Luftwaffe

Beistand aus dem Weltraum für die Offiziersanwärter in Fürsty

Beistand aus dem Weltraum für die Offiziersanwärter in Fürsty

Datum:
Ort:
Fürstenfeldbruck
Lesedauer:
5 MIN

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Am 27. April 2021 wurde Brigadegeneral Thomas Reiter in den Ruhestand verabschiedet. Während seiner aktiven Dienstzeit wurde er als Pilot für Alpha Jet und Tornado ausgebildet. Er bewarb sich auf ein Astronautenprogramm der ESAEuropean Space Agency, war der erste Luftwaffensoldat auf der Raumstation MIR und der erste Deutsche, der einen Weltraumspaziergang machte – ein Vorbild für alle Offiziersanwärter. Deshalb wurde er 2017 für den 114. Offiziersanwärterlehrgang als Mentor gewählt. Hier der Artikel zu diesem Ereignis von Autor Andreas Grebl:

Man muss kein Überflieger sein, um so eine Laufbahn zu machen.“

Jeder Offiziersanwärterlehrgang in Fürstenfeldbruck bekommt seit über 20 Jahren einen Mentor. Personen mit deren besonderer Lebensleistung sich die jungen Luftwaffensoldaten identifizieren können. Für den 114. Offiziersanwärterlehrgang wurde der ehemalige Astronaut Thomas Reiter als Mentor ausgewählt.

Soldat steht vor einem Hörsaal gefüllt mit Soldaten

Etwas Besonderes: ein Astronaut aus den eigenen Reihen

Bundeswehr/Eduard Wagner
Soldat spricht vor vollem Saal

Der Ludger Hölker Saal ist „ausverkauft“

Bundeswehr/Eduard Wagner

Brigadegeneral und ehemaliger Astronaut Thomas Reiter wird die jungen Frauen und Männer auf ihrem Weg durch den Offizierlehrgang begleiten. Er steht ihnen als Vorbild und Ratgeber zur Seite. Als der Kommandeur der OSLw, Brigadegeneral Michael Traut, mit Reiter den Lehrsaal betrat, wurde allen klar, dass es ein einmaliges Erlebnis wird. 

Fast ein Jahr im All

Stille herrschte als General Reiter das Podium betrat. Immerhin würde hier gleich ein Mensch sprechen, der schon von einer Raumstation aus auf die Erde hinunter blickte. Insgesamt 350 Tage verbrachte der  gebürtige Hesse im All. Vor 38 Jahren saß Reiter ebenfalls als junger Offiziersanwärter im Ludger-Hölker-Saal, ebenso wie die Soldaten heute, und absolvierte seinen Offizierslehrgang. „Ich freue mich riesig, heute bei Ihnen und hier an der OSLw zu sein“, begrüßte er die Soldaten.

Völlig losgelöst, aber nicht abgehoben

Er sprach über seine Eindrücke und Erfahrungen, die er über die letzten Jahrzehnte gesammelt hatte. Unter anderem gab er sogar zu, bis zur zehnten Klasse nicht gerade ein guter Schüler gewesen zu sein: „Bis zum Abschluss der zehnten Klasse gab es durchaus Luft nach oben, und ich denke, man muss kein Überflieger sein, um so eine Laufbahn zu machen.“ Er stellte damit klar heraus, dass es im Leben vieles zu erreichen gibt.

Thomas Reiter im Cockpit Tornado 1

Thomas Reiter war unter anderem Tornadopilot und Kommandeur Fliegende Gruppe im Jagdbombergeschwader 38 „Friesland“

Bundeswehr/Archiv

„Von klein auf bin ich in der Fliegerei groß geworden“, sagte der ausgebildete Testpilot. Beide Eltern waren begeisterte Segelflieger, was bei Reiter frühzeitig das Interesse am Fliegen weckte. „Ich war nicht der Lehrgangsbeste im Offizierlehrgang, habe auch das Studium nicht mit den besten Noten abgeschlossen“, meinte er bescheiden.

Vom Testpiloten zum europäischen Raumfahrer

Nach der Offiziersausbildung studierte er Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bunderswehr in Neubiberg. Darauf folgten mehrere Verwendungen als Alpha Jet- und Tornadopilot und die Ausbildung zum Testpiloten. Spannend wurde es, als er erzählte, wie er zum Astronauten ausgewählt wurde. Nach einem Routineflug im Herbst 1986 bestellte ihn sein damaliger Kommandeur zu sich: „Er stellte mir die Frage: Reiter, wollen sie an einem Astronautenauswahlverfahren teilnehmen?“ Aber auch hier startete er nicht gleich als Astronaut durch. Er durchlief ein nationales Auswahlverfahren für eine Wissenschaftsmission an Bord eines amerikanischen Space Shuttles.

