Experten für die Bordkanone: Die Waffenmechaniker in Ämari
Experten für die Bordkanone: Die Waffenmechaniker in Ämari
- Datum:
- Ort:
- Ämari
- Lesedauer:
- 4 MIN
Im Einsatz zur Sicherung des Luftraums über den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten Estland, Lettland und Litauen starten die Eurofighter der Mission „Verstärkung Air Policing Baltikum 2020/21“ (VAPB 2020/21) bewaffnet zu ihren Flügen. Deutlich sichtbar bei jedem Start: die weißen Lenkflugkörper unter den Tragflächen der Jets. Mit je zwei IRIS-TInfra-Red Imaging System–Tail/Thrust Vector-Controlled und zwei AMRAAMAdvanced Medium-Range Air-to-Air Missile beladen, sind die auf der Ämari Air Base in Estland stationierten Kampfflugzeuge mit effektiven Mitteln zur Bekämpfung von Zielen in der Luft auf kurze und mittlere Entfernungen ausgestattet. Neben dieser deutlich sichtbaren Bewaffnung besitzen die Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ jedoch noch eine weitere, schlagkräftige Waffe, die von außen nicht zu sehen ist: Die Mauser-Bordkanone im Kaliber 27 Millimeter (BK-27), verbaut im Ansatz der rechten Tragfläche. Mit bis zu 1.700 Schuss pro Minute können mit der Kanone Luft-, Land- und Seeziele in Entfernungen von über zweieinhalb Kilometern bekämpft werden.
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- Urheberrecht:
- © Bundeswehr/Michael Scheller
Sicherheit durch regelmäßige Wartung und genaue Prüfungen
Damit diese Bordkanone einsatzbereit und funktionsfähig bleibt, muss sie in regelmäßigen Abständen von Fachleuten gewartet und überprüft werden. In der Wartungshalle auf dem estnischen Luftwaffenstützpunkt ist Hauptfeldwebel Andrea J. daher mit zwei ihrer Kameraden mit den Vorbereitungen für den Tausch von Kanone und dem über 1,70 Meter langen Rohr beschäftigt: „Heute bauen wir zunächst die Bordkanone aus, die zur Inspektion in unsere Werkstatt geht. Anschließend wird eine neue Kanone in den Eurofighter eingebaut und nach dem Einbau noch genau von uns überprüft.“ Mit einem speziellen Wagen, dem „Gun Lifter“, hebt die 28-Jährige Waffenmechanikerin die Kanone aus ihrem Einbauort im Eurofighter. Zusammen mit einem weiteren Mechaniker, Hauptfeldwebel Stefan P., wird die Bordwaffe anschließend auf den Abtransport zur Inspektion in der Werkstatt der Waffenmechaniker vorbereitet.
„Bevor wir in unserer Werkstatt mit Reinigung und Inspektion der ‚alten‘ Kanone beginnen, rüsten wir die bereitliegende neue Kanone in den Eurofighter ein“, erläutert Stefan P. Die Arbeit der Mechaniker am Flugzeug ist jedoch noch nicht beendet, sobald die neue Kanone, ohne Rohr 85 Kilogramm schwer, mithilfe des sogenannten „Gun Lifters“, erfolgreich in Position gebracht und eingesetzt wurde: Um sicherzugehen, dass die Kanone ordnungsgemäß funktioniert, werden die elektronischen und hydraulischen Systeme des Eurofighters hochgefahren und ein Schuss simuliert. Die beiden Hauptfeldwebel bilden dabei ein eingespieltes Team. Während Stefan P. im Cockpit des Kampfjets den Abzug betätigt und so eine Schussabgabe simuliert, führt Andrea J. mithilfe einer sogenannten Ammunition Load Control Box (AMLOC-Box) elektronische Checks an der Waffenanlage durch. Sind alle Überprüfungen bestanden, werden die Abdeckungen von Kanone und Rohr am Jet wieder eingesetzt und verschlossen – dieser Teil der Wartungsarbeiten ist abgeschlossen.

