ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr: Wenn plötzlich Gift in der Luft liegt

Wir brauchen euch!...Hart und deutlich klingen die Worte aus dem Funkgerät in den Ohren der Frauen und Männer auf dem Gefechtsstand des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrzuges der deutschen Marine. Sie nehmen derzeit an der teilstreitkräfteübergreifenden, multinationalen Übung Baltic Tiger 22 in Estland teil.

Auf der Übung trainieren die landgestützten Elemente der Marine, zu denen neben dem ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Zug auch Teile des Seebataillons gehören, gemeinsam mit dem Objektschutzregiment der Luftwaffe, den Schutz relevanter militärischer Infrastruktur, wie Flugplätze und Häfen. Als multinationaler Anteil gliedern sich estnische Kräfte der Marine ein.

Unterstützung wird angefordert

„We need you! – Wir brauchen euch!” Wieder spricht die Stimme. Sie gehört einem Kaptajn des dänischen Kontigents der NATO enhanced Forward Presence (eFPenhanced Forward Presence) Estonia, stationiert in Tapa, dem größten Militärstützpunkt Estlands.

Eine gemischte Kampfgruppe, bestehend aus vier Kampfpanzern Leopard 2A7, mehreren Radpanzern und selbstfahrender Artillerie sowie einer Aufklärungsschwadron des estnischen Heeres, dem Eesti Maavägi, übten in unbekanntem Gelände. Dieses stellte sich, wie von älteren Einheimischen bemerkt, als Lagerplatz einer ehemaligen Chemiefabrik heraus.

Unfall mit chemischen Kampfstoffen

Jetzt klagten mehrere Männer der Truppe über Kopfschmerzen und Atemnot, so der Däne am anderen Ende der Leitung. „Wir wollen kein Risiko eingehen. Ich kann so nicht zurück auf den Stützpunkt“, sagt er und der Führer des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr-Gefechtsstands Fregattenkapitän Jens E. stimmt ihm zu. Ein kurzer Vorbefehl an den Zugführer Timo L. und sofort stellt der Zug die Marschbereitschaft her. Ein Vorbefehl geht ebenfalls an die Frauen und Männer des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrzugs der Marine im Tallinner Hafen: „Bereithalten zum Ausrücken. Ziel Tapa. Wahrscheinlich Unfall mit chemischen Gefahrstoffen.“

Der Fregattenkapitän informiert den Kontingentführer, Oberstleutnant André Knappe. Der gibt aus dem Gefechtsstand in Ämari seine Zustimmung: „Dafür sind wir hier.“ Die Spezialtruppe der deutschen Marine rückt aus, an der Spitze die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Aufklärer. Die sollen noch vor dem Eintreffen der Hauptkräfte mögliche Gefährdungen feststellen und die gefährlichen Stoffe identifizieren. „So können wir genau die Mittel einsetzen”, sagt der stellvertretende Zugführer Stabsbootsmann Jörg M., „die das beste Vorgehen für die geschädigte Truppe ermöglichen“.

Spezialisten aus Nordholz

Der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrzug der Marine mit seinem Stationierungsort im niedersächsischen Nordholz ist für solche Situationen bestens ausgestattet und ausgebildet. Aufgestellt um sämtliche Kräfte der Marine vor den Auswirkungen der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Kampfmittel zu schützen, ist er in der Lage, auch andere Teilstreitkräfte in dieser Hinsicht zu unterstützen. Die Soldatinnen und Soldaten sind darin ausgebildet, atomare, biologische und chemische Kampfstoffe sowie industrielle Gefahrstoffe aufzuspüren – auch unter Einsatzbedingungen. Des Weiteren sind die Spezialisten in der Lage, die Dekontamination und Desinfektion von Personal, Material und Infrastruktur durchzuführen.

Ziel: Die Einsatzfähigkeit wieder herstellen

So kann der Zug zwei Dekon-Plätze, so die Kurzform der Dekontaminierungsplätze, für schwere Technik mit speziellen Wärmezelten betreiben. Innerhalb kurzer Zeit ist die Einsatzfähigkeit einer kompletten Panzerkompanie wiederhergestellt, einschließlich der Entgiftung des Personals. Die behandelten Kameraden können sich in Wärmezelten erholen – die besitzt nur die deutsche ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Truppe – und auf Folgeaufgaben vorbereiten.

Dass jetzt die dänischen Streitkräfte Fähigkeiten des deutschen Übungskontigentes bei Baltic Tiger anfordern, war nicht geplant, verweist aber auf zwei Faktoren: Zum einen wirkt die Übung wie ein Netz, an dem jeder Truppenteil, seien es Briten, Dänen oder die Esten selbst, anknüpfen kann. Zum anderen sind die Fähigkeiten der deutschen bodengebundenen Marine- und Luftstreitkräfte begehrt und helfen, den Schutz an der Ostflanke der NATO zu gewährleisten.

von Thomas Skiba