Luftwaffe
Ausbildung zum Jetpiloten

Gabriel erfliegt sich seine „Schwingen“

Die Basisausbildung für Leutnant Gabriel in Texas geht in die finale Phase. Mit der Northrop T-38C Talon fliegt er im Überschallbereich.

Ein Pilot bereitet sich im Cockpit auf den Abflug vor.

Militärpilotenausbildung auf der Sheppard Air Force Base

Leutnant Gabriel* kommt seinem Traum, Eurofighter zu fliegen, immer näher. Seine Ausbildung in Texas geht in die „Überschallphase“. Mit der Northrop T-38C Talon kommt echtes Jet-Gefühl auf. Mit der Graduierung erhalten die Pilotenschülerinnen und -schüler ihre „Schwingen“ und sind Militärpiloten.

65 Wochen ist Leutnant Gabriel insgesamt auf der Sheppard Air Force Base in Texas. Über den ersten Teil der Ausbildung auf der Beechcraft T-6 haben wir hier berichtet. Danach ging es weiter mit der Northrop T-38C Talon, dem Schulungsjet im Überschallbereich.

Beim Euro-NATONorth Atlantic Treaty Organization Joint Jet Pilot Training (ENJJPTEuro NATO Joint Jet Pilot Training) bilden 14 NATONorth Atlantic Treaty Organization-Länder gemeinsam Pilotinnen und Piloten aus. Die Luftwaffe schickt allerdings nur die Anwärterinnen und Anwärter hierher, die später Kampfjets fliegen sollen, also derzeit Eurofighter oder Tornado. Pro Jahr kommen etwa 250 angehende Pilotinnen und Piloten nach Sheppard, darunter 24 deutsche. Gabriel ist einer von ihnen.

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  • Ein kleiner Jet im Flug. Unter ihm sieht man spielzeugkleine Häuser und Straßen.
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    Schneller als der Schall mit der Northrop T-38C Talon

    Gabriels dritte Maschine in der Ausbildung zum Militärpiloten ist die Northrop T-38C Talon. Während die einmotorige Grob G 120A in Goodyear eher eine „Fahrschule für Fußgänger“ ist, die viel Zeit zum Reagieren lässt, bietet die Beechcraft T-6 als Turboprop schon mehr Performance. Die T-38C mit ihren Jettriebwerken verlangt wesentlich zügigere Reaktionszeiten, denn sie ist mit bis zu 1,2 Mach wesentlich schneller.

    „Das Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit ist im Flugzeug selbst kaum zu spüren“, sagt Major Stefan*, einer der T-38-Fluglehrer in Sheppard. Damit der Lärm am Boden aber niemanden stört, müsse man mindestens 36.000 Fuß (etwa 10.973 Meter) hoch fliegen. Wegen der niedrigeren Temperatur und Luftdichte in größeren Höhen reagieren auch die Triebwerke anders. „Ein Jettriebwerk muss ‚atmen‘, ist also in großer Höhe gefährdeter, auszufallen“, erläutert der Fluglehrer, der selbst Tornado geflogen ist. „Je höher man fliegt, desto geringer ist die Manövrierfähigkeit.“

    „Wir bringen die Leute und die Maschinen hier an ihre Belastungsgrenze, um herauszufinden, wie gut jeder im Task Management ist“, so Major Stefan. „Das beginnt beim Im-Kreis-Fliegen und einem Looping und geht bis zu Zweier- und Vierer-Formationsflügen.“ Dabei wird für die Teilnehmenden künstlich Stress aufgebaut, auch beim Briefing und Debriefing. „Unser Ziel ist, dass unsere Schülerinnen und Schüler das Fliegerische im Schlaf beherrschen, wenn sie hier rausgehen und ihre Wings bekommen, damit sie sich auf ihre Aufträge konzentrieren können.“

  • In einem Raum stehen zwei Soldaten in Fliegerkombi, mehrere andere sitzen an einem Tisch.
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    Das tägliche Stand-up

    Beim täglichen Morningbriefing geht es für die 15 Schülerinnen und Schüler jeder Flight, also jeder Fluggruppe, nicht nur ums Wetter, es gibt auch jeden Tag ein sogenanntes Stand-up. Dabei wird jeweils ein Schüler unangekündigt aufgerufen, um eine Notfallsituation im Flugzeug vor der Gruppe anhand von Checklisten zu lösen. Er muss die einzelnen Schritte, die er unternehmen würde, auflisten, um sich und das Flugzeug heil zurückzubringen. „Das gehört zum Trainingsprogramm, denn es baut schon einen gewissen Stress auf, dem die Schülerinnen und Schüler in einem echten Notfall noch ganz anders ausgesetzt wären“, erklärt Oberleutnant „Roscoe“, Fluglehrer auf der T-6. So ein Stand-up kann gut eine halbe Stunde dauern.

