„Diese Power ist echt toll!“
„Diese Power ist echt toll!“
- Datum:
- Ort:
- Evreux
- Lesedauer:
- 6 MIN
Die „Trall“ war seine erste fliegerische Liebe, seine zweite wurde jetzt in den USA die C-130J. Seine ersten Flugerfahrungen hat Major Thomas Limmer* im Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf gemacht, auf der Transall ist er „groß geworden“, wie er sagt, und er war lange beim Lufttransportgeschwader 63 in Hohn. Nun hat er bei der U.S. Air Force in Little Rock und beim Hersteller Lockheed Martin in Marietta die C-130J fliegen und lieben gelernt. Ende Juli ist er nach Évreux gezogen, um dort Teil der deutsch-französischen Lufttransportstaffel zu werden.
Die Entscheidung für Évreux haben Thomas Limmer und seine Frau gemeinsam und sehr bewusst getroffen. „Wir haben lange und oft über unser ‚Projekt Frankreich‘ gesprochen. Was wir erleben wollen, was wir uns davon erwarten“, erzählt der Major. „Und uns war von Anfang an klar: Wenn wir uns auf ein Land einlassen, dann auch richtig. Wir möchten mindestens fünf Jahre bleiben.“ In Évreux gehört Limmer als Leiter Flugbetrieb zum Führungskreis. „Es ist schön und spannend, dass ich das Entstehen einer binationalen Staffel miterleben und mitgestalten darf“, sagt der 35-Jährige. „Fliegen in einer solchen Staffel ist etwas Besonderes, denn wir fliegen in deutsch-französisch gemischten Crews.“
Seit 2017 läuft das „Projekt Frankreich“
Die Haussuche in Frankreich ist inzwischen abgeschlossen, bald zieht auch Limmers Frau mit dem dreijährigen Sohn nach Évreux. Begonnen hatte das Abenteuer für die ganze Familie aber schon 2017. „Da fand die erste Besichtigungsreise nach Évreux statt und ab da haben wir uns dafür interessiert“, erinnert sich Limmer. „Natürlich ist es bis zu einem gewissen Grad ein Schritt ins Ungewisse, aber wir werden viele wertvolle Erfahrungen sammeln.“ Im November 2020 wurde es konkret. Allerdings ging es nicht direkt nach Frankreich, sondern zunächst in die USA. Dort, bei der U.S. Air Force in Little Rock, Arkansas, wurde Major Limmer auf dem neuen Flugzeug der deutsch-französischen Staffel, der C-130J, ausgebildet.
Fit auf der C-130J in allen Lagen
Dieses sogenannte „Initial“ und „Mission Qualification“-Training dauerte ein halbes Jahr. „Das ‚typerating‘, also die Ausbildung auf einen speziellen Flugzeugtyp, besteht aus zwei Teilen“, erläutert Limmer. „Im ersten Teil lernt man das Flugzeug kennen und sicher von A nach B zu fliegen. Danach kommt das taktische Fliegen: nachts, im Tiefflug, bei Bedrohung, unter Nutzung aller äußeren Gegebenheiten wie Gebirgszügen oder oberhalb der Wolkendecke. Am Ende können wir das Flugzeug wirklich sicher in allen Lagen fliegen.“ Die 70 Flugstunden, um die jährliche Fluglizenz für ein Transportflugzeug aufrechtzuerhalten, hat sich Limmer schon in Little Rock „erflogen“. Danach folgte direkt beim Hersteller Lockheed Martin in Marietta, Georgia, eine dreiwöchige Schulung auf die Version 8.1 der C-130J. Zu dieser aktuellsten Version des Transportfliegers, der in Marietta gebaut wird, gehören auch die sechs deutschen Maschinen für die Staffel in Évreux, die dort derzeit entstehen.
