschieden, Militär einzusetzen, liegt die Verantwortung bei den Streitkräften, Operationen entsprechend der Zielsetzung zu planen und umzusetzen. Den Luftraum über Deutschland zu schützen, liegt in der Zuständigkeit der Luftwaffe.

Auf einem verschneiten Berggipfel stehen zwei Radartürme.

Das Auge zum Himmel: Radarstellung des Einsatzführungsbereichs 3 in der Gipfelregion des Großen Arbers im Bayerischen Wald

Bundeswehr/Benjamin Albert

Wie und wann kommen Luftoperationen in Frage?

Wenn es zu einer Luftoperation kommt, haben viele Planungsprozesse bereits ihren Abschluss gefunden. Dann ist die Luftwaffe gefordert. Um dies zu veranschaulichen, folgende Beispielszenarien:

  1. Die Regierung entscheidet, deutsche Staatsbürger aus einem afrikanischen Land zu evakuieren, weil dort ein Militärputsch stattgefunden hat. Die Luftwaffe erhält dafür den Auftrag und beginnt mit der Operationsplanung.
  2. Durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder den NATO-Rat wird entschieden, in einem Bürgerkriegsland militärisch einzugreifen, um einen Genozid zu vermeiden. Der Operationsplan, um die politisch vorgegebenen Ziele zu erreichen, kann zivile und auch militärische Teilziele enthalten inklusive des Einsatzes der Luftwaffe als First Responder oder auch „Macht der ersten Stunde“. 

Wie wird der Luftraum überwacht?

Die Voraussetzung für alle Luftoperationen ist die Überwachung des NATO-Luftraums. Der Schutz vor Bedrohungen aus der Luft ist die Hauptaufgabe der integrierten NATO-Luftverteidigung (NATINAMDSNATO Integrated Air and Missile Defence System , NATO Integrated Air and Missile Defense System). In Europa ist diese Aufgabe dem AIRCOM (Allied Air Command) in Ramstein zugewiesen. Für die Luftraumüberwachung betreibt das NATO-Kommando zwei CAOCs (Combined Operation Center). Auch die deutschen Überwachungszentralen, sogenannte Control and Reporting Center (CRC), gehören zur Struktur der integrierten NATO-Luftverteidigung und sind bereits im Frieden der NATO unterstellt. 

Die CRC Erndtebrück in Nordrhein-Westphalen und Schönewalde in Brandenburg detektieren, identifizieren und stellen in ihrem zugewiesenen Gebiet 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche jedes Flugziel dar und melden an benachbarte CRC sowie das für Nord- und Mitteleuropa verantwortliche NATO-CAOCCombined Air Operations Centre in Uedem am Niederrhein.

In einem großen Raum sitzen viele Soldaten und gucken auf Bildschirme.

Soldaten vom Einsatzführungsbereich 3 arbeiten im stationären Control and Reporting Centre (CRC) in Schönewalde

Bundeswehr/Benjamin Albert

Was passiert im Falle einer Identifzierung?

Fliegt ein unbekanntes Flugzeug in den NATO Luftraum ein, wird das CAOCCombined Air Operations Centre nach erfolglosem Versuch einer Kontaktaufnahme per Funk eine Sichtidentifizierung anordnen. Hierzu beauftragt das CAOCCombined Air Operations Centre ein CRC, die Sichtidentifizierung mit zwei Jagdflugzeugen von einem bestimmten Flugplatz durchzuführen. Dieser im Fachjargon genannte „Alpha-Scramble“ wird im CRC durch den Aircraft Controller durchgeführt, der speziell für diese Aufgabe ausgebildet ist. 

Wie läuft ein Alpha Scramble ab?

Nach dem Alarmstart am Flugplatz werden die Eurofighter von der dortigen Flugsicherung an den Aircraft Controller im CRC übergeben. Dieser Wechsel wird dem Piloten mitgeteilt. Er erfährt, welches CRC auf welcher Funkfrequenz zu kontaktieren ist. Nach dem „Hand-Over“ hat der Aircraft Controller die Verantwortung für die Mission, auch wenn der Master Controller mit der Flugsicherung bereits eine Flughöhe und eine Flugrichtung verhandelt hat - Parameter, die sich jederzeit ändern können. Der Aircraft Controller behält darüber hinaus die komplette Staffelungsverantwortung zum zivilem Luftverkehr. Hierzu gibt er dem Piloten permanent Anweisungen über Funk, ordnet einzunehmende Steuerkurse und Flughöhen an und informiert über Luftverkehr in der Nähe. Das Missionsziel ist erreicht, wenn der Pilot visuellen Kontakt mit dem unbekannten Flugzeug hergestellt und die Registrierung über Funk durchgeben hat. 

