Fähigkeitsaufbau Weltraumoperationen durch die Luftwaffe
Fähigkeitsaufbau Weltraumoperationen durch die Luftwaffe
- Datum:
- Ort:
- Kalkar
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Deutschland ist, wie andere moderne Gesellschaften auch, in vielerlei Hinsicht von der Nutzung des Weltraums abhängig: sei es für alltägliche Dienstleitungen oder für Produkte. Die Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, hat in Uedem das neu aufgestellte Air and Space Operations Centre (ASOCAir and Space Operations Centre) in Dienst gestellt.
Viele Kommunikationsanwendungen, digitaler Zahlungsverkehr als auch Positionsbestimmung und Navigation für den privaten und gewerblichen Gebrauch wären ohne eine Nutzung des Weltraums undenkbar. Gleiches gilt für die Bundeswehr – sowohl für Auslandseinsätze, Dauereinsatzaufgaben, die Landes- und Bündnisverteidigung aber auch für den Grundbetrieb. Die hierzu erforderlichen Weltraumsysteme zählen – ebenso wie jene für vitale Anwendungen der Gesellschaft allgemein – daher zur kritischen Infrastruktur, die durch den Staat in besonderer Weise geschützt werden muss. Der Schutz ihrer eigenen Weltraumsysteme ist eine genuine, militärische Aufgabe der Bundeswehr.
Im Zentrum Luftoperationen (ZLO) in Kalkar informiert sich die Ministerin zunächst über Auftrag und Aufgaben der verschiedenen Dienststellen, wie diese Luft- und Weltraum sichern. Das ZLO fasst am Standort diverse Fachzentren zusammen – u.a. die Operationszentrale der Luftwaffe mit dem Nationalen Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum, das Zentrum Weltraumoperationen sowie das Air lntelligence Centre der Luftwaffe. Eine nationale Führungsfähigkeit ist für den Einsatz von Luftstreitkräften vom Grundbetrieb bis hin zur Landesverteidigung/Bündnisverteidigung zwingend erforderlich. Die Luftwaffe führt daher die oben aufgeführten Einrichtungen zu einem „Air and Space Operations Centre“ (ASOCAir and Space Operations Centre) als zentralem Führungsgefechtsstand zusammen.
Der Schutzbedarf von (militärischen) Weltraumsystemen und der durch sie bereitgestellten Dienstleistungen und Produkte wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Es darf davon ausgegangen werden, dass sich moderne Waffensysteme zunehmend auf deren Verfügbarkeit abstützen werden. Gleichzeitig wird die Menge an Satelliten und des Weltraumschrotts, der durch deren Start und Nutzung erzeugt wird, vor allem durch die geplanten Aktivitäten ziviler Betreiber, im gleichen Zeitraum in beispielloser Weise zunehmen wird. Dies erhöht die Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen Weltraumobjekten, was – durch die kaskadenartige Erzeugung neuer Trümmer – im Extremfall die Nutzbarkeit weiter Bereiche des erdnahen Weltraums auf Jahrzehnte hinaus ausschließen könnte.
Gefahr droht allerdings nicht nur durch unbeabsichtigte Zwischenfälle. Vielmehr ist zu befürchten, dass potentielle Gegner mit entsprechenden Fähigkeiten, die Abhängigkeit Deutschlands und seiner Verbündeten von Weltraumsystemen ausnutzen und diese gezielt bedrohen werden. Neben Angriffen im Cyberraum könnten Attacken auch im Weltraum selbst erfolgen – zum Beispiel durch den Einsatz von Lasern zum Blenden bzw. Zerstören von Optiken sowie gegen Solarpaneele, aber auch durch Anti-Satelliten-Raketen und im Orbit stationierte Satelliten. Entsprechende Fähigkeitsentwicklungen in einzelnen Staaten konnten in den zurückliegenden Jahren beobachtet werden. Ihr Einsatz könnte jederzeit im Rahmen einer hybriden Kampagne erfolgen und wäre ihrem Urheber schwer zuzuordnen. Er könnte aber auch im Rahmen eines offen ausgetragenen Konflikts – vor allem zum Auftakt – erfolgen, um die aus der Nutzung des Weltraums gewonnene Führungsüberlegenheit westlicher Streitkräfte zu negieren.