Mehr Leistung, mehr Kraft, mehr Platz
Während seiner Ausbildung ist Major Limmer ein echter Fan der C-130J geworden. „Am Anfang habe ich mich darauf gefreut, das moderne Cockpit zu erleben, aber was mich wirklich überrascht hat, ist die Leistung. Diese Power ist echt toll!“ Denn im Unterschied zur Transall hat die C-130J zwei Triebwerke mehr. „Sie bietet wesentlich mehr Leistung, mehr Kraft und mehr Platz für Ladung. Das ist gerade in Einsätzen ein echter Vorteil“, so Limmer. Anders als die C-130 sei die Transall nie wirklich aktualisiert worden. Limmer: „Das ist dann, als ob man von einem alten Tom-Tom auf Google Maps umschaltet.“
„Die Avionik“, schwärmt Limmer weiter, „ist absolut State of the Art, das moderne Cockpit hoch ergonomisch. Während das Auge in der Transall beim Crosscheck etwa 1,20 Meter zurücklegen muss, ist der Weg in der C-130 nur ein DiN-A-5-Blatt weit.“
Winter-Lockdown in Arkansas
Auch in den USA waren Frau und Sohn von Thomas Limmer dabei. „Wir hatten auf der Base ein Apartment und haben uns für die Zeit einen Wagen gekauft, den wir vor unserer Rückreise weiterverkaufen konnten“, so Limmer. Die Corona-Pandemie war auch hier zu spüren, einen Lockdown wie in Deutschland gab es aber nicht. „99 Prozent der Menschen haben eine Maske getragen und die Läden waren geöffnet.“ Trotzdem blieb die Familie auch bei Ausflügen in die Umgebung vorsichtig. Für so etwas war aber auch nicht viel Zeit, denn Major Limmer hatte in Little Rock eine Sechs-Tage-Woche mit abwechselndem Früh- und Spätdienst.
Im Februar gab es dann doch noch einen Lockdown – aber nicht wegen der Pandemie, sondern wegen eines Rekord-Winters. „Ein Kamerad hatte mir vor der Reise noch geraten, höchstens eine Jacke mit nach Arkansas zu nehmen“, schmunzelt Limmer. „An Skikleidung hat niemand gedacht.“ Die Limmers erlebten Temperaturen von minus neunzehn Grad Celsius und so viel Schnee, wie Arkansas seit 15 Jahren nicht gehabt hatte. „Der Walmart in unserer Nähe war ausverkauft“, erzählt Limmer. „Normalerweise gibt es hier alles im Überfluss, aber da waren Dinge wie Heizlüfter, Handschuhe, Milch, Wasser und Brot zeitweise nicht zu bekommen.“
Eine Schnee-Hercules vorm Haus
Während auf der Base, die in dieser Zeit geschlossen wurde, Straßen und Wege geräumt und gestreut werden konnten, sah es draußen in Little Rock anders aus. „Viele hatten weder Strom noch Heizung, weil hier alles mit Oberleitungen verlegt ist. Geräumt wurde kaum, die Kreuzungen waren vereist und da fast alle mit Sommerreifen fahren, lief auf den Straßen nur noch wenig.
Der viele Schnee war zumindest für Thomas Limmers Sohn auch etwas sehr Schönes und Aufregendes, war er doch der erste seines Lebens. Und was machen Piloten dann? „Wir haben vorm Haus keinen Schneemann, sondern eine Schnee-Hercules gebaut“, verrät Thomas Limmer. „Und unsere amerikanischen Nachbarn haben uns ihren Schlitten geliehen. Das hat viel Spaß gemacht. Der Zusammenhalt auf der Base war wirklich toll.“
Nach sieben Monaten in den USA ist Familie Limmer nach Deutschland zurückgekehrt, nach Hohn. Aber nur, um dort bald wieder Abschied zu nehmen und in die neue Heimat in der Normandie zu ziehen. Jetzt müssen sie sich an den französischen Alltag gewöhnen und an die neue Sprache.
Le cochon d’Inde und andere Vokabeln
„Unser Sohn wird bestimmt die wenigsten Sprachprobleme haben“, scherzt Thomas Limmer. Er selbst hat in der Schule Französisch gