Nicht nur „Grünausbildung“: Offizieranwärter in „Fursty“ drücken auch die Schulbank
Nicht nur „Grünausbildung“: Offizieranwärter in „Fursty“ drücken auch die Schulbank
- Datum:
- Ort:
- Fürstenfeldbruck
- Lesedauer:
- 3 MIN
Gewässerüberquerung, Gefechtsausbildung und Geländeläufe: Ein großer Teil der Offizierausbildung spielt sich im Freien ab – doch müssen die Anwärter und Anwärterinnen um Elena K. auch (nochmals) die Schulbank drücken. Ein Einblick, was hinter den Türen der Unterrichtsräume der altehrwürdigen Offizierschule der Luftwaffe passiert.
Jeder Tag beginnt beim Antreten um 7:15 Uhr mit „PolBil“, Politischer Bildung. Jeweils ein Offizieranwärter oder eine -anwärterin berichtet kurz über ein aktuelles (außen-)politisches Thema und ordnet dieses ein. PolBil ist gleichzeitig auch eines der wichtigsten Fächer an der Offizierschule. Logischerweise sind Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Lage im Nahen Osten häufig Themen bei uns.
Wehrrecht: zwischen Paragrafen und Gesetzestexte
Wer den dicken, 1.015-seitigen Wälzer „Disziplinarrecht, Strafrecht, Beschwerderecht der Bundeswehr“ unter dem Arm trägt, der ist in der Regel auf dem Weg zum Rechtsunterricht. Endlose PowerPoint-Folien und unzählige Gesetzestexte sind hier gang und gäbe. Unser Wissen in humanitärem Völkerrecht, allgemeinem Strafrecht bis hin zu soldatischen Pflichten wird in zwei Prüfungen abgefragt.
Ziemlich konkret wird es, wenn es um unmittelbar soldatische Fragen geht: Wann ist ein Befehl rechtmäßig und verbindlich? Wann darf man einen Befehl nicht ausführen? Und was passiert, wenn man einen Befehl verweigert oder wenn man beim Ausführen des Befehls eine Straftat begehen würde? Glücklicherweise stammen diese Extrembeispiele in den allermeisten Fällen aus dem Lehrbuch und kommen im Leben an der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck, liebevoll „Fursty“ genannt, eher selten vor.
Ein Eurofighter-Pilot als Lehrer
„Welche Waffensysteme kann ein Eurofighter, welche ein Tornado mitführen?“ Diese Frage stammt aus dem etwas anschaulicheren Fach „Luftwaffenlehre“. Naheliegend ist die Fachlehrkraft auf diesem Gebiet immer ein Soldat oder eine Soldatin – manchmal sogar ein Eurofighter-Pilot – während in anderen Disziplinen, zum Beispiel im Fach Wehrrecht, ziviles Lehrpersonal unterrichtet. Mit unserem Fachlehrer in Luftwaffenlehre haben wir uns nicht nur die verschiedenen Waffensysteme der Bundeswehr angeschaut, sondern auch den Fähigkeitsverbund der Luftwaffe näher beleuchtet. Das Themenspektrum reichte von den Hauptaufgaben des Transporthubschraubers CH-53 bis zu den verschiedenen Arten der Luftbetankung – also ziemlich umfassend und vielseitig.
Dieses Wissen ist wesentlicher Bestandteil der Ausbildung, damit die künftigen Führungskräfte der Luftwaffe bestens auf Herausforderungen der modernen Luftkriegsführung vorbereitet sind. Zur Veranschaulichung ging es auf eine Luftwaffenreise. An Dienststellen wie dem Taktischen Luftwaffengeschwader 73 in Laage bei Rostock, dem Ausbildungszentrum Flugabwehrraketen in Husum oder dem Hubschraubergeschwader 64 in Holzdorf sahen wir Eurofighter, das Waffensystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target und den Transporthubschrauber CH-53, die wir bis dahin nur aus Vorträgen in Fürstenfeldbruck kannten.
In praktischen Situationen das Führen lernen
Die wichtigste Aufgabe eines Offiziers oder einer Offizierin, die einem wahrscheinlich einfällt, ist das Führen von Untergebenen. Um dies zu lernen, gilt das bekannte Motto „Üben, üben, üben“. Dafür werden wir Offizieranwärterinnen und -anwärter regelmäßig in verschiedene Situationen „hineingeworfen“, um genau das später zu können. Wöchentlich durchwechselnd fungiert jemand aus dem Hörsaal als „Hörsaalleiter Üb“. Übungshalber – dafür steht „Üb“ – ist er oder sie beispielsweise dafür verantwortlich, dass alle pünktlich zu den Unterrichten kommen, den richtigen „Anzug“, also die richtige und korrekte Uniform tragen und gleich gepackte Rucksäcke dabei haben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Das ist manchmal schon echt stressig. Und so eine Verantwortung zu haben, ist anfangs auch sehr ungewohnt.
Zu dieser gehört es auch, Kritikgespräche mit dem unterstellten Personal zu führen. Das lernen wir im Fach „Argumentation, Interaktion, Reflexion“, kurz AIR. In Rollenspielen werden wir mit teilweise unangenehmen Gesprächssituationen konfrontiert. Ein Beispiel: Wie reagiere und handle ich, wenn ein Untergebener hohe Schulden hat oder gehäuft zu spät zum Dienst erscheint?
Auch im Fach „Führen, Organisieren, Planen“ (FOP) lernen wir, was es heißt, in Führungsverantwortung zu stehen. Als Projektoffizierin musste ich eine Ausbildung auf der Hindernisbahn planen und anschließend dazu einen Befehlsentwurf schreiben. Das hat mir vor allem gezeigt, wie wichtig es ist, im Team zusammenzuarbeiten und sich auf das Können der anderen verlassen zu können.
Grünausbildung und Unterricht wechseln sich ab
Die Kombination aus Ausbildung im Gelände und auf der Schulbank bestimmt den achtmonatigen Lehrgang an der Offizierschule der Luftwaffe. Gut zwei Drittel des Lehrgangs sind nun vorbei und die bisherigen Prüfungen habe ich bestanden. Jetzt folgen noch drei weitere spannende Monate: Es geht hoch in die Luft und ums Überleben.