Wie läuft eine nationale Beauftragung ab?

Das CRC kann auch national beauftragt werden, um einen Abfangeinsatz durchzuführen. Das National Lage- und Führungszentrum (NLFZ) ist verantwortlich für die Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum (SiLuRa) und ist eine Abteilung des Air and Space Operations Centre (ASOCAir and Space Operations Centre) mit Sitz in Uedem. Es untersteht dem Zentrum Luftoperationen (ZLO) im niederrheinischen Kalkar. Von hier aus werden bei Verletzung des deutschen Luftraums ebenfalls Alarmstarts befohlen. Das NLFZ wurde im Jahr 2003 aufgrund der Terroranschläge des 11. September 2001 in den USA in Dienst gestellt, um ähnlich gelagerten Szenarien begegnen zu können. 

Der Hauptunterschied zum Einsatz unter NATO-Kommando: Es handelt sich um ein ziviles Luftfahrzeug, das zu einer Bedrohung werden könnte. Ein Indiz ist beispielsweise, dass der Pilot sich nicht mehr auf der zugewiesenen Frequenz der Flugsicherung meldet. Überschreitet diese sogenannte Losscom-Situation eine bestimmte Zeitgrenze und ist der Pilot auch auf anderen Wegen nicht zu erreichen (beispielsweise auf der international veröffentlichten Notfrequenz), wird das NLFZ ebenfalls einen Alarmstart mit dem Ziel der Aufklärung der Situation befehlen. Der Aircraft Controller erhält also die Anweisung zusätzlich einen Cockpit-Check durchzuführen.

Was passiert im Fall der Bündnisverteidigung?

Der Einsatz von Jagdflugzeugen und andere militärische Standard-Verfahren sind bereits in Friedenszeiten in entsprechenden NATO Operationsplänen für die Bündnisverteidigung beschrieben. Es handelt sich dabei um sogenannte Artikel 5 Fälle des NATO-Vertrags oder auch Bündnisfall genannt: Sollte es zu einem Angriff auf das NATO-Territorium kommen, würde nach Feststellung durch den NATO-Rat je nach regionaler Lage ein Joint Force Command, das heißt ein gemeinsames Hauptkommando durch den Allierten Oberfehlshaber für Europa (SACEURSupreme Allied Commander Europe ) bestimmt, das das Zusammenwirken der Teilstreitkräfte koordiniert. 

Bei AIRCOM verbleibt die Luftkriegführung und die Gesamtverantwortung für den Luftraum. Es würde in Folge das NATO Joint Air Component Command, das heißt das gemeinsame Kommando für die Luftstreitkräfte, aktiviert. Dieses plant Luftoperationen und organisiert die Luftverteidigung und erstellt dafür eine sogenannte Airspace Control Order und eine Air Task Order (ATO). In diesen Befehl zur Luftkriegsführung fließen die Vorgaben der beiden Operationszentralen Joint Forces Command und Joint Forces Air Component Command ein. Die ATO enthält in der Regel defensive und offensive Anteile. 

Auch bei der Bündnisverteidigung spielen die nationalen CRC eine Rolle: So könnte ein Befehl lauten, mit den dem CRC zugewiesenen Jagdflugzeugen oder den unterstellten Flugabwehraktenverbänden bestimmte Lufträume zu schützen. Der Waffeneinsatzoffizier, auch Weapons Controller genannt, ist dafür zuständig, seine Spezialisten im CRC entsprechend einzusetzen. Diese bestehen aus dem SAM (Surface to Air Missile)-Controller, zuständig für den Einsatz der Flugabwehrraketen, und dem Fighter Allocator, der die Verbindung zu den Jagdflugzeugen hält. 

von PIZ Luftwaffe