Die helfenden Hände – Objektschützer in Berliner Pflegeheimen
Die helfenden Hände – Objektschützer in Berliner Pflegeheimen
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 4 MIN
53 Pflegeeinrichtungen, 94 junge Soldaten und eine Herzensangelegenheit. Das Objektschutzregiment der Luftwaffe bereitet sich aktuell nicht nur auf den Einsatz vor, es hilft auch – in Berliner Pflegeeinrichtungen.
Sie sind die zum Teil jüngsten Soldatinnen und Soldaten der Luftwaffe und sie helfen den Ältesten des Landes. 94 Pioniere, Luftwaffensicherer und Logistiker befinden sich dieser Tage zur Amtshilfe in Berlin – die Covid-19-Pandemie erfordert Unterstützung. Kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres, als sich fast alle auf das besinnliche, wenn auch anders als gewohnte Weihnachten einstimmten, wurden drei Manöverelemente in Schortens mobilisiert.
„Wir wollen helfen – egal wie und wo“
Im Zuge der Corona-Amtshilfe hält die Bundeswehr im gesamten Land tausende Soldatinnen und Soldaten in Bereitschaft. Kommt der Anruf, packen sie ihre Koffer. Oberfeldwebel Marc Lukaszewicz ist einer von ihnen und er sagt: „Es war für uns nicht wichtig, was wir tun sollen und wohin es geht. Wir wollen helfen – egal wie und egal wo.“
Der Pionierfeldwebel arbeitet seit einigen Tagen in der Seniorenresidenz Haus Steglitz. Daniela Tarnow ist die Residenzleitung und das ist für sie mehr als nur ein Job. „Das hier ist das Zuhause für das Ende des Lebens. Meine Mitarbeitenden und ich sind hier die Gäste.“ Und diese Einstellung schafft eine behütete Atmosphäre; sie macht jeden Raum zu einem kleinen Wohnzimmer.
Die Residenz ist das Zuhause für 148 Bewohnerinnen und Bewohner unterschiedlicher Pflegestufen und auch das Haus Steglitz kämpft mit den gleichen Problemen, wie der ganze Gesundheitssektor des Landes: Pflegekräftemangel. Aktuell mehr denn je. Für Daniela Tarnow ist Marc daher besonders während der Pandemie eine Hilfe. Sie fühlt sich dadurch an die Zeit erinnert, in der Zivildienstleistende über die Gänge ihres Hauses flitzten. „Wir sind durch und durch unterbesetzt, aber wir hatten, bevor der erste Soldat für die Corona-Amtshilfe zu uns kam, überhaupt kein Anspruchsdenken – auch wenn uns das an die Zeit der „Zivis“ erinnert.“
Die Pandemie macht gewohnte Abläufe komplizierter. Wurden Besucher bisher nur freundlich begrüßt, müssen sie sich heute vor dem Zutritt einem Corona-Schnelltest unterziehen. Das bindet Zeit und Kräfte – und die generellen Tätigkeiten werden nicht weniger. Alles muss parallel funktionieren, umso wichtiger sind helfende Hände.
„Tod gehört zum Leben – wie die Geburt auch“
Umso dankbarer sind die Leiterin und ihre 106 Mitarbeitenden, dass die Bundeswehr in diesen schwierigen Pandemiezeiten unterstützt und helfende Hände entsendet. Marc hat sich in die Gemeinschaft des Pflegeheimes eingefügt und das ist aus einem wichtigen Grund nicht einfach: „Tod gehört zum Leben, wie die Geburt auch. Unsere Gesellschaft hat verlernt damit umzugehen. Jeder, der hier arbeitet, muss damit rechnen, dass der Mensch, dem er heute noch etwas vorliest, morgen nicht mehr da ist – und das muss man können“, sagt Frau Tarnow.
Der Pionier ist nicht durch Zufall im Haus Steglitz. Sein Vorgesetzter ist Hauptmann Timo Alt. Er ist der Zugführer eines der Manöverelemente. Sein Bereich umfasst 32 Soldatinnen und Soldaten. „Du musst für diesen Job empathisch sein. Hier in Steglitz gibt es einen Bereich, in dem ausschließlich demente Menschen wohnen – ich konnte hier keinen 19-Jährigen hinstecken.“ So erklärt Timo, weshalb die Wahl auf den Oberfeldwebel fiel. Mit 33 Jahren ist er der älteste Soldat, der dem Hauptmann unterstellt ist.
„Es wurde niemand befohlen. Alle sind hier freiwillig und alle wollen dem Land durch die Coronapandemie helfen“, erzählt Timo. Er selbst ist in Berlin zwar ihr Vorgesetzter, aber er ist viel mehr ihr Seelsorger. „Die Frauen und Männer sehen tagsüber Sachen, die für sie unnormal sind. Sie betreuen Kranke, sie sehen Menschen von uns gehen. Die Gespräche am Abend sind wichtig.“
Was sie geben? – Ein Stück Normalität zurück
Irgendwann wird die Vergangenheit das Wichtigste. Die alten Menschen erzählen Geschichten ihrer Jugend und Marc hört ihnen gerne zu. In diesem Konstrukt profitiert nicht nur eine Seite. Die jungen Soldatinnen und Soldaten lernen fürs Leben und die Ältesten bekommen in Pandemiezeiten ein Stück Normalität zurück.
„Die Besucherfrequenz hat sich im Laufe der vergangenen Monate drastisch reduziert. Es kommen weniger Therapeuten und die Musiker fallen ganz weg. Wir sind froh, dass wir mittlerweile über Corona-Schnelltests verfügen. Das erleichtert uns das Besuchsverfahren“, berichtet die Leiterin von den emotionalen Hürden der Pandemie. Und daher sind sich Bewohner und Mitarbeiter einig: „Die Soldaten sind toll und das tut uns allen gut.“
„Frau Zielinski, Sie schummeln schon wieder“
Marc und seine 93 Kameradinnen und Kameraden sind in den Berliner Heimen für ganz unterschiedliche Sachen da. Jeder tut was er kann. Wer technisch begabt ist, hilft dort, wo administrative Unterstützung gebraucht wird; wer gern liest oder Karten spielt, steht den Betreuern zur Seite. Medizinische Behandlungen bleiben den examinierten Kräften vorbehalten.
Und so findet sich auch Marc oft mit Frau Zielinski beim Kniffeln wieder. „Frau Zielinski, Sie schummeln schon wieder.“ – „Du kriegst gleich ein paar hinter die Ohren.“ Der Soldat und die 91-Jährige würfeln oft, aber viel mehr lachen sie zusammen. Die rüstige Frau Zielinski blinzelt verschmitzt über ihre Brille: „Nein, das mit den Soldaten ist für mich nicht komisch. Ich hab‘ Zuhause vier Söhne gehabt – ich kenne sie alle.“
Und schon wieder ist Marc unterwegs und bringt den Bewohnern ihr Essen. Als hätte er nie was Anderes gemacht, präpariert er jedes Tablett – mit Tellern, Besteck und den heimlichen Extrawürsten. Es sind die Kleinigkeiten, die hier zählen. Ein liebes Wort, eine Runde Würfeln oder ein kleines Eis auf dem Mittagstablett – Frau Meier mag schließlich keinen Pudding.