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    Oberleutnant "Roscoe" erklärt, was beim täglichen Stand-up passiert und warum es wichtig ist. Wer dabei durchfällt, darf an diesem Tag nicht fliegen.

    Heißt es dabei „Sit down“, hat der Schüler die Aufgabe nicht gemeistert und darf an diesem Tag auch nicht fliegen, sondern muss Theorie büffeln. Sagt der Fluglehrer ihm hingegen am Ende „Take a seat“ oder „You can have a seat“, hat er die Aufgabe gut gelöst und seinem Start an diesem Tag steht nichts im Weg.

  • Zwei Propellerflugzeuge von unten vor einem blauen Himmel fotografiert.
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    Am Himmel ist immer etwas los

    Die Sheppard Air Force Base hat vier Start- und Landebahnen und wird sowohl zivil als auch militärisch genutzt. Eine der Startbahnen ist für den Regionalflughafen reserviert. Die übrigen drei stehen den Flugschülerinnen und -schülern zur Verfügung. In einer Platzrunde, einem sogenannten Pattern, können bis zu zehn Flugzeuge gleichzeitig fliegen. Der Abstand zwischen ihnen muss beispielsweise bei der T-38C etwa eine Meile, also 1,6 Kilometer betragen.

    In Sheppard gibt fast so viele Starts und Landungen wie am knapp 200 Kilometer entfernten Großflughafen Dallas/Fort Worth: 1.250 sind es pro Tag. Denn täglich werden insgesamt etwa 250 Ausbildungs- und Trainingsmissionen geflogen und zu jeder Mission gehören im Schnitt fünf Starts und Landungen. Die meisten eingeplanten Flugzeuge fliegen dreimal pro Tag, während andere in größeren oder kleineren Inspektionen sind. 

    Insgesamt verfügt das ENJJPTEuro NATO Joint Jet Pilot Training über rund 80 Maschinen vom Typ T-6 und circa 110 vom Typ T-38C. Die Zahl der Fluglehrer und Fluglehrerinnen ist höher. Es gibt 121 für die T-6, 110 für die T-38C und 46 sind für die IFFIntroduction to Fighter Fundamentals-Flüge zur Vermittlung von Grundlagen des militärischen Fliegens zuständig.

  • Mehrere Bildschirme zeigen Cockpits und Flugrouten. Einige junge Männer sitzen an den PCs.
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    Party einmal anders

    Regelmäßig finden in Sheppard sogenannte Pattern Partys statt. Hier geht es nicht ums Feiern, sondern – wie könnte es anders sein – ums Fliegen. An mehreren Computern sitzen junge Pilotenschülerinnen und Schüler mit VRVirtuelle Realität-Brillen, die in Simulationsprogrammen virtuelle Platzrunden fliegen. 

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    Virtuell kann es auch mal riskant werden: Gabriel erzählt, wie eine Pattern Party abläuft.

    „Wir brauchen weniger zusätzliche Flüge, wenn die Schülerinnen und Schüler damit üben“, erklärt Oberstleutnant Oliver*. Sie können sich im Internet miteinander und auch mit den Controllern vernetzen, um eine möglichst realitätsnahe Situation zu schaffen. Wem diese regelmäßigen Partys nicht reichen, der kann sich das Equipment auch ausleihen und damit privat in seiner Freizeit üben.

  • Ein Soldat sitzt in einem Simulator, ein anderer hinter ihm an einem PC.
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    So tun als ob – die Simulatoren

    Immer wieder tauschen Gabriel und seine Mitschülerinnen und Mitschüler auch den Flugplatz gegen den Simulator. Bei so vielen Lehrgangsteilnehmenden würde ein einziger Simulator natürlich nicht reichen. Das Zentrum in Sheppard hat deshalb wesentlich mehr: zehn allein für die Beechcraft T-6 und noch einmal zehn für die Northrop T-38C Talon. 

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    Pause drücken bei 700 km/h: Gabriel erklärt den Cockpittrainer

    Sechs dieser T-38-Simulatoren sind 360-Grad-Simulatoren, also geschlossene Räume, die die Bewegungen des Flugs und die Umgebung wirklichkeitsnah widerspiegeln. Außerdem sind die Cockpits im Simulator vernetzt, um mehr Situationen fliegen zu können.

