Luftwaffe

Eiswolf 2020 – Jagen oder Gejagt werden

Eiswolf 2020 – Jagen oder Gejagt werden

Datum:
Ort:
Heide
Lesedauer:
4 MIN

Es ist Nacht in der nordischen Stadt Heide im Landkreis Dithmarschen. Ein normalerweise ruhiger Ort. Doch heute stehen unauffällige Fahrzeuge der Heeresaufklärungstruppe abgetarnt an den Wegesrändern. Die Idylle wird durch einige helle Flächen auf dem Sensorbild eines Aufklärers gebrochen. Hastig marschieren Soldatinnen und Soldaten über einen freien Geländeabschnitt. 

Das Jagdkommando durchstreift die Wälder von Heide

Bei der Nachtorientierungsübung Eiswolf 2020 durchstreift das Jagdkommando die Wälder von Heide

Bundeswehr/Volker Muth


Schüsse fallen auf den kleinen Trupp. Sie wurden aufgeklärt. Von wem?  Sie wissen es nicht. Jetzt zählt für sie nur noch was kommt - so schnell wie möglich der Bedrohung zu entkommen. Willkommen auf der Übung Eiswolf 2020. 

Ein Patrouillenmitglied prüft den Weg während der Nacht

Das Mitglied eines Jagdkommandos prüft den Weg der Patrouille

Bundeswehr/Volker Muth

Nichts für Schoßhunde

Der Eiswolf 2020 besteht aus einem 28-stündigen Nachtorientierungsmarsch entlang an zehn Stationen. Doch ist es nicht nur mit einem Marsch zwischen den Stationen getan. Zusätzlich versetzt ein Jagdkommando die Teilnehmer in rege Alarmbereitschaft. Fängt sie das Jagdkommando, werden sie an einem unbekannten Punkt im Übungsraum freigelassen. Die Orientierung beginnt von Neuem. 
Die Übung wird jährlich von Reservisten und aktiven Soldaten geplant und geleitet. Über 450 Frauen und Männer aus sechs Nationen (Dänemark, Schweiz, Tschechien, Finnland, Frankreich und Deutschland) nehmen freiwillig an der Übung Teil. Sie übernehmen dabei das Funktionspersonal, Jagdkommando, stellen Helfer oder sind Teilnehmer des Geschehens. Bereits Sieben Monate zuvor beginnt die Planung für die Übung.

Antreten vor dem Start. Teilnehmer mit deutscher Fahne

Stolz präsentieren die verschiedenen Nationen bei Eiswolf 2020 ihre Flagge

Bundeswehr/Volker Muth

Doch zum Anfang. Es ist Freitag, charakteristisch verregnet, wie man es aus Schleswig-Holstein kennt. Doch trotz des schlechten Wetters schaut man in der Wulff-Isebrand Kaserne nur in gut gelaunte Gesichter, Vorfreude auf die Nachtorientierungsübung. Es herrscht eine aufgelockerte Stimmung. „Batterie voll aufgeladen“, scherzt Hauptfeldwebel Dornhem, Flugbegleiter aus Thüringen. Der ehemalige Luftwaffensoldat aus dem Einsatzführungsdienst verrät, er sei positiv aufgeregt. „Es ist spannend, ich kann es kaum erwarten“, sagt er voller Erwartung und freut sich darauf sein sportliches Engagement und infanteristisch erlerntes Wissen zusammen mit seinem Trupp in der Übung anwenden zu können. 


In drei Hallen sind Meldekopf, Verpflegungsstand und Schlafplätze untergebracht. Ein Meer aus verschiedenen Uniformen, alle bereiten sich auf den Start vor. Insgesamt 32 Trupps haben sich gefunden. Es gibt keine vorgeschriebene Ausrüstung, jeder nimmt das mit was er für nötig hält. Kurz vor Sieben Uhr wird es ruhig. Die Soldaten treten geschlossen in ihren Nationen an. Stolz präsentieren sie ihre Landesflaggen, die leicht im Zug der geöffneten Fenster wehen. Nach Begrüßung und Einweisung der Teilnehmer wird dem Leitenden militärisch gemeldet. Die Stille lässt den eisigen Wind, der an der Halle vorbeipeitscht, deutlich hervortreten. Der Wille zu beginnen ist den Soldaten deutlich anzusehen, hochmotiviert haben viele schon ihre Tarnschminke aufgetragen. Mit den letzten Worten des Cheforganisators fahren drei Busse vor die Hallen. Sie setzen die Soldaten an ihren jeweiligen Startstationen ab. 

