Einmal volltanken bitte: Was unsere Jets wo tanken
Einmal volltanken bitte: Was unsere Jets wo tanken
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 5 MIN
Die fliegenden Tankstellen der Luftwaffe kennt fast jeder. Spektakuläre Bilder von A400M oder A310 MRTTMulti Role Tanker Transport, an die Eurofighter oder Tornados andocken, um in der Luft nachzutanken. Doch woher bekommen die aktuell 392 Luftfahrzeuge der Luftwaffe in Deutschland am Boden ihren Kraftstoff?
Die Antwort auf diese Frage liegt größtenteils tief unter der Erde und heißt NATONorth Atlantic Treaty Organization-Pipeline. Aktuell verlaufen durch Deutschland rund 1.800 Kilometer dieses Rohrleitungssystems. Durch sie wird der Flugturbinenkraftstoff Jet A-1 transportiert. Er ist der Treibstoff für zivile Flugzeuge und die Basis für die militärische Variante F-34, die beispielsweise Eurofighter und Tornado benötigen.
Die Alliierten verlegten diese Pipelines schon in den 1950er-Jahren, um ihre Luftstreitkräfte schnell mit Treibstoff versorgen zu können. Insgesamt gibt es in Europa heute neun NATONorth Atlantic Treaty Organization-Pipeline-Systeme in insgesamt zwölf Ländern. Durch Deutschland verlaufen Teile des Central Europe Pipeline System (CEPS) und des North European Pipeline System (NEPS).
Das CEPS erstreckt sich über Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg und wird durch die USA mitgenutzt. Es umfasst rund 5.200 Kilometer Pipeline und 36 Tanklager, davon in Deutschland circa 1.640 Kilometer Pipeline und 13 Tanklager. Das NEPS läuft durch Schleswig-Holstein und Dänemark. Der deutsche Anteil umfasst circa 125 Kilometer Pipeline und ein Tanklager.
Auch Ferienflieger tanken bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization
Eigentümer und Betreiber des Pipeline-Netzes in Deutschland ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr). Pflege, Wartung, Instandhaltung, Betrieb, Bewachung und Absicherung übernimmt die Fernleitungs-Betriebsgesellschaft (FBG), die genau dafür 1956 gegründet wurde.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Verkleinerung der Bundeswehr sank der militärische Bedarf. Zur Aufrechterhaltung der vollen technischen und personellen Einsatzbereitschaft des Systems wurde die zivile Mitnutzung des rein militärischen Pipelinesystems gestattet, im Rahmen freier Kapazitäten und unter strikter Wahrung militärischer Vorrangrechte. Damit stieg der Anteil ziviler Mitnutzer stetig. Er liegt heute bei 90 Prozent. So erhalten die Flughäfen Frankfurt am Main und Köln/Bonn einen Teil des Kerosins für die dort zu betankenden Flugzeuge direkt über die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Pipeline. Darüber hinaus werden über das CEPS unter anderem die Flughäfen München, Berlin-Schönefeld, Leipzig und Stuttgart sowie in der Schweiz der Flughafen Zürich mitversorgt.
Unterirdisch umweltfreundlich
„Eine Pipeline ist das umweltfreundlichste Transportmittel, das es gibt“, sagt Christian Jonnas, Business Director der FBG und Oberst der Reserve beim Kommando Heer. „Der Betrieb funktioniert praktisch emissionsfrei und entlastet die Straßen von Gefahrgut-Transporten.“
Durch die Leitungssysteme läuft reines Jet A-1. 2019 waren es insgesamt fünf Millionen Kubikmeter. Jonnas: „Allein eine Million davon ist an den Flughafen Zürich gegangen, der das Kerosin per Eisenbahnkesselwagen von Kehl aus erhält.“
Der Zusatz macht’s: Aus Jet A-1 wird F-34
Doch wie wird aus Jet A-1 der Treibstoff für die Bundeswehr-Flieger? F-34 unterscheidet sich vom zivilen Treibstoff Jet A-1 durch verschiedene chemische Zusätze, sogenannte Additive. Einer davon ist der Fuel System Icing Inhibitor (FSII). Er verhindert, dass sich in den Kraftstofftanks und -leitungen Eiskristalle bilden. Denn im Gegensatz zu zivilen Linienflugzeugen besitzt beispielsweise der Eurofighter keine beheizten Treibstofftanks. Weitere Zusätze verringern die Korrosion in den Tanklagern und erhöhen die Leitfähigkeit.
