Flugbereitschaft: Mit der „Neuen“ nach Brüssel
Flugbereitschaft: Mit der „Neuen“ nach Brüssel
- Datum:
- Ort:
- Köln
- Lesedauer:
- 4 MIN
Einsteigen nach Teneriffa oder Mallorca? Der schneeweiße Jet mit der schwarz-rot-goldenen Banderole um den Rumpf, der gerade frühmorgens in Köln-Wahn zur Startbahn rollt, hat ganz andere Ziele als solche Touristen-Hochburgen: die Hauptstädte und Krisenregionen der Welt. Seit einem Monat ist der neue Airbus A321-200 bei der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung als hochwillkommene Verstärkung im Einsatz – für Deutschlands Spitzenpolitiker vom Minister bis zum Bundespräsidenten.
Heute werden Vizekanzler Olaf Scholz und sein Team die Fluggäste sein. Ihr Ziel ist Brüssel, wo ein Treffen der europäischen Finanzminister ansteht. Die Crew ist diesmal mit 13 Köpfen zahlreicher als üblich, weil der Flug von Köln nach Berlin zugleich zum Training von Piloten und Flugbegleitern genutzt wird. Der Neuzugang ist zehn Meter länger als die anderen Maschinen der Airbus-Familie A319 bis A321. Damit ist er etwas schwerfälliger und sein Aufsetzverhalten auf der Landebahn anders, berichtet einer der Piloten. „Aber das haben wir ausgiebig geübt, bevor wir jetzt den Bundespräsidenten, die Kanzlerin, ihre Kabinettsmitglieder oder ausländische Staatsgäste an Bord nehmen.“
Zehn Meter länger, zwei Türen mehr
Diese Airbus-Version komme erstmals bei der Luftwaffe zum Einsatz und erfordere darum etliche noch neue Handgriffe, erläutert Stabsfeldwebel Sven Schnabel, der als Ausbilder mit den Flugbegleitern um Hauptfeldwebel Johanna Braun noch einmal alle Details durchgeht. „Wir haben unter anderem zwei Türen und damit zwei Notausgänge mehr als in unserem kleineren A319“, ergänzt Schnabel. „Ich bin wieder auf der Eins links“, informiert ihn Hauptfeldwebel Braun – gemeint ist die Tür unmittelbar hinter dem Cockpit, wo in Tegel gleich der Vizekanzler zusteigen wird.
Kaum Zeit fürs Bord-Kino
Mögen auch die beiden mächtigen Triebwerke trotz aller Lärmminderung beim Start unüberhörbar sein: Der neue Kanzler-Jet – die ehemalige „Neustadt an der Weinstraße“ ist von der Lufthansa übernommen und generalüberholt worden – hat seinen Dienst in der weißen Flotte des Ministeriums ausgesprochen geräuschlos aufgenommen. Frühmorgens in Köln lässt nur das geschäftige Treiben von mehreren Lufthansa-Technikern an Bord erkennen, dass hier ein Neuzugang zum Start vorbereitet wird. Lediglich Kleinigkeiten gilt es noch nachzubessern. So hakt zunächst irgendetwas beim Entertainment-System, bei dem wie im Ferienflieger diverse Filme eingespielt sind. Die meisten Spitzenpolitiker, die an Bord kämen, hätten ohnehin keine Zeit für die Filme, sondern arbeiteten auch während des Fluges weiter, berichten die Flugbegleiter.
Das gilt auch für Olaf Scholz. Der Finanzminister muss sich nicht umgewöhnen, obwohl er erstmals in diesem Flugzeug sitzt. Denn die Bemalung des Rumpfes und die Innenausstattung gleichen denen der anderen Jets der Regierungsflotte. „Auf meinen Dienstreisen nach Washington, Peking oder wie heute nach Brüssel erlebe ich immer, dass die Crews an Bord der Flugbereitschaft hervorragende Arbeit leisten. Wir sind bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Flugbereitschaft in guten Händen„, lobt der Vizekanzler und wendet sich gleich wieder der Delegation zu. Es sind noch einige Punkte für die Sitzung in Brüssel zu besprechen. Johanna Braun schließt unauffällig die Tür zum Delegationsbereich und lässt den Finanzminister weiterarbeiten.
Traumjob über den Wolken
Es fällt auf, wie engagiert die Soldatinnen und Soldaten bei der Arbeit sind. Schnabel spricht davon, dass er hier seinen Traumberuf gefunden habe. Das sagt auch ein Flugzeugmechaniker, der mit an Bord ist: „Ich wollte immer schon zur Flugbereitschaft nach Wahn.“ Der Oberfeldwebel wohnt im fernen Bremen, will aber seine Arbeitsstelle über den Wolken „um keinen Preis“ tauschen. Ein Mechaniker als Besatzungsmitglied? „Wir fliegen zu jedem Flugplatz der Welt, dessen Landebahn lang und breit genug ist“, sagt Oberstabsfeldwebel Günter Straub. „Deshalb sind zusätzlich ein Mechaniker und ein Elektroniker an Bord, bei manchen Einsätzen in entlegene Gebiete auch ein Arzt. Und unten im Laderaum fliegt ein Ersatzteilpaket mit, darunter ein Reserverad für das Fahrgestell.“
Abhörsicher: Das „Private Office“
Zeit für den Besucher, sich an Bord umzuschauen, wobei sich das Außergewöhnliche in diesem „fliegenden Kanzleramt“ erst bei genauerem Hinsehen erschließt. So befindet sich in einem zwei mal drei Meter großen Abteil namens „Private Office“ für die Spitzenpolitiker eine der abhörsicheren Telefon- und Verschlüsselungsanlagen an Bord. „Hier bitte keine Fotos“, mahnt einer der Begleiter. Es muss also bei der bloßen Beschreibung bleiben: ein Ausziehbett, zwei Sessel, ein ausklappbarer Tisch, dahinter ein Waschraum. Farblich dominiert das Hellgrau der Ledersitze, der Wandverkleidung und des Teppichbodens, unterbrochen vom Dunkelbraun des Holzimitats der Möbel. Andere Staatschefs, so die Vermutung, fliegen gewiss luxuriöser.
Das Flugzeug kann bis zu 82 Passagiere befördern, davon zwölf im VIPvery important person- und 70 im Delegationsbereich, und hat eine Reichweite von 5.000 Kilometern. Auch wenn dieser Airbus für Reisen der Bundesregierung beschafft worden ist, kann er notfalls im militärischen Einsatz verwendet werden, berichtet Straub. Die Kabine ist so konzipiert, dass die Sitze des Delegationsbereichs ausgebaut werden können und sich der freie Platz in eine fliegende Krankentransportstation mit intensivmedizinischen Betreuungsmöglichkeiten, zusätzlicher Sauerstoff- und separater Stromversorgung umrüsten lässt.
Die Sonne scheint, als die 15+04 in Brüssel landet und neben anderen Regierungsflugzeugen aus Russland, Ungarn, Spanien und Großbritannien zum Stillstand kommt. Der Rückflug direkt nach Köln – Olaf Scholz wird wegen weiterer Termine auf anderem Weg zurückreisen – dauert dann nur etwas mehr als eine halbe Stunde. Danach findet noch eine Abschlussbesprechung statt. Es war wieder ein langer Tag für die Besatzung der 15+04, denn mit ihren Vorbereitungen hatte sie bereits anderthalb Stunden vor dem Start in Köln begonnen. „Aber“, so betont Schnabel und spricht damit für alle, „tauschen möchte ich mit niemandem.“