  • Ein Soldat in Fliegerkombi steht auf der Leiter zum Einstieg in einen kleinen Jet und lächelt.
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    Oberleutnant Malte: Der Weg übers Studium

    Malte und Gabriel kennen sich schon eine ganze Weile. Sie waren gemeinsam in Goodyear bei der fliegerischen Grundausbildung und sie haben beide schon als Kinder vom Fliegen geträumt. Maltes Weg ins Cockpit war allerdings ein etwas anderer als der von Gabriel. Bereits mit 14 Jahren begann er mit dem Segelfliegen. „Da ich mein Abi in zwölf Jahren gemacht habe, hab ich mich schon mit 16 bei der Bundeswehr beworben.“ 2016 kam er zur Bundeswehr, war erst an der Offizierschule der Luftwaffe und hat danach Aeronautical Engineering studiert. Das ist ein dualer Bachelor-Studiengang. „Studieren war für mich das Beste“, sagt der inzwischen 23-Jährige, der aus Köln stammt. „So ein Studium ist ein super Backup, wenn man irgendwann nicht mehr fliegen kann.“

    In Sheppard ist er eine Klasse vor Gabriel. „Ich hatte sehr viel Glück, dass alles so gut lief und ich keine langen Wartezeiten hatte. Aber ich hatte viel Respekt vor dieser Ausbildung hier“, erzählt Malte. Er wohnt auf dem Gelände in einem „Dorm“ mit anderen Flugschülern zusammen. „Das ist toll, fast wie in einer Familie. Wir haben viel gemeinsam und können uns immer austauschen.“ Klar wollen alle immer zu den Besten gehören. „Aber das geht zum Beispiel beim Fliegen in der Formation nur im Team, wenn alle sich aufeinander einstellen. Wir versuchen, das zu einem eingespielten Tanz zu machen. Wenn das funktioniert, fühlt es sich super an.“

  • Ein Mann in Fliegerkombi steht mit verschränkten Armen vor einem Propellerflugzeug und lächelt.
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    „Pilot ist ein Traumberuf, Fluglehrer ist noch besser“

    Major Patrick* gehört zum Fluglehrpersonal in Sheppard. Er ist nach seiner eigenen Ausbildung direkt Fluglehrer geworden, ein sogenannter First Assignment Instructor Pilot (FAIPFirst Assignment Instructor Pilot). „Ich war 2010 als Flugschüler hier, und bin dann gleich als FAIPFirst Assignment Instructor Pilot geblieben.“ 2015 folgte die Eurofighter-Ausbildung in Rostock-Laage, seit 2019 ist er wieder in Sheppard, inzwischen als Staffelkapitän.

    Ein Propellerflugzeug hebt von der Startbahn ab.

    Die Beechcraft T-6 Texan II ist ein leichtes Turbopropflugzeug des USUnited States-amerikanischen Herstellers Textron Aviation. Weil es ein ähnliches Flugverhalten wie ein leichter Jet besitzt, wird es in der Basisausbildung in Sheppard genutzt.

    Bundeswehr/Francis Hildemann

    Die T-6 ist für mich ein sehr schönes Flugzeug und im Vergleich zur T-38 einfach zu fliegen.“ Wer nach Sheppard kommt, gilt bei den Fluglehrern immer noch als „Fußgänger“, denn „manche haben bis dahin höchstens zehn Flugstunden gehabt“, so Major Patrick. Das sei aber von Nation zu Nation unterschiedlich. 

    „Pilot ist ein Traumberuf, aber Fluglehrer ist noch besser. Es ist toll, die Entwicklung bei den Schülern zu sehen, weil die so schnell ist. Es gibt wenige Berufe, wo man in so kurzer Zeit so ein Ergebnis sieht“, erzählt er. „Aber sie kriegen auch eine echte 'Druckbetankung'.”

    In Sheppard gehe es nicht nur ums Fliegen selbst, sondern auch um die persönliche Haltung, die „attitude“. „Zu uns kommen nur die Besten“, so Major Patrick. „Hier lernen sie, auf jedes Detail zu achten, ohne sich in Perfektionismus zu verlieren. Wer einen Fehler gemacht hat, muss danach in der Lage sein, abzuschalten, einfach weiterzumachen und die Motivation aufrechtzuerhalten.“

  • Eine Gruppe junger Menschen in Fliegerkombi strahlt in die Kamera und recken die Arme in die Luft.
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    Ja, es wird der Eurofighter! Gabriels „Drop Night“

    Spannung, Aufregung, Ausgelassenheit, Party: Das alles gehört zur „Drop Night“, denn an diesem Abend erfahren die Pilotenschülerinnen und -schüler, für welches Flugzeug ihre Lehrer beim ENJJPTEuro NATO Joint Jet Pilot Training sie vorgesehen haben. „Das ist schlicht und ergreifend der Moment, auf den man die ganze Zeit hingearbeitet hat, eigentlich schon, seitdem man sich für diesen Beruf entschieden hat“, sagt Gabriel. „Diese Entscheidung ist unglaublich wichtig, denn damit wird deine fliegerische Karriere festgelegt.“ Entsprechend aufgeregt war er vorher.