Diese Zusatzstoffe setzt die FBG an verschiedenen Verteilerstationen und Schiebekammern über Dosieranlagen zu und kontrolliert alles genau. Jonnas: „Wir haben ein eigenes Labor in Idar-Oberstein, das die Spezifikation jeder einzelnen Charge vor der Abgabe prüft.“
Tankstelle NATONorth Atlantic Treaty Organization-Pipeline
Wenn der Flugturbinenkraftstoff F-34 in den Tank eines Eurofighters, Tornados, A400M oder einer CH-53 kommt, hat er also schon einen langen Weg hinter sich. Denn jeder deutsche Militärflugplatz erhält seinen Treibstoff über das Pipeline-System der NATONorth Atlantic Treaty Organization, sei es durch einen direkten Anschluss oder indirekt, also per Straßentankwagen oder Eisenbahnkesselwagen.
Beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf beispielsweise kommt das F-34 mit Eisenbahnkesselwagen aus Bramsche ins zentrale Tanklager. Von da aus wird es in Flugfeldtankwagen zum Flieger gebracht. Dabei werden für einen A400M fast zwei Flugfeldtankwagen-Füllungen gebraucht, denn der große Transportflieger fasst maximal 50 Tonnen F-34. Das entspricht etwa 60.000 Litern.
Das Taktische Luftwaffengeschwader 74 in Neuburg an der Donau mit seinen Eurofightern hat einen direkten Anschluss an die Pipeline. Hier wie an allen anderen Militärflugplätzen ist für das Betanken der Luftfahrzeuge eine sogenannte Teileinheit POLPetrol, Oil and Lubricants verantwortlich. POLPetrol, Oil and Lubricants steht für Petrol, Oil, Lubricants, zu Deutsch: Kraftstoffe, Öle, Schmierstoffe. In Neuburg gehören 29 Leute zur Teileinheit POLPetrol, Oil and Lubricants, darunter Betriebsstofffeldwebel, Kraftfahrer, Chemielaboranten und Tankanlagenmechaniker. „Wie sind die Ansprechpartner für alles, was mit F-34, Diesel, Ölen und Fetten im Geschwader zu tun hat“, erklärt Oberfeldwebel Alexander Nowak, Betriebsstofffeldwebel und gelernter Logistikmeister.
Damit alle Eurofighter genügend Treibstoff haben und auch Gastmaschinen versorgt werden können, meldet die Gruppe wöchentlich ihren Bedarf an F-34 beim Logistikzentrum an. „Wir haben auch ein Fliegerhorst-Kleinlabor, das für die Qualitätsüberwachung unerlässlich ist“, so Nowak. „Bei Auslandseinsätzen ist das benötigte F-34 nicht immer verfügbar. Somit gehört es zum Aufgabenbereich POLPetrol, Oil and Lubricants, durch eine Dosieranlage die speziell benötigten Additive beizumischen und im Anschluss die Qualität zu kontrollieren.“ Wie das zum Beispiel bei der Verstärkung Air Policing Baltikum in Ämari abläuft, erklärt dieser Artikel.
Was macht der Molch in der Pipeline?
In Deutschland ist die FBG nicht nur für die richtige Mischung des militärischen Kraftstoffes und den Transport zuständig, sie prüft auch regelmäßig den Zustand der Pipelines. Grundsätzlich sind Pipelines sichtgeschützt und es gibt keine Witterungseinflüsse. Gegen ihren größten Feind, den Rost, sind sie mit einem Korrosionsschutz ummantelt. Durch die Leitwarte in Idar-Oberstein wird das Leitungssystem rund um die Uhr überwacht, insbesondere hinsichtlich eines Druckabfalls. Die „innere“ Kontrolle erfolgt regelmäßig mit sogenannten Molch-Läufen.
Ein Molch ist ein Reinigungs- oder Inspektionsgerät mit Sensorköpfen. Jonnas: „Jeder Molch hat in etwa den Durchmesser eines Fußballs. Von ihnen werden mehrere hintereinander gekoppelt und dann durch die Pipeline geschickt, um Wandstärken zu prüfen und Normabweichungen zu finden. Es gibt auch Kalibrierungsmolche, die unter anderem Dellen in der Pipeline finden und andere, die die Pipeline reinigen, wie ein Pfeifenreiniger.“
Muss ein Abschnitt repariert oder stillgelegt werden, wird Stickstoff eingeleitet, um die Pipeline zu leeren. Die Angehörigen des Spezialpionierregiments 164 „Nordfriesland“ der Streitkräftebasis unterstützen die FBG auf Anforderung bei Bau- und Wartungsarbeiten und helfen, Störungen und Schäden zu beseitigen.