Eiskalte Schulung in den USA: Damit alles bereit ist für die CH-47 der Luftwaffe
Eiskalte Schulung in den USA: Damit alles bereit ist für die CH-47 der Luftwaffe
- Datum:
- Ort:
- USA
- Lesedauer:
- 8 MIN
Im Herbst 2027 erhält die Bundeswehr den ersten ihrer neuen schweren Transporthubschrauber, die Chinook CH-47F Block II. Um die Nachfolger der CH-53 sofort nutzen zu können, lässt das Hubschraubergeschwader 64 bereits jetzt Piloten und Ladungsmeister für den neuen Drehflügler ausbilden. Wir begleiten Hauptfeldwebel und Ladungsmeister Marc K. in Pennsylvania.
Der blaue Himmel über Fort Indiantown Gap täuscht Wärme vor, die glitzernden Eiszapfen an den Dächern strafen ihn Lügen. In Pennsylvania, im Nordosten der USA, herrschen Ende Januar etwa minus ein Grad – ja, nur minus ein – aber Fahrenheit! In Celsius entspricht das etwa minus 18 Grad!
Ohrstöpsel gegen 112 Dezibel
Vom Auto aus hat die weißverschneite Landschaft noch einen Hauch von Winterromantik, für die Besatzung der USUnited States-amerikanischen CH-47F ist es ein eisiger Übungsflug, da Rampe und Bodenklappe immer wieder geöffnet werden. Die Tandemrotoren der Chinook sind laut, sehr laut – 112 Dezibel schaffen sie locker. Ich fühle mich trotz meiner Ohrstöpsel, die das Ganze auf unter 85 Dezibel dämpfen, wie zwischen zwei überdimensionierten Waschmaschinen im höchsten Schleudergang. Geübt wird heute unter anderem das Aufnehmen einer Außenlast, und zwar vom Inneren der Kabine aus.
Dazu öffnet der amerikanische Ladungsmeister die Klappe im Kabinenboden. Schnee stiebt in Wolken in den Hubschrauber. Dann dirigiert er über Sprechfunk die Piloten so, dass er mit einer langen, unten gebogenen Stange das Außenlastgeschirr vom Boden aufnehmen und in den mittleren Lasthaken der Maschine einhängen kann. Daran ist die Außenlast selbst befestigt, in diesem Fall ein Quader von etwa 3,9 Tonnen Gewicht.
Kopfunter nach der Außenlast angeln
Dieses Manöver klappt nicht immer sofort, dann braucht es einen zweiten, manchmal auch einen dritten Versuch. Und obwohl der Ladungsmeister mit einem Gurt vor dem Sturz aus der Chinook gesichert ist, sieht es doch ziemlich abenteuerlich aus, wenn er mit dem halben Oberkörper unten aus dem Hubschrauber hängt und nach dem Karabiner fischt.
Das kann nur funktionieren, wenn die Kommunikation zwischen Cockpit und Laderaum einwandfrei ist. Wie machen die das bloß bei dem Krach und dem Wind? Das erklärt mir Jeff Potter, der amerikanische Staffelfeldwebel. „Bei all den Hintergrundgeräuschen ist die Kommunikation anfangs einfach nur Chaos im Kopf. Trotz Headset und der speziellen Communication Ear Plugs, die wir tragen, lernt man erst mit der Zeit, die wichtigen Informationen aus dem Stimmenwirrwarr herauszufiltern. Ein Anfänger kann am ersten Tag noch nicht einmal begreifen, was er da alles hört.“
Stabil in der Luft und deutlich mehr Auftrieb
Hauptfeldwebel Marc K. ist kein Anfänger. Der gelernte KfzKraftfahrzeug-Mechatroniker ist seit 2015 bei der Bundeswehr, hat beim Hubschraubergeschwader (HSGHubschraubergeschwader) 64 seine Ausbildung zum Bordtechniker gemacht und schon 1.000 Stunden auf der CH-53 in Laupheim gesammelt. Aber das hier ist sein erster Flug mit einer CH-47. „Vor dem Flug war ich schon ein bisschen nervös“, sagt der 35-Jährige später, „aber es war super und hat Spaß gemacht. Außerdem finde ich es recht charmant, dass wir Ladungsmeister bei der CH-47 die Außenlast dann auch selbst einhängen können.“ Bei der CH-53 macht das Personal am Boden.