Um die Nutzbarkeit des Weltraums für die Bundeswehr auch unter einer – als permanent anzunehmenden – Bedrohung erhalten zu können, ist ein umfassender Fähigkeitsaufbau hin zu Weltraumoperationen erforderlich. Diese verbinden die bereits vorhandene Einsatzunterstützung aus dem Weltraum in Form von weltraumgestützten Dienstleistungen und Produkten mit dem Betrieb, der Überwachung und dem Schutz kritischer Weltrauminfrastrukturen. Beide gemeinsam ergeben die „Dauereinsatzaufgabe Weltraumnutzung“.
Der Schutz der kritischen Weltrauminfrastrukturen der Bundeswehr erfolgt aktuell durch das Weltraumlagezentrum (WRLageZ), das in ressortgemeinsamer Zusammenarbeit zwischen der Luftwaffe und dem Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLRDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt RFM) betrieben wird. Dazu ist es vor allem auf Weltraumlagedaten der USA angewiesen. Der Betrieb der kritischen Weltrauminfrastrukturen der Bundeswehr erfolgt ausschließlich durch kommerzielle Anbieter in Koordination mit den nutzenden Dienststellen. Annährungswarnungen des WRLageZ werden dort nur nach eigener Maßgabe berücksichtigt. Eine ebenenübergreifende Überwachung erfolgt nicht. Um die Dauereinsatzaufgabe Weltraumnutzung und die dazugehörige Fachaufgabe Weltraumoperationen leisten zu können, ist deshalb – mit Blick auf die Luftwaffe – ein organisatorischer, technischer und personeller Kompetenzaufbau erforderlich.
Organisatorisch ist die Festlegung einer „Einsatzgliederung Weltraum“ erforderlich, die für alle Ebenen Zuständigkeiten und Aufgaben festlegt. Um jederzeit kurzfristig auf krisenhafte Entwicklungen reagieren zu können, sind ferner permanente Einsatzregeln nötig, die der Operationsführung Handlungsspielräume geben bzw. Entscheidungsbedarfe übergeordneter Ebenen aufzeigen. Die Luftwaffe hat hierzu ihren Anteil am ressortgemeinsamen WRLageZ zum Zentrum Weltraumoperationen umgegliedert und wird dieses zukünftig signifikant erweitern. Die auszubringenden neuen Organisationselemente sollen die genuin, militärischen Aufgaben der Planung und Führung von Weltraumoperationen abbilden und dazu die im WRLageZ erzeugte Weltraumlage nutzen.
Gleichzeitig wird das Zentrum Weltraumoperationen die Befähigung zur Missionskontrolle über den Satellitenbetrieb der Bundeswehr sowie eine eigene Befähigung zum Satellitenflugbetrieb aufbauen und diese Aufgaben in die Planung und Führung von Weltraumoperationen einbeziehen. Technisch sind hierfür noch elementare Voraussetzungen zu schaffen. Operationell nutzbare eigene Sensoren zur Weltraumüberwachung, -aufklärung und -identifizierung werden – bei Umsetzung des Projekts „System zur Weltraumüberwachung“ – erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen.
Derzeit gibt es zwei Kooperationen mit dem DLRDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt RFM: das experimentelle Weltraumüberwachungsradar German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar (GESTRAGerman Experimental Space Surveillance and Tracking) und zusammen mit dem Fraunhofer Institut für die Nutzung von Daten und Analysen des Tracking and Imaging Radars (TIRATracking and Imaging Radar). Beide stellen einen wichtigen Schritt dar, um die bisherige Abhängigkeit von Weltraumlagedaten der USA zu mindern. Für die vollumfängliche Anbindung von Sensoren – ebenso wie für jene von Satelliten und die Übertragung eingestufter Daten – ist außerdem die Realisierung der Soft- und Hardwareausstattung der sog. „Ausbaustufe 1“ des WRLageZ unabdingbar. Auf dieser aufbauend ist ggf. weitere Hard- und Software erforderlich, um technisch die Fähigkeit zur Planung und Führung streitkräftegemeinsamer Weltraumoperationen vollumfänglich herzustellen.
Personell ist ein gezielter Kompetenzaufbau Weltraum erforderlich, der eine langfristige kompetenzorientierte und attraktive Verwendungsabfolge gestattet. Neben der Planung und Führung von Weltraumoperationen und der Weltraumlageerstellung sind hierbei auch der Satellitenbetrieb und die Missionskontrolle zu berücksichtigen. Diese verantwortungsvollen Aufgaben erfordern ein tiefgreifendes Verständnis, welches aufzubauen und gezielt langfristig zu nutzen ist.