Auf Umwegen zum Ziel

Natürlich war die Enttäuschung groß, als er nicht für dieses Programm ausgewählt wurde. Brigadegeneral Reiter bewarb sich später mit 22.000 weiteren europäischen Bewerbern für eine zweite Astronautengruppe der europäischen Weltraumorganisation (ESAEuropean Space Agency). Noch einmal musste er das gesamte Auswahlprogramm durchlaufen.
Von insgesamt 60 potentiellen Astronauten wurden schließlich nur sechs als neue Mitglieder des europäischen Astronautenkorps der Öffentlichkeit vorgestellt. „Ich denke, das zeigt ihnen, dass Laufbahnen nicht immer gerade und direkt sind, sondern dass man auch auf Umwegen zum Ziel kommt.“

Dienst im Orbit

Vier Raumfahrer wurden 1993 von der ESAEuropean Space Agency ausgewählt, um sich in Kooperation mit Russland auf geplante Raumflüge zur Raumstation MIR vorzubereiten. Die Ausbildung verbrachte General Reiter überwiegend in Moskau, wo er auch Russisch lernte. Im September 1995 ging es dann in der russischen Raumfähre Sojus TMTravel Management-22 ins Weltall. Mit kurzen Filmen und Fotos zeigte er seine Schlafstätte, nur ein Schlafsack auf einer Art Liegestuhl zwischen wissenschaftlichen Geräten und Versuchsaufbauten. Ein Kosmonautenalltag bestehe aus forschen und schlafen. Zwischendurch würde auch mal gegessen. Der Dienstplan sei sehr straff organisiert.

03935
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Auf der MIR führte er insgesamt 41 wissenschaftliche Experimente durch, absolvierte die ersten beiden Außenbordeinsätze eines deutschen Raumfahrers und kehrte nach 179 Tagen im All von seiner ersten Weltraumfahrt zurück. „Sobald bei den Außenbordeinsätzen etwas Zeit war, wanderte mein Blick zur Erde und ich bestaunte den blauen Planeten“, erzählte der ausgebildete Sojus-Kommandant.

Der Ruf der ESAEuropean Space Agency zur Internationalen Raumstation (ISS)

Weltraumrakete startet

Am 4. Juli 2006 startete Reiter mit der Discovery ins All

NASA/Sandy Joseph, Robert Murray

„Ein europäisches Forschungsmodul musste zur ISS. Da war ich einer der Kandidaten. Ich war der einzige europäische Astronaut mit Langzeiterfahrung“, meinte der zweifache Vater. Er startete mit der Raumfähre „Discovery“ zur ISS. Im Orbit benötigte das Shuttle zwei Tage, damit es mit der ISS andocken konnte. Ein Raunen ging durch den Hörsaal, als er seinen Flug durch die ISS zeigte. Schwerelos schwebte er durch die ganze Station, dabei erklärte er einige Module und deren Bedeutung und stellte im „Vorbeiflug“ seine Teamkollegen vor.

Immer wieder zeigte Reiter Bilder aus dem Weltraum. Von der Station und von der Erde. In 24 Stunden umkreiste die ISS 16 Mal die Erde, 16 Mal Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Allein das ist schon Ansporn genug, um in die Astronautenausbildung einzusteigen. Zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen Jeffrey Williams verließ er für sechs Stunden die ISS und führte notwendige Reparaturen und Wartungsarbeiten durch.

Eine schöne Aussicht

Auch bei diesem Außeneinsatz genoss er, sobald Zeit war, die Aussicht: „Wenn dann die Kontinente vorbeiziehen, muss man sich erst mal kneifen, ob das nicht ein Traum ist.“ Mit seinen jeweils zwei Halbjahresflügen ist General Reiter der weitaus erfahrenste europäische Astronaut. Er verbrachte insgesamt 350 Tage im All.
Nach seinen zwei Raumflügen wurde er von der Luftwaffe beurlaubt um im Vorstand des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum tätig sein zu können. Heute ist Reiter ESAEuropean Space Agency-Koordinator für internationale Argenturen und Berater des ESAEuropean Space Agency-Generaldirektors mit Dienstsitz in Darmstadt.

  • Griechenland aus der ISS

    Thomas Reiter fotografiert Griechenland von Bord der ISS.

    ESA/Archiv
  • Thomas Reiter am 3.August 2006 im All

    Reiter führte am 3. August 2006 Reperatur- und Wartungsmaßnahmen im All durch.

    NASA/Archiv
  • Thomas Reiter during spacewalk

    Auch bei der zweiten Langzeitmission führt Reiter Außenbordeinsätze durch

    NASA/Archiv

„Ein starker Baum braucht starke Wurzeln“

Das Interesse am General und seiner Karriere spiegelte sich in der anschließenden Diskussionsrunde wieder. Geduldig und sehr plakativ beantwortete er alle Fragen. Auf die Frage, wie seine Familie mit dem Astronautenberuf umgeht, antwortete er: „Ein starker Baum braucht starke Wurzeln, meine Familie hat mich immer unterstützt.“ Obergefreiter OAOffiziersanwärter Nils Heißenberg meinte: „Ein sehr interessanter Vortrag von einem General, den man sich wirklich als Vorbild nehmen kann. Mit seinem Werdegang zum Astronauten gibt er einem das Gefühl, dass man nicht alle Träume als unmöglich abschreiben sollte.“ 

von Presse- und Informationszentrum der Luftwaffe

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