Luftwaffe

Die erste Luftbrücke der Welt – Ballonpost aus dem belagerten Paris

Die erste Luftbrücke der Welt – Ballonpost aus dem belagerten Paris

Datum:
Ort:
Paris
Lesedauer:
6 MIN

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Der organisierte militärische Lufttransport hat seine Wurzeln im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Vor gut 150 Jahren stieg im belagerten Paris ein Gasballon in den Himmel und schaffte Post und Nachrichten in das unbesetzte Hinterland. Die deutsch-preußische Armee versuchte auf verschiedenen Wegen die Transporte zu unterbinden.

Mann zielt mit einer Kanone in die Luft. Die Kanone ist auf einem vierrädrigen Karren installiert.

Mit der Ballonabwehrkanone begann die systematische Bekämpfung fliegender Objekte

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Ist Krieg der Vater aller Dinge? Den vielleicht bekanntesten Satz seines Werkes schrieb Heraklit von Ephesos, griechische Philosoph im fünften Jahrhundert vor Christus. Schaut man auf die Konflikte und Händel der letzten 2.000 Jahre und speziell auf den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, ist diese Meinung, vieles sei der Existenz von Kriegen zu verdanken, nicht von der Hand zu weisen. In dieser Auseinandersetzung fand zum ersten Mal in der Weltgeschichte so etwas wie ein militärischer Lufttransport in Form einer Luftbrücke statt: Am 23. September startete der altersschwache Ballon „Le Neptune„ mit 125 Kilogramm Post in der Gondel – aus dem belagerten Paris ins Ungewisse und weitere sollten folgen. Was war geschehen? 

Die Belagerung von Paris

Gut zwei Monate dauerte im Frühherbst 1870 der Deutsch-Französische Krieg bereits an. Die großen Schlachten bei Weißenburg, Mars-la-Tour, Gravelotte, schließlich Sedan waren geschlagen, die Truppen Napoleons III. besiegt. Der Kaiser selbst war abgesetzt, die Republik ausgerufen, doch der Friede nach wie vor nicht in Sicht. Zwar hatte die neue französische Regierung Verbindung mit der deutschen Seite aufgenommen und Bedingungen für einen Friedensvertrag ausgelotet. Doch mit der deutschen Forderung nach Abtretung des Elsass und Lothringens waren alle Verhandlungen bis auf Weiteres vorbei. Die Franzosen beschlossen daher, den Widerstand fortzusetzen, deutschen Truppen zogen währenddessen einen Belagerungsring um Paris und schlossen die französische Hauptstadt vollständig ein.

Zwei Ballons starten in Paris und schweben über der Stadt.

Mit Ballons wurde die erste militärische "Luftbrücke" eingerichtet

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Nur der Himmel ist noch offen

Bis zum frühen Morgen des 18. September, so heißt es, war die Stadt noch auf der Schiene erreichbar. Am Abend gegen 20 Uhr rollten die letzten beiden Züge aus Paris in Richtung Normandie und Bretagne. Am 19. September schloss sich der Ring der deutschen Armee – Paris war vom restlichen Frankreich abgeschnitten. Doch die Franzosen gaben nicht auf, suchten nach Möglichkeiten: Es blieb letztendlich der Himmel über Paris als einziger Fluchtweg und Kommunikationsroute. Schon vier Tage später, am 23. September, stieg vom Montmartre der Ballon „Le Neptune“ auf. An Bord waren Post und Flugblätter. Nach drei Stunden und 15 Minuten und einer Fahrt über 104 Kilometer landete die Fracht im Park des Schlosses Cracouville bei Évreux in der nicht besetzten Normandie.

Eine Menschenmenge jubelt zwei aufsteigenden Ballons zu

Mit Ballons werden Menschen und Post aus dem belagerten Paris gefahren

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Ballonverkehr wird organisiert

Léon Gambetta (1838 bis 1882), Innenminister der Dritten Republik, beauftragte den Pariser Fotograf und Gasballonenthusiast Félix Tournachon, genannt Nadar, den Ballonverkehr aus der Stadt zu organisieren. Neben der Herstellung neuer Ballons wurden zeitgleich mit den vorhandenen Gasballons experimentiert, die im Start der besagten „Le Neptune„ gipfelten. Damit begann ein monatelanger Krieg um die Kommunikation: Der Ballon „Neptune“ wurde laut Zeitungsbericht von preußischen Truppen mit Gewehren und Kanonen gejagt – die erste Erwähnung einer planmäßigen Bekämpfung von Objekten in der Luft. Einige Geschosse seien der Gondel derart nah gekommen, dass der Ballon schwankte. Der Pilot warf daraufhin französisches Propagandamaterial sowie aktuelle Zeitungen für die Bevölkerung in der Umgebung vom deutsch besetzten Versailles ab. Aus Wut, Verzweiflung oder weil er mit seinem überladenen Ballon an Höhe gewinnen wollte, darüber lässt sich der Bericht nicht aus.

Pariser Ballonpost startet regelmäßig

Nach den ersten geglückten Probestarts richtete man bereits Ende September eine erstaunlich regelmäßige Ballonpost ein, die als sogenannte Pariser Ballonpost berühmt wurde und heute für Briefmarkenexperten geschätzte wie teure Sammelstücke bietet. In beeindruckender Geschwindigkeit begann man mit dem Aufbau der Produktion.

Ein originaler Brief der Pariser Ballonpost von 1871.

Die Briefe und Postkarten der Pariser Ballonpost sind geschätzte Sammlerstücke

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Zweieinhalb Millionen Briefe in 17 Wochen

Die jetzt nutzlos gewordenen Bahnhöfe verwandelten sich in betriebsame Ballonfabriken. Frauen nähten dort die enormen Stoffhüllen zusammen, Seeleute knüpften Netze und flochten Seile. 67 Ballons verließen bis zum Waffenstillstand am 28. Januar 1871, die belagerte französische Hauptstadt. Von ihnen führten 55 hauptsächlich Postsendungen mit, im Durchschnitt jeweils 200 Kilogramm, zweieinhalb Millionen Briefe und Karten in den gut 17 Wochen der Belagerung mit einem Gesamtgewicht von rund elf Tonnen. Befördert wurden auch 164 Passagiere, unter ihnen ranghohe Politiker und Militärs, dazu 381 Brieftauben, die nach der Landung mit Nachrichten zurück nach Paris geschickt werden sollten. Selbst fünf Hunde finden sich in den Ladungspapieren. Ihnen wurde zugetraut, mit Nachrichten im Halsband den Weg durch die deutschen Linien in die belagerte Hauptstadt zu finden.

Eine Kanone, auf einem Sockel montiert, im Museum.

Alfred Krupp entwickelte die erste Flugabwehrkanone der Welt, damals als Ballon-Abwehr-Rakete bezeichnet. Sie steht im Militärhistorischen Museum Dresden.

Militärhistorisches Museum Dresden

Kanone gegen Ballon: Die systematische Bekämpfung fliegender Objekte 

Mit dem Balloneinsatz gelang den Parisern eine in mehrfacher Hinsicht innovative Leistung. Erstmals wurde Post in organisierter Form auf dem Luftweg befördert. Erstmals auch wurden Fluggeräte, nämlich die Ballons, in Serie gefertigt. Auf deutsch-preußischer Seite war man ebenfalls nicht untätig. Gewehrkugeln reichten nicht, um die Ballons vom Himmel zu holen und so entwickelte Alfred Krupp die erste Kanone der Welt, die ihre Ziele am Himmel finden sollte, damals als Ballon-Abwehr-Rakete bezeichnet. Ihre Funktionsweise: Wie ein frühes Flak-Geschoss war sie mit einem langen, beweglichen Rohr auf einer leicht zu transportierenden Plattform angebracht. Damit findet die systematische Bekämpfung fliegender Objekte hier ihren Ursprung.

Soldaten schießen mit Gewehren auf Ballons

Der Ballon „Neptune" wurde laut Zeitungsbericht von preußischen Truppen mit Gewehren und Kanonen gejagt – die erste Erwähnung einer Bekämpfung von Flugobjekten

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Flugmeldedienst und Reiter machen Jagd

Angeblich erwies sich das Geschütz als ineffektiv – es gelang nur ein Abschuss. Mehr Erfolg versprach der schnell eingerichtete Ballon-Meldedienst. Von Posten zu Posten meldeten die Soldaten einen erkannten Ballon telegrafisch weiter und berittene Soldaten brachten Ballon und Ladung bei der Landung in Gewahrsam. Deshalb gingen die Franzosen dazu über, die Ballons nachts starten zu lassen.

Soldaten zu Fuß und auf Pferden beobachten am Himmel zwei Ballons.

Mit Reitern folgten die deutschen Truppen den Ballons und erwarteten sie an ihren Landeplätzen

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Vom Winde verweht – sogar bis nach Norwegen

Das brachte aber eine neue Gefahr mit sich: Die Piloten hatten in der Dunkelheit keinerlei Orientierung und wussten bei Sonnenaufgang nicht, wie weit der Wind sie getrieben hatte. Zwei Ballons trieben ins Meer, andere mussten in Holland und Belgien landen. Den Streckenrekord erzielte am 24. November der Ballon „La Ville d’Orléans“, der nach knapp 1.300 Kilometern im verschneiten norwegischen Lifjell landete.

Idee des Zeppelins wird geboren

Doch so einfallsreich man sich bei der Eroberung der Luftwege auch gezeigt hatte, half sie nicht, die Belagerung von Paris aufzubrechen. Am 27. Januar willigte die französische Regierung in einen Waffenstillstand ein. Der letzte Ballon erhob sich einen Tag später, um Nachricht vom Ende der Belagerung nach draußen zu tragen und somit diese frühe Luftbrücke wieder überflüssig machte. Übrigens, ein gewisser Ferdinand von Zeppelin nahm an der Belagerung von Paris teil und beobachte den Einsatz der Ballons mit all ihren technischen Problemen. Daraufhin begann er sich ernsthaft für das Problem der Konstruktion eines „lenkbaren“ Ballons zu interessieren. Die Idee des Zeppelins war geboren…


Infokasten: Fliegen oder Fahren

Geht es um Fesselballons, Zeppeline oder Luftschiffe, kann man sich schnell mal in die Nesseln setzen. Wie soll die Bewegung in der Luft bezeichnet werden? Denn ein Luftschiff/ Ballon fährt. Ein Flugzeug hingegen fliegt. Dafür gibt es einen physikalischen und einen historischen Grund. Der physikalische besagt, dass alles was schwerer ist als Luft fliegt (Flugzeuge, Hubschrauber) und alles Leichtere fährt (Ballone, Luftschiffe). Zusätzlich spielt auch der Auftrieb eine Rolle. Flugzeuge müssen dynamische Luftbewegungen erzeugen um das hohe Gewicht in die Luft zu bringen. Ballone steigen nur durch die erzeugte Warmluft auf. In der Geschichte der Ballonfahrt sprachen die ersten Ballonpioniere, dass sie ins Luftmeer entschweben. So war der Vergleich zur Schifffahrt hergestellt. 


von Thomas Skiba

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