Auskleidung nach 45 Jahren
Auskleidung nach 45 Jahren
- Datum:
- Ort:
- Husum
- Lesedauer:
- 3 MIN
Oberstabsfeldwebel Jürgen Sickmann war die letzten 25 Jahre als Pressefeldwebel eingesetzt, davor beim Waffensystem HAWK mit verschiedenen Aufgaben betraut.
Es begann mit der Grundausbildung als Wehrpflichtiger am 4. Januar 1976 in der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg. Die Grundausbildung war ein Pilotprojekt, um zu testen, ob es möglich ist, die Grundausbildung von drei Monaten auf sechs Wochen zu verkürzen. Entsprechend lang waren die Ausbildungstage und kurz die Nächte. Unvergessen auch die 36-Stunden-Übung bei 17 Grad Minus. In Erinnerung geblieben ist auch der Bau vom Schützenloch („Russenbirne“) mit dem Klappspaten bei durchgefrorenen Boden. Laut dem „Reibert“ für Soldaten gab dieser als Arbeitszeit für einen Soldaten zum Bau eines Schützenloches für einen stehenden Soldaten bei leichtem Boden 1,5 Stunden, bei mittlerem Boden 2,25 Stunden und bei festem Boden 3 Stunden an. Wir brauchten bis zu sechs Stunden für 50 Zentimeter.
Auch bei der Uniformierung und der Ausstattung der Persönlichen Ausrüstung waren die Veränderungen der Jahrzehnte gravierend. Vom Feldanzug Moleskin und der Badehose aus Baumwolle mit Stoffbadekappe, Halbschuhe mit Gamaschen bis zu den heutigen Kampfstiefeln in den Versionen „leicht“ und „schwer“ hat man einiges mitgemacht. Bekleidungsstücke und Ausrüstungsstücke aus den Anfangsjahren der Bundeswehr sind heute bereits gesuchte Sammlerstücke geworden.
Aufregende Zeit beim Waffensystem HAWK
Die Ausbildung als FlaRak-Soldat erfolgte dann ab Februar 1976 bei der 2. Batterie FlaRakBtl 38 in Heide/Schleswig-Holstein. Es folgten mehrere Lehrgänge an der Raketenschule der Luftwaffe in El Paso,Texas, USA. Als Ausbilder durfte ich dort zwischen 1984 und 1987 junge Soldaten ausbilden. Für meine Kinder bis heute eine unvergessene Zeit. Die mehrmalige Teilnahme beim Jahresschießen auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Schießplatz auf Kreta bleiben ebenfalls als Höhepunkte meiner Laufbahn in Erinnerung.
Vom Techniker zum Pressefeldwebel
Nach mehreren Umstrukturierungen der FlaRak-Verbände ergab sich 1996 die Möglichkeit den Dienstposten als Informationsmeister bei der Flugabwehrraketengruppe 26 in Husum zu besetzen. Am Anfang schien es mir so, als wenn es nicht nur für mich Neuland war. Um den Dienstposten mit Leben zu befüllen, mussten zum Teil dicke Bretter gebohrt werden. Nach dem Lehrgang an der Offizierschule in Fürstenfeldbruck zum Informationsmeister und dem Praktikum bei der Dithmarscher Landeszeitung folgten im Rahmen KFORKosovo Force die ersten Auslandseinsätze 1997 und 2000.
Dann ergab sich 2004 die Möglichkeit, in Holloman New Mexico beim Fliegerischen Ausbildungszentrum der Luftwaffe erneut eine Verwendung in den USA zu besetzten. Die Zeit dort als Informationsmeister war sehr prägend und hochinteressant. Nach der Rückkehr Ende 2007 fand ich eine neue Heimat beim Lufttransportgeschwader 63 in Hohn. Da hieß es dann von den Jets zu den Transportfliegern. Die Eingewöhnung in Deutschland wurde durch die Vorbereitung auf den ersten Einsatz in Afghanistan mehr als beschleunigt. 2008 und 2009 folgten dann zwei weitere Einsätze in dem Land, einmal beim Regional Command North und der andere im damaligen Einsatzgeschwader Masar-i Sharif. Aufgrund der schnellen Abfolge der Einsätze verbrachte ich in einem Zeitraum von knapp einem Jahr zehn Monate davon in Afghanistan.
Reservist aus Überzeugung
Als 2009 die Pensionierung und Versetzung in den Ruhestand folgte, war klar, dass kann es noch nicht gewesen sein. So gab mir das Lufttransportgeschwader 63 die Möglichkeit, als Reservedienstleistender weiter den Kontakt zur Truppe zu halten und sich mit dem Wissen einzubringen. Es folgten noch insgesamt elf Einsätze davon noch fünf in Afghanistan.
Stolz bin ich besonders auf mein vier „Jungs“, die alle mindestens einmal im Auslandseinsatz waren. Mit drei von ihnen war ich zur gleichen Zeit, wenn auch nicht am gleichen Ort, für die Bundeswehr im Auslandseinsatz. Bis heute ist das etwas Besonderes für mich.
Alles hat ein Ende
Nach 45 Jahren Dienst, rund 1.900 Wehrübungstagen und 15 Einsätzen ist es Zeit, zu gehen. Es war eine tolle Zeit und der Soldatenberuf war und ist heute umso mehr ein ganz besonderer Beruf. Auch die schlechteren Tage gehören dazu. Als ich am 4. Januar 1976 eingekleidet wurde, dachte ich nie im Traum daran, dass einer meiner Söhne mich 2021 auskleiden würde.
Auch als Soldat der Reserve war es mir eine Ehre, meinem Land zu dienen. Der Tod ist für mich kein Unbekannter. In einigen meinen Einsätzen wurde ich leider täglich damit konfrontiert. Die erfahrene Trauer in den Einsätzen ist ein Teil, den man nicht ablegen kann wie die Uniform. Die Zeit in Afghanistan prägte mich in einer besonderen Art.