Luftwaffe
Luftraumsicherung

Deutscher Luftraum für russische Flüge gesperrt

Deutscher Luftraum für russische Flüge gesperrt

Datum:
Ort:
Deutschland
Lesedauer:
5 MIN

Deutschland sperrt in Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine den deutschen Luftraum für Flugzeuge aus Russland und Belarus. Dies geschieht auf Basis eines NOTAMNotice to Air Mission (Notice to Air Missions) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDVBundesministerium für Digitales und Verkehr) im Rahmen des westlichen Sanktionsregimes.

Eine Soldatin schaut auf einen Monitor, der alle Flugbewegungen im deutschen Luftraum darstellt.

Die Überwachung des Luftraumes ist eine hoch konzentrierte Aufgabe

Bundeswehr/Benjamin Albert

Nach der Invasion Russlands in die Ukraine haben die NATO-Mitgliedsstaaten gemeinsam mit der Europäischen Union und weiteren Partnern umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen Russland und einzelne Personen verhängt. Diese Sanktionen betreffen neben dem Finanzsektor auch den Energie-, Industrie- und den Transportsektor – und damit auch den Bereich der Luftfahrt.

Deutschland sperrt Luftraum für russische Flugzeuge

Deutschland schließt im Rahmen dieser Sanktionsmaßnahmen den Luftraum für russische und weißrussische Luftfahrzeuge. Dies geschieht auf Basis eines NOTAMNotice to Air Mission (deutsch: Nachricht für Luftfahrzeugmissionen) des BMDVBundesministerium für Digitales und Verkehr. Die Regelung gilt zunächst für drei Monate und betrifft auch russische Privatflugzeuge. Inzwischen haben so gut wie alle westlichen Staaten russischen Luftfahrtzeugen die Überflugrechte entzogen und ein Flugverbot verhängt.

Auf schwarzem Hintergrund sind die Grenzen Deutschlands zu sehen. Es werden alle Luftfahrzeuge im Bereich Berlin angezeigt.

Luftfahrzeuge werden anhand von Radardaten identifiziert

Bundeswehr/Benjamin Albert

Was bedeutet dieses NOTAMNotice to Air Mission konkret?

B0146/22 NOTAMN
Q) EDXX/QAFXX/IV/NBO/E /000/999/5123N01019E262
A) EDGG EDWW EDMM B) 2202271400 C) 2205272359
E) UKRAINIAN CRISIS
ALL AIRCRAFT OWNED, CHARTERED OR OPERATED BY CITIZENS OF THE RUSSIAN
FEDERATION, OPERATORS HOLDING AIR OPERATOR CERTIFICATE (AOC) ISSUED
BY THE RUSSIAN FEDERATION AUTHORITIES ARE PROHIBITED TO ENTER, EXIT
OR OVERFLY GERMAN AIRSPACE EXCEPT HUMANITARIAN FLIGHTS AND SARSearch and Rescue
FLIGHTS WITH THE PERMISSION OF THE GERMAN MINISTRY FOR DIGITAL AND
TRANSPORT AND IN CASE OF EMERGENCY LANDING OR EMERGENCY OVERFLIGHT.

Das NOTAMNotice to Air Mission stellt klar, dass im Gültigkeitszeitraum (B und C) sämtlichen Luftfahrzeugen, die von Bürgern der russischen Föderation besessen oder betrieben werden, das Ein-, Aus-, und Überfliegen des deutschen Luftraums verboten ist. Ausnahmen gelten für Flüge mit einer Sondergenehmigung (z.B. Humanitäre Flüge, Flüge im Rahmen des Such- und Rettungsdienstes sowie Flüge, die eine Luftnotlage erklärt haben).

Was sind NOTAMs?

NOTAMs sind Anordnungen und Informationen der Deutschen Flugsicherung (DFS GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung) im Auftrag des BMDVBundesministerium für Digitales und Verkehr über temporäre oder auch permanente Änderungen zum Luftfahrthandbuch (AIP - Aeronautical Information Publication), die von Bedeutung für den Flugverkehr sind.

Dies können Nachrichten über Errichtung, Zustand oder Änderungen jeglicher Luftfahrtanlagen sowie zu Diensten, Verfahren oder Gefahren sein, deren rechtzeitige Kenntnis für das betroffene Luftfahrtpersonal wesentlich ist. Hierzu zählen unter anderem auch zeitweilige Flugbeschränkungsgebiete, z.B. für eine militärische Übung, zum Papstbesuch oder zum Schutz eines internationalen Gipfeltreffens. Der verantwortliche Luftfahrzeugführer hat im Verlauf seiner Flugvorbereitung die Pflicht, sich mit allen NOTAMs vertraut zu machen, die entlang seiner beabsichtigten Flugroute liegen.

Wie wird die Einhaltung dieses NOTAMs im täglichen Dienst überwacht?

