"Ich definiere Spaß ein bisschen anders"
"Ich definiere Spaß ein bisschen anders"
- Datum:
- Ort:
- Fürstenfeldbruck
- Lesedauer:
- 6 MIN
Sie hat Prince Charles und Ursula von der Leyen getroffen, hat das „Sword of Honour“ erhalten und den Titel „fitteste Soldatin der Bundeswehr“. Oberfähnrich Nicole Nordholz ist 24, Offiziersanwärterin bei der Luftwaffe, studiert an der Universität der Bundeswehr in München Staats- und Sozialwissenschaften, liebt Laufen, Reiten, Military Fitness. Wie ist sie zur Bundeswehr gekommen und was will sie erreichen?
Die Sache mit der Bundeswehr fing nach ihrem Abitur 2014 an. „Dass ich studieren würde, stand da schon fest, aber vorher wollte ich erst noch etwas ganz anderes machen“, sagt Nicole Nordholz. „In meinem Umfeld war Work & Travel zu der Zeit sehr beliebt. Ich fand es spannender, für sieben Monate freiwilligen Wehrdienst zur Bundeswehr zu gehen.“ Ihr Vater hielt das damals für keine gute Idee. „Er hat gesagt: ‚Das ist nichts für Dich, in zwei Wochen bist Du wieder zuhause.‘ Da habe ich natürlich erst recht durchgehalten“, erinnert sich die 24-Jährige.
Ein Spind voller Uniformen
Durchhaltevermögen konnte sie brauchen. Nicht nur bei der Allgemeinen Grundausbildung, denn „damals war ich noch nicht so fit wie heute“. Danach absolvierte sie die 40-tägige Ausbildung zur Protokollsoldatin bei der 5. Kompanie des Wachbataillons in Berlin. „Frauen beim Wachbataillon waren 2015 noch die Ausnahme“, sagt sie. Doch der Dienst gefiel ihr. „Es war immer interessant. Wir hatten viele Staatsgäste, waren in Dresden, in Polen, im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Hauptquartier.“ Zu der Zeit hatte Nicole Nordholz immer mindestens drei Uniformen im Spind. „Je eine fürs Heer, für die Luftwaffe und für die Marine. Je nachdem, was für den jeweiligen Anlass gebraucht wurde.“
Sie begann, sich für die Offizierslaufbahn zu interessieren und bestand das Auswahlverfahren in Köln. Trotzdem verlängerte sie ihren freiwilligen Wehrdienst mehrmals, um ihr Wunschfach Staats- und Sozialwissenschaften studieren zu können. „Dieses Studium hat sehr viele Facetten“, erklärt Nordholz. „Es reicht von Recht über Politik bis Geschichte und es bietet viele Wahlmöglichkeiten. Auch ein Auslandssemester ist in diesem Studienfach nicht unüblich – außer natürlich jetzt wegen Corona –, was es sehr attraktiv macht.“
Ein Schwert vom Prinzen
Im Oktober 2017 wurde Nicole Nordholz Offiziersanwärterin und begann im Dezember desselben Jahres zunächst mit der Ausbildung an der Offizierschule der Luftwaffe (OSLw) in Fürstenfeldbruck. „Da habe ich mich dann auch für das College der Royal Air Force in England beworben.“ Als Inspektionsbeste ihres Jahrgangs bekam sie die Zusage und schnitt auch in England als beste ausländische Teilnehmerin des Jahres ab, was ihr das „Sword of Honour“, überreicht von Prince Charles, einbrachte.
Ist sie so ehrgeizig? „Das hat damit nichts zu tun“, sagt Nicole Nordholz. „Klar bin ich gerne gut, aber mir macht das vor allem richtig viel Spaß.“ Zum Spaß gehören bei ihr Military Fitness und Sport überhaupt. „Das sind wichtige Bestandteile meines Dienstes. Ich bin der Meinung, dass ein guter Offizier – was ich hoffentlich mal werde – nur von vorne führen kann, wenn er auch körperlich dazu in der Lage ist.“
Ein Pony zum ersten Geburtstag
Sport war schon immer Teil ihres Lebens. Ihr erstes eigenes Pony bekam sie zum ersten Geburtstag. Pferde gehören zum Leben der Familie Nordholz. „Ich konnte fast eher reiten als laufen. Wir hatten immer Pferde zu Hause und haben bis vor einigen Jahren selbst gezüchtet.“ Sie selbst ist leidenschaftliche Springreiterin, hat aber jetzt nicht mehr so viel Zeit dafür. Deshalb ist Cognac, ihr zwölfjähriger Oldenburger Wallach, nun in der Obhut einer guten Freundin. „So kann sie Turniere reiten und ich weiß, dass mein Pferd in guten Händen ist.“
Als Kind hat die Offiziersanwärterin außerdem Leichtathletik gemacht und Tennis gespielt. „Aber erst bei der Bundeswehr habe ich meine Leidenschaft für die Berge, das Laufen und Military Fitness entdeckt“, erklärt sie. „Vielleicht definiere ich Spaß etwas anders als andere Menschen, aber in der Bundeswehr wird viel gelaufen und das meist mit Gepäck. Also habe ich mir das zum Hobby gemacht.“ Military Fitness verbindet Sportausbildung mit Gefechtsdienst. Trainiert werden Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Koordination. Dazu gehören schnelles Hinlegen und Aufstehen, Tragen von schweren Lasten und Sprintfähigkeit. Die Übungen werden im Feldanzug, oft auch mit Waffe und Marschgepäck ausgeführt.