    Ein junger Mann ist sitzt am Boden und reckt die Arme in die Luft.

    Gabriel ist überwältigt: Er wird tatsächlich den Eurofighter fliegen! Sein Traum wird wahr.

    Bundeswehr

    Traditionell sind an diesen Abenden alle Flugschülerinnen und Flugschüler des ENJJPTEuro NATO Joint Jet Pilot Training und alle Fluglehrerinnen und Fluglehrer dabei, um den „Drop“ mitzuerleben und zu feiern. „Der Moment, als es hieß, dass ich tatsächlich Eurofighter fliegen werde, war für mich eher surreal“, erinnert er sich. „Die richtige Freude kam erst in den Tagen danach, als ich Zeit hatte, mir das, was ich da geschafft hatte, wirklich bewusst zu machen.“

  • Ein älterer Mann in Uniform schüttelt einem jüngeren im Gesellschaftsanzug mit Fliege die Hand.
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    Die Wings: Erkennungszeichen der Militärpiloten

    Bei der Graduierung erhalten die Pilotenschülerinnen und -schüler die USUnited States-amerikanische Schwinge und ihre nationale Schwinge. „Neben dem Erlebnis, sein Flugzeug zugewiesen zu bekommen, ist die Verleihung der Wings ein sehr großer Moment für einen Militärpiloten“, erklärt Gabriel stolz. Das sei überhaupt nicht mit dem zivilen Pilotenschein zu vergleichen, denn dabei gebe es weder eine offizielle Graduierung noch vergleichbare Wings. „Wenn Du diese Schwinge auf der Brust trägst, dann weiß eigentlich jeder, dass du ein Militärpilot bist.“

    Zwei unterschiedliche goldfarbene Schwingen auf einem blauen Uniformstoff.

    Das sind sie: die deutschen und die USUnited States-amerikanischen Wings, die Gabriel als Militärluftfahrzeugführer, wie die Piloten der Bundeswehr offiziell heißen, als Tätigkeitsabzeichen trägt

    Bundeswehr
  • Das Cockpit der T-38 von innen fotografiert, so dass die vielen Knöpfe, Regler und Messanzeigen zu sehen sind.
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    IFFIntroduction to Fighter Fundamentals: Grundlagen des militärischen Fliegens

    Nach der Verleihung der Schwingen hatte Gabriel zwei Wochen Urlaub, danach ging es direkt weiter mit Introduction to Fighter Fundamentals (IFFIntroduction to Fighter Fundamentals). „Hier werden die Grundlagen des militärischen Fliegens vermittelt“, erklärt Gabriel. Zweieinhalb Monate mit etwa 30 Flügen umfasst dieser Kurs. 

    Die IFFIntroduction to Fighter Fundamentals-Ausbildung war schön und gleichzeitig der Horror“, erinnert sich Gabriel. „Denn hier muss man den Nachweis erbringen, dass man den Anforderungen gewachsen ist, die an einen Kampfpiloten gestellt werden. Alles, was mit dem Fliegen selbst zu tun hat, muss sitzen, also Landungen, Formationsfliegen, Anflugverfahren. Schließlich ist man ja mit der Verleihung der Wings ausgebildeter Pilot. Entsprechend hoch ist der Druck und viele Fehler darf man sich nicht erlauben.“

    Drei Soldaten stehen in einem Raum, zwei halten ein offizielles Trainingszertifikat in die Kamera.

    Gabriel hat auch das IFFIntroduction to Fighter Fundamentals, die Qualitätsprüfung für angehende Kampfpiloten, bestanden. Damit kann er der weiteren Ausbildung auf dem Eurofighter gelassen entgegensehen.

    Bundeswehr

    Das IFFIntroduction to Fighter Fundamentals ist eine Art Qualitätsprüfung. Wer das schafft, kann in jeder Staffel der NATONorth Atlantic Treaty Organization bestehen. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass man als Kampfpilot abgelöst wird, wenn man mehr als fünf dieser Flüge nicht besteht.

    Gabriel hat auch das IFFIntroduction to Fighter Fundamentals bestanden. Der Traum vom Eurofighter kann in Erfüllung gehen.

    *Namen zum Schutz abgekürzt.

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