Für die Einhaltung einer Regulierung sorgt Eurocontrol mit Hauptsitz in Brüssel. Die europäische Flugsicherung überwacht den gesamten oberen Luftraum in der EUEuropäische Union. Dabei überprüft sie die Registrierung jedes einzelnen Flugzeuges, das in europäischen Luftraum einfliegt. Die Entscheidung über den Weiterflug oder Sanktionen liegt jedoch bei den nationalen europäischen Behörden, für Deutschland beim Luftfahrt-Bundesamt. Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in Braunschweig ist die Bundesoberbehörde für die Aufgaben der zivilen Luftfahrt in Deutschland.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) wurde mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zur Flugsicherung beliehen. Die Flugsicherung ist eine sonderpolizeiliche Aufgabe. Unter anderem ist es Aufgaben der Flugsicherung, die Flugverkehrskontrolle des Luftverkehrs in Deutschland durchzuführen. Die DFS hat dabei keine physischen Mittel zur Verfügung, um das Einfliegen in den deutschen Luftraum zu verhindern, wenn sich Luftfahrzeuge nicht an das Einflugverbot halten.

Im Rahmen eines Amtshilfeersuchens an das Bundesministerium der Verteidigung kann über das Nationale Lage-/Führungszentrum „Sicherheit im Luftraum“ (NLFZ SiLuRaNationales Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum) in Uedem  auf die Alarmrotte, bestehend aus zwei Eurofightern, zurückgegriffen werden. Das NLFZ SiLuRaNationales Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum (im ASOCAir and Space Operations Centre der Luftwaffe) in Uedem ist genau für diese Situationen aufgestellt. Hier arbeiten Angehörige aus dem Innenministerium (Bundespolizei und BBKBundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe), dem BMDVBundesministerium für Digitales und Verkehr (DFS) und des BMVgBundesministerium der Verteidigung (Luftwaffe) zusammen, um die Gefahr von Bedrohungen aus der Luft abzuwehren. Hier liegt auch die nationale Verantwortung für den Einsatz der Alarmrotten. Die Alarmrotte wird vom Jägerleitoffizier im Control and Reporting Centre (CRC) geführt. Im Bedarfsfall kann dadurch ein Abfangen solcher Luftfahrzeuge ermöglicht und diese am Weiterflug gehindert werden.

Dabei handelt es sich um ressortübergreifend vereinbartes und fest etabliertes Verfahren, das innerhalb kürzester Zeit zur Abwehr eines echten oder vermeintlichen Verstoßes zur Anwendung gebracht werden kann. Stellt die DFS einen Verstoß gegen das NOTAMNotice to Air Mission fest und bittet um Unterstützung, kann die Luftwaffe auf Basis des eigenen Luftlagebilds unverzüglich handeln.

Eine Soldatin sitzt vor einem Monitor, der alle Flugbewegungen des deutschen Luftraums anzeigt.

Die taktische Führung der Alarmrotte übernimmt der Jägerleitoffizier im CRC

Bundeswehr/Benjamin Albert

Souveränität im deutschen Luftraum 24/7 überwacht

Für die Lagebeurteilung und die Sicherstellung der Unversehrtheit des deutschen Luftraums ist dessen lückenlose Überwachung wichtig. Dazu betreibt der Einsatzführungsdienst als Teil des Flugführungsdienstes der Luftwaffe rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zwei Einsatzführungszentralen, die CRC. Der Auftrag der Soldatinnen und Soldaten dort ist es, jedes Flugzeug über deutschem Hoheitsgebiet innerhalb kürzester Zeit nach Entdecken zu identifizieren und dieses dann auch weiter zu verfolgen. Zur Erfassung und Verfolgung von Objekten in der Luft werden militärische und zivile Radargeräte verwendet. Die erfassten Luftfahrzeuge werden vom Boden aus mittels Flugplanvergleich, anhand elektronischer Mittel und in Koordination mit der zivilen Flugsicherung identifiziert. Ist eine Identifizierung vom Boden aus nicht möglich, erfolgt eine Sichtidentifizierung durch Abfangjäger (Alarmrotte).

Ein Radargerät steht in Berlin.

Augen und Ohren sind die Radar- und Funkstellen in Deutschland

Bundeswehr/Benjamin Albert
Zwei Gebäude mit einer runden Kuppel in der sich ein Radar verbirgt stehen auf einer Bergspitze.

Eine der insgesamt 18 Radarstellungen der Luftwaffe liegt in der Gipfelregion „Großer Arber“ im Bayerischen Wald

Bundeswehr/Benjamin Albert

Auswirkungen auf den täglichen Dienst im CRC

In dieser besonderen Situation muss sich der Aufmerksamkeitsfokus in den Einsatzführungszentralen erweitern bzw. neu ausrichten. In jüngerer Vergangenheit gab es Einflugverbote bereits gegenüber einzelnen Ländern oder einzelnen Fluggesellschaften. Die aktuelle Änderung stellt jedoch eine neue Dimension dar. Mit Inkrafttreten der aktuellen Regelungen konnten diese zeitlich verzugslos umgesetzt werden und gehören mittlerweile zum Standardverfahren. Aufgrund einer soliden Ausbildung und hochmotivierten Personals war die institutionelle Lern- und Anpassungsfähigkeit schnell gegeben.

In einem großen Raum sitzen mehrere Soldaten vor ihren Arbeitsplätzen mit mehreren Monitoren und beobachten den Luftraum.

Die Einsatzführungszentrale, das CRC, ist das Herzstück bei der Führung aller Arten von Luftoperationen

Bundeswehr/Benjamin Albert

Auch hinsichtlich von Abschreckungsüberlegungen hinterlässt diese Erfahrung und der eigene Umgang mit der geänderten Lage ein begründetes Gefühl der Zuversicht. Der deutsche Luftraum bleibt durch das internationale und nationale Zusammenspiel aller Beteiligten sicher.

von Markus Montag

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