Deutsche Senkrechtstarter – Technik, die heute im Museum steht
Deutsche Senkrechtstarter – Technik, die heute im Museum steht
- Datum:
- Ort:
- Berlin
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Die F-35 wird als das modernste Kampfflugzeug der Welt gehandelt. Mit ihrer Tarnkappenfähigkeit und als Mehrzweckkampfjet für die Multirolle konzipiert, kann sie feindliche Flugzeuge bekämpfen, Aufklärungsmissionen fliegen und die Landstreitkräfte mit taktischen Einsätzen unterstützen. Die Senkrechtstartversion benötigt die Luftwaffe dafür nicht.
Laut Experten soll ein F-35-Kampfjet 15 konventionelle Jets ersetzen können. Der Flieger wird in drei Varianten hergestellt: Als konventionell startendes und landendes Flugzeug, in einer Modifikation, um auf Flugzeugträgern zu landen, und schließlich als Kurzstartflugzeug mit Senkrechtlandekapazität (STOVL). Letzteres hätte auch den Vorteil, dass die F-35-Jets nicht nur von einem Flugplatz, sondern von vielen Orten aus ihrem Einsatze ausführen könnten.
Man muss nicht weit zurück in die Geschichte des Luftkriegs blicken, um die Vorteile der Senkrechtlande- und Startfähigkeit zu erkennen. Im Sechstagekrieg, er dauerte vom 5. bis zum 10. Juni 1967, zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien, gewannen die Israelis mit einem Überraschungsangriff auf die ihnen bekannten ägyptischen Flugplätze die vollständige Luftüberlegenheit. Denn die Krux der meisten modernen Kampfjets ist: Sie sind auf eine ihren Ansprüchen genügende Start- und Landebahn angewiesen. Das bindet sie an für den Gegner sichtbare Flugplätze und macht sie gegen feindlichen Beschuss empfindlich. Mussten die Israelis sich noch mit Überraschung und taktischer Raffinesse den Flugplätzen nähern, erledigen das heute modernste Hyperschallraketen oder Drohnen. Gegen diese modernen Bedrohungen helfen wiederum eine den gesamten Luftraum abdeckende Radaraufklärung, schnelle Reaktionszeiten der Flugabwehrkräfte, gehärtete Flugzeuggaragen, sogenannte Shelter, oder aber Flugzeuge, die nicht zwingend an eine Luftwaffenbasis gebunden sind. Einige Länder wie die USA bauen auch heute noch auf diese Fähigkeit. In Europa hatte man schon vor 60 Jahren mit eigenen Entwicklungen begonnen.
Starfighternachfolger?
Von den 50er bis in die 70er Jahren arbeiteten die deutschen Luftfahrtfirmen mit Ehrgeiz und neuen Ideen an der Entwicklung von Senkrechtstartern. Drei Prototypen für drei unterschiedliche Einsatzzwecke entstanden. Die VJ-101 C startete am 10. April 1963 im Flugerprobungszentrum Manching als erstes Modell dieser Projektreihe mit ihrem Prototyp X-1 zu ihrem Jungfernflug. Das Jagdflugzeug sollte Nachfolger des Lockheed F 104 G „Starfighter“ werden und war ein Gemeinschaftsunternehmen des Entwicklungsrings Süd, zu dem sich der Ernst-Heinkel-Flugzeugbau, die Messerschmitt AGAktiengesellschaft und die Bölkow GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung zusammengeschlossen hatten. Es entstand eine Reihe unterschiedlicher Entwürfe, zwei Experimentalflugzeuge wurden gefertigt. Doch eine Serienfertigung kam wegen den sich zwischenzeitlich geänderten militärischen Anforderungen nicht in Frage.
Ambitioniertes Projekt Kampfzonentransport
Das zweite Projekt, der sogenannte Kampfzonentransporter, war seiner Zeit weit voraus. Die Dornier Do 31 E sollte in der Lage sein, 36 Soldaten oder entsprechendes Material in einem frontnahen Gebiet zu befördern. 1962 wurde die Entwicklung der Maschine beim Flugzeugbauer Dornier aus Oberpfaffenhofen angestoßen und mündete in ebenfalls zwei Prototypen, die 1967 zu ihrem Erstflug abhoben. Der Transporter verfügte über acht bewegliche Hubtriebwerke an den Flügelenden sowie zwei Marschtriebwerke.