Der „Gun Lifter“ im Einsatz am Eurofighter
Bundeswehr/Niels Juhlke
Nach dem Ausbau wird die alte Bordkanone für den Transport vorbereitet. Die Neue liegt bereits bereit
Bundeswehr/Niels JuhlkeViele Möglichkeiten in der eigenen Werkstatt
In der Werkstatt geht es für die Waffenmechaniker nun mit der gerade ausgebauten Bordkanone weiter: Nach der Reinigung der Kanone von Öl- und Fettresten wird auch hier wieder gründlich geprüft: Gibt es sichtbare Schäden oder Risse, die die Funktion der Kanone beeinträchtigen könnten? Sind Verschleißspuren zu erkennen? „In unserer Werkstatt prüfen wir beispielsweise elektrische Kontakte innerhalb verschiedener Baugruppen der Kanone“, erläutert Andrea J. Bei allen Arbeiten an der insgesamt circa 2,30 Meter langen Bordwaffe gehen die beiden Techniker dabei nach dem Vieraugenprinzip vor. Wenn alle Checks abgeschlossen sind, wird die Bordkanone schließlich wieder komplett zusammengesetzt, sodass sie bei Bedarf zum Austausch einer defekten Bordwaffe im Eurofighter bereitsteht. Freigegeben werden die Instandhaltungsarbeiten im Anschluss von einem weiteren Techniker, Stabsfeldwebel Jens S. Der 47-Jährige zeichnet als sogenannter Freigabeberechtigter die Arbeiten seiner beiden Kameraden ab.

Mithilfe eines Deckenkrans wird die Bordkanone in der Werkstatt bewegt
Bundeswehr/Niels Juhlke
Reinigung des Rohrs der BK-27
Bundeswehr/Niels JuhlkeCirca dreieinhalb Jahre an Fachausbildungen liegen hinter den Mechanikern, bevor die Arbeit am Luftfahrzeug für sie beginnen kann. Neben einer technischen Berufsausbildung, zum Beispiel zum Fluggerätemechaniker, müssen angehende Waffenmechaniker die militärische Ausbildung zum Feldwebel durchlaufen. Außerdem wird neben dem Fachlehrgang zum Fluggerätmechaniker am Eurofighter mit der Fachrichtung Waffen an der Technischen Schule der Luftwaffe in Kaufbeuren eine Sprachausbildung für technisches Englisch absolviert, bevor der erste Einsatz in einem Geschwader erfolgt. „Nach Abschluss aller Ausbildungen, Prüfungen und einer sechsmonatigen Phase begleiteten Arbeitens ist man ‚Maintenance Ready‘, also bereit, um selbstständig am Eurofighter zu arbeiten“, so Andrea J.
Mit vielseitigen Aufgaben weltweit im Einsatz
„Wir haben einen sehr vielseitigen und interessanten Job“, fasst Stefan P. zusammen, „auch bei längeren Einsätzen über mehrere Monate, wie hier in Ämari, haben wir viel Freude an der Arbeit“. „Außerdem schätze ich den guten Zusammenhalt im Kameradenkreis, den man hier sowohl im Dienst als auch in der Freizeit erlebt.“ Für das Team der Waffenmechaniker aus dem ostfriesischen Wittmund ist dies bereits der dritte Einsatz bei der Mission VAPB in Estland. Auch die Teilnahme an anderen Einsätzen und Übungen der Luftwaffe weltweit gehört für sie zum Job – so zum Beispiel in den Niederlanden, Spanien, Großbritannien oder Israel.
„Dabei haben wir bei einem High-Tech-Flugzeug wie dem Eurofighter die Möglichkeit, in unserer Werkstatt viele Reparaturen und Überprüfungen selbst durchzuführen“, erläutert Andrea J. Hierbei sind die Waffenmechaniker nicht nur an der Bordkanone im Einsatz – auch die Montage der sogenannten Multi-Function Rail Launcher (MFRL) gehört beispielsweise zu ihrem Aufgabengebiet. An den MFRL werden Lenkflugkörper, beispielsweise vom Typ IRIS-TInfra-Red Imaging System–Tail/Thrust Vector-Controlled und AMRAAMAdvanced Medium-Range Air-to-Air Missile, an den Außenlaststationen unter den Flügeln des Eurofighters befestigt.

Alle durchgeführten Arbeiten werden durch die Mechaniker in SAP dokumentiert
Bundeswehr/Niels Juhlke
Nachdem die gewartete Bordkanone wieder eingebaut wurde, werden die Abdeckungen am Eurofighter wieder aufgesetzt
Bundeswehr/Niels JuhlkeMit ihrem Fachwissen und den Reparatur- und Inspektionsmöglichkeiten spielen die Waffenmechaniker der Luftwaffe im Einsatz und in der Heimat eine wichtige Rolle: Sie tragen mit der Wartung der Bordkanone nach hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards dazu bei, dass die deutschen Jets im Baltikum rund um die Uhr einsatzbereit bleiben.