Sport bedeutet für Nicole Nordholz nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistige Herausforderung. Zum Beispiel ist sie vor zwei Jahren 100 Kilometer in 19 Stunden gelaufen, ohne sich groß darauf vorzubereiten. Sie wollte es einfach wissen. „Da hat am Ende nicht die Fitness entschieden, sondern der Wille.“
Richtig schwimmen lernen
„Das kann ich nicht“ lässt Nicole Nordholz nur ungern für sich gelten. Zum Beispiel beim Schwimmen. „Das ist meine sportliche Schwäche“, gibt sie zu. Bisher schwimmt sie, wenn es sein muss. Sie ist schnell, aber Technik und Ausdauer fehlen. Anderen würde das vermutlich reichen. Nicole nicht. Sie hat einen Trainer an der Uni gefunden. „Ich will das jetzt richtig lernen.“
Fitteste Soldatin der Bundeswehr
Nach ihrer Rückkehr aus England im Mai 2019 hatte sie noch etwas Zeit, bis das Studium im Oktober anfing. Da hat sie die Ausbilderscheine fürs Schießen und für Military Fitness gemacht und zum dritten Mal am Military Fitness Cup (MilFitCup) der Bundeswehr in Warendorf teilgenommen. Sie gewann die Einzelwertung der Damen und wurde „fitteste Soldatin der Bundeswehr“. Pokal und Urkunde überreichte ihr die damalige Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen. Darüber freut sie sich, aber sie bildet sich nichts darauf ein. „Jeder ist anders und hat andere Stärken. Deshalb sollte man sich nie mit jemand anderem vergleichen.“ Weil sie gerne trainiert, hat sie in ihrem Studienfachbereich eine Military-Fitness-Gruppe für Frauen aufgemacht. „Wenn alle da sind, sind wir zehn Mädels. Es kommt nicht drauf an, wie viel jede kann, wenn sie anfängt. Ich hole alle da ab, wo sie stehen.“
Nicole Nordholz ist ein echtes „Nordlicht“, in Tossens an der Nordsee und in Bad Zwischenahn ist sie groß geworden. Jetzt, wo sie in München studiert, nutzt sie die Nähe der Berge. Einige ihrer Klettertouren sind auf Instagram zu sehen, und sie hat noch einiges vor: „Vom Crosstrail bis zum Paragliding würde ich gerne alles ausprobieren. Eine Alpenüberquerung steht auch auf dem Plan.“
Instagram: „Hater“ gibt es immer
Irgendwann hat sie angefangen, auf ihrem Instagram-Account @nicolenrdhlz auch Dinge zu posten, die mit ihrem Dienst zu tun haben – Sportliches, Eindrücke und Erlebnisse von ihrem Aufenthalt in Cranwell, der Start an der UniBwUniversität der Bundeswehr. „Ich habe dafür kein festes Konzept, ich poste dann, wenn es gerade passt“, sagt Nicole Nordholz und fügt hinzu: „Wenn ich damit junge Kameraden motivieren kann oder die Worte ‚Du bist ein Vorbild‘ lese, habe ich alles richtig gemacht.“ Mehrmals pro Woche melden sich Jugendliche bei ihr und fragen nach ihrem Werdegang oder wie sie am besten zur Bundeswehr kommen. Doch ab und zu gibt es auch negative Kommentare. Nicole Nordholz bleibt gelassen: „Die ‚Hater‘ gibt es immer. Da muss man drüberstehen, wenn man sich in der Öffentlichkeit präsentiert. So schade es ist.“
Der Wunsch: Die Freude am Beruf behalten
Nicole Nordholz wird weitermachen – mit dem Sport, dem Studium und mit Instagram. Was wünscht sie sich für die Zukunft? „Ich wünsche mir, dass ich immer so viel Freude an meinem Beruf behalte wie in den vergangenen fünfeinhalb Jahren.“ Sportlich seien die Titelverteidigung beim MilFitCup und der militärische Fünfkampf gute Ziele. Dabei besteht der Militärische Fünfkampf aus den Disziplinen Schießen, Werfen, Hindernisbahnlauf, Hindernisschwimmen und Geländelauf. Nach dem Studium würde sie gern bei der Luftwaffensicherungstruppe dienen. Aber da gäbe es noch etwas: „Eins meiner Ziele ist es, eines Tages eine integrierte Verwendung im Ausland übernehmen zu dürfen.“