Der Eiswolf erwacht

Dichter Nebel zieht unter der Grünentaler Hochbrücke hindurch. Riesige Frachtschiffe fahren gespenstisch leise den Kanal entlang und verschwinden wieder im Nebel. Ein Ausschnitt wie aus einem Film. Hier startet der Eiswolf für zwei junge Soldaten. Nachdem sie im Vollsprint eine lange Steigung überwunden haben, ziehen sie ihre eigene Ausrüstung in einer Holzkiste hinterher. Das laute Knarzen der Kiste auf dem Stein gibt der Station ihren eigenen Charakter. Meter für Meter merkt man den Soldaten die Last an. Trotzdem schaffen sie es in einem guten Tempo bis ganz nach oben. Station geschafft. Die erzielten Punkte werden notiert, das Team mit den notwendigen Koordinaten für den nächsten Marsch versorgt. 

Die Patrouille bewegt sich leise und still durch die Nacht, aber nicht ungesehen

Unauffällig marschieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Eiswolf 2020 durch die Felder von Heide. Ungesehen jedoch nicht

Bundeswehr/Pressestelle AufklBtl6

Die Stationen fordern durch gut durchdachte Aufgaben, sei es durch eine nachgestellte Flussüberquerung im Schwimmbad oder das Erkennen und benennen von Sprengkörpern aus der Entfernung. Betreut und aufgebaut werden die Stationen durch das Technische Hilfswerk, Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, zivilen Helfern, Reservisten sowie aktiven Soldaten der Bundeswehr. „Einfach weils Spaß macht und die Kameradschaft fördert“, hört man hier immer wieder als Begründung warum man in der Kälte mit unterstützt. Die Stimmung an den Stationen ist einmalig. Jeder ist voll bei der Sache.


Ein anderes Team befindet sich auf dem Weg zur nächsten Station. Die zwei tschechischen Teilnehmer sind weit gereist um an der Übung teilnehmen zu können. Umso frustrierender wäre es, wenn das Jagdkommando sie finden würde. Deshalb wählen sie ihren Marschweg mit Bedacht, laufen nicht auf offenem Gelände und halten sich vor vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen versteckt. Kurz vor Erreichen der Station der Schock. Es fallen Schüsse aus einer Signalpistole. Die Soldaten gehen in Deckung. Haben sie uns gesehen? Sollten wir aus der Deckung fliehen? Fragen die in dieser Situation durch den Kopf schießen. Glück gehabt! Der Angriff des Jagdkommandos galt einem anderen Trupp. 

Luftgewehrschießen bei Eiswolf 2020

An einer der Stationen wurde mit dem Luftgewehr geschoßen

Bundeswehr/Volker Muth


Last but not Least

Nach 28 Stunden jagen, gejagt werden, planen, betreuen und unterstützen neigt sich der Eiswolf dem Ende zu. Die Teilnehmer kehren zu den Zelten zurück und fallen in das vorbereitete Feldbett. Am nächsten Morgen geht es auf dem Gelände ruhiger zu. Das Erlebte ist den Teilnehmer noch deutlich anzusehen. Dennoch überwiegt die Freude, die Übung gemeistert zu haben. „Batterie hat noch 30 Prozent“, scherzt Dornhem wieder „Die Übung war schwerer als gedacht aber wir haben es trotzdem geschafft“. Drei Verletzte gab es während der Übung. 

Die Übung ist zu Ende und die Soldaten sind zufrieden aber auch erschöpft

Erschöpft aber zufrieden. Die anstrengende Übung ist den dänischen Kameraden noch am Morgen danach anzusehen

Bundeswehr/Volker Muth


In einem letzten Antreten werden nach den Danksagungen an alle Helfer die Ergebnisse verteilt. Doch bedeutend scheint es keinem zu sein. Die Freude gemeinsam etwas Anstrengendes geschafft zu haben überwiegt alles. Ein Vater und Sohn Team lächelt erschöpft, „die Erwartungen wurden erfüllt und wir werden nächstes Jahr aufjedenfall wieder dabei sein“.

von Marvin Pflug