Als größtes Problem der Konstruktion so hieß es auch in Fachkreisen, erwiesen sich die heißen Gase der Triebwerke, die den Beton des Startplatzes buchstäblich zum Kochen brachten. Die Nachteile dieser als Rezirkulation bezeichneten Hitzewirbel als auch der hohe Treibstoffverbrauch überwogen die Vorteile des soliden Flugzeugs. Außerdem verlangte der Typ als Senkrechtstarter von beiden Piloten volle Konzentration – an eine heute übliche Unterstützung durch Bordcomputer war damals noch nicht zu denken.
Senkrecht in den Erdkampf
Die dritte Entwicklung war die VAK 109 B der Fokker-Werke in Bremen. Das Erdkampfflugzeug sollte die Fiat G.91 ersetzen. Anfänglich als multilaterales Projekt zwischen Deutschland, Großbritannien und Italien geplant, blieb beim ersten Start 1971 nur noch die Bundesrepublik übrig. Das knapp Schallgeschwindigkeit erreichende Flugzeug ist mit dem Hawker Siddeley Harrier vergleichbar, eine britische Eigenentwicklung, die dort in Serie ging. Wie der Harrier konnte die VAK 109 B in niedrigen Höhen „hoovern“, also auf der Stelle stehen, und ihre Beweglichkeit in bemerkenswerten Flugmanöver unter Beweis stellen.
Veränderte Strategie und Startplatz Autobahn
Keines der drei Projekte ging jedoch in Serie. Die Strategie der NATONorth Atlantic Treaty Organization passte sich in dem Entwicklungszeitraum der Senkrechtstarter den veränderten Bedingungen auf dem „Schlachtfeld Europa“ an und da spielte eine Flugzeugflotte mit Start- und Landefähigkeiten auf der Stelle keine Rolle mehr. Anfang der 70er ging mit dem Bau zahlreicher neuer Flugplätze in ganz Europa ging die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Führung davon aus, dass nach einem Angriff des Warschauer Pakts für die Luftwaffe weiterhin ausreichend Infrastruktur zur Verfügung stehen würde, um den Gegenschlag von den immer besser ausgebauten Fliegerhorsten durchführen zu können. Außerdem sollten Autobahnteilstücke als Ausweich-Start - und Landebahnen fungieren. Zudem boten die herkömmlichen Kampfflugzeuge viele Vorteile, sodass Senkrechtstarter mit ihren eingeschränkten Reichweiten, Geschwindigkeiten und Tragfähigkeiten und der Schwierigkeit, diese Technik zu beherrschen, im Wettbewerb mit den fortschrittlichen Jets nicht bestehen konnten. Sie blieben eine Randerscheinung.
Einzig die Sowjetunion mit der Jakowlew Jak-38 und die Briten mit dem Hawker Harrier führten Flugzeuge mit VTOL, das steht für „Vertical Take-Off and Landing“, ein. Der Harrier bewies im Falklandkrieg 1982 seine Durchschlagskraft und zeigte hier, dass er sich gegen leistungsstärker eingestufte argentinische Kampfflugzeuge bestens behaupten und durchsetzen konnte.
Erfahrungen flossen in den Eurofighter
Die deutschen Prototypen wanderten ins Museum. Dennoch gelten die drei Entwicklungen heute als sinnvolle Investitionen, wirkten sie doch für die deutsche Luftfahrtindustrie als technologische Beschleuniger, die zahlreiche Entwicklungen vorantrieben. Die fly-by-wire-Steuerung der VAK 109 B stand beim Airbus oder beim Eurofighter Pate. Übrigens: 1964 erreichte der Prototyp VJ-101 C eine Geschwindigkeit von 1254 Kilometern und somit Mach 1,05. Bis zum Start des amerikanischen Tarnkappen-Jägers Lockheed Martin F-35 B hielt die VJ-101 C damit den Geschwindigkeitsweltrekord für Senkrechtstarter.