Während des Flugs sei ihm deutlich aufgefallen, dass die CH-47 viel stabiler in der Luft liege als die CH-53. Auch sieht er einen klaren Vorteil der zwei Hauptrotoren: „Dadurch kann die ganze Energie der Triebwerke für den Lastentransport genutzt werden.“ Und darum geht es schließlich bei einem Transporthubschrauber. Der „Neue“ bei der Luftwaffe kann mehr als zehn Tonnen Gewicht transportieren, fast das Doppelte der jetzigen CH-53.
Da das Sikorsky-Modell bis 2030 sukzessive ausgemustert werden soll, müssen deren Piloten und Ladungsmeister auf dem Nachfolger geschult werden. Während die Piloten nach Alabama gehen, ist für die Ladungsmeister das Trainingscenter der Army National Guard (EAATS) in Pennsylvania das Ziel. Marc K. ist nach Oberstabsfeldwebel „Mahony“ der zweite Ladungsmeister, der hier die Lehrgänge zum „Helicopter Repairer“ und danach zum „Flight Engineer“ durchläuft. Ab 2026 sollen jährlich viele weitere Ladungsmeister hierherkommen. Jeder Lehrgang dauert sieben bis acht Wochen.
Oberstabsfeldwebel Mahony hat die Ausbildung bereits abgeschlossen und dabei bewertet, ob sie für die Luftwaffen-Angehörigen geeignet ist. Er gehört beim HSGHubschraubergeschwader 64 zur TTVGTaktisch-Technische Versuchsgruppe, der Gruppe, die für Taktiken, Technik und Verfahren zuständig ist. „Das heißt, wir sind mitverantwortlich dafür, die Regeln, Bestimmungen und Abläufe bei der Einführung der CH-47 in die Bundeswehr zu entwickeln“, erklärt der 48-Jährige.
Englisch ist das A und O
Die beiden deutschen Soldaten finden die Ausbildung beim EAATS sehr gut und die Einrichtung gefällt ihnen. „Man muss natürlich offen sein für etwas Neues und mit dem nötigen Respekt und Engagement an die Sache herangehen“, sagt Mahony. „Aber das ist alles machbar. Die einzige Hürde ist die Sprache.“ „Ja“, bestätigt Marc K. „Englisch ist das A und O. Aber dafür gibt es vorher noch einen Sprachkurs und einen für technisches Englisch. Dann hat man hier kein Problem und kann sich wirklich auf die Lehrgänge freuen.“ Die Leute seien alle sehr freundlich und hilfsbereit und der Unterricht in den kleinen Gruppen sei wirklich gut und gehe in die Tiefe.
Beziehungen stärken die Streitkräfte
Für das EAATS sind die deutschen Ladungsmeister ebenfalls eine Bereicherung. Colonel Randy Lutz, der Kommandeur der EAATS-Brigade, sagt: „Wenn Deutsche, USUnited States-Soldaten und andere Koalitionspartner zusammenarbeiten, ist das eine großartige Gelegenheit, Beziehungen untereinander aufzubauen. Das stärkt unsere Streitkräfte. Und jetzt, wo die Deutschen die CH-47 einsetzen werden, haben wir ähnliche Plattformen. Wir gleichen also unsere Aufgaben und Fähigkeiten viel stärker an als früher.“ Von den beiden Ladungsmeistern aus Deutschland, die er bisher kennengelernt hat, ist er sehr angetan. „Sie sind professionell und engagiert, es war und ist ein Vergnügen, sie auszubilden.“
Etwa eineinhalb Stunden nach dem Start des Übungsflugs landen wir wieder auf dem Heliport von Fort Indiantown Gap, treiben noch einmal Schneewolken über den Boden, die Piloten schalten die Triebwerke ab, Lärm und Vibration enden.
Drei Haken, mehr Tragkraft, größerer Tank
Was halten Hauptfeldwebel Marc K. und Oberstabsfeldwebel Mahony denn nun von der CH-47F? „Sie kann mehr heben und hat mehr Benzin im Tank, das heißt, wir haben eine größere Reichweite“, zählt Marc K. auf. „Ein weiterer großer Vorteil sind die drei Lasthaken der Maschine“, ergänzt Mahony. „So kann man drei Außenlasten nacheinander zu verschiedenen Plätzen bringen, ohne zwischendurch immer wieder zurückfliegen zu müssen.“ Auch beim Feuerlöschbehälter, dem „Smokey“, der mit der CH-53 bei Waldbränden eingesetzt wird, gibt es eine Änderung. War die Wassermenge bisher auf 5.000 Liter begrenzt, können mit der CH-47 und dem faltbaren Löschwasser-Behälter „Bambi Bucket“ rund 7.600 Liter auf einmal aufgenommen werden.
Die zahlreichen Aufgaben der Ladungsmeister werden in Zukunft eher noch mehr. Sie sind und bleiben zuständig für das Verladen und Verzurren von Innenlasten, das Einsprechen von Außenlasten und Helikopter, für das Bedienen der Winde, für die Unterstützung beim Abseilen von Soldaten und demnächst auch für das Bedienen einer der Bordwaffen. Wenn dann für die deutsche CH-47 auch die Luft-zu-Luft-Betankung eingeführt wird, bekommen die Ladungsmeister eine weitere Aufgabe: Sie werden das Betankungspanel vom Laderaum aus überwachen.
Kein Mittelsitz bei den Piloten
Ein Unterschied zur CH-53 ist, dass in der Chinook beide Ladungsmeister ihren Platz im Laderaum haben. Bislang sitzt der erfahrenste Bordtechnische Feldwebel auf dem Mittelsitz bei den Piloten. Die Arbeit, von der technischen Übersicht bis zur Aufsicht, bleibt gleich, denn das sogenannte Maintenance Panel mit allen Überwachungsanzeigen ist ebenfalls im Laderaum. Auch die Vorfluginspektion gehört zu ihren Aufgaben, bei der Verkleidungen und Abdeckungen geöffnet, Triebwerke, Rotorblätter und Füllstände kontrolliert werden.
Zwar sitzen Piloten und Ladungsmeister in der CH-47 nicht ganz so nah beieinander, die enge Zusammenarbeit bleibt aber sehr wichtig. Deshalb findet beim EAATS die Flugausbildung für die Ladungsmeister, die hier non-rated crew member, kurz NRCM genannt werden, zusammen mit der der Piloten statt. „Das hat mehrere Vorteile“, erklärt Staffelfeldwebel Jeff Potter. „Die Flugzeit wird besser genutzt, aber vor allem ermöglicht das unseren Flugbesatzungen, miteinander zu interagieren und gemeinsam zu lernen.“ Ein Ausbilder ist hinten mit zwei teilnehmenden Ladungsmeistern und ein anderer Ausbilder vorne mit dem Pilotenschüler. Jede Korrektur der Fluglehrer wird von allen mitgehört. „Das hilft den Schülern, die Manöver des Piloten vorne und die Aktionen hinten gegenseitig besser zu verstehen und zu koordinieren.“
Wenn die Ladungsmeister aus den USA zurück sind und ab Herbst 2027 die ersten CH-47 nach Deutschland kommen, machen alle noch einmal eine sogenannte Delta-Ausbildung. Denn die Bundeswehr hat Maschinen vom neuen Typ CH-47F Block II bestellt, mit einigen Unterschieden zur aktuell in den USA genutzten Block-I-Variante. Bei diesen Schulungen ist es dann hoffentlich etwas wärmer als minus 18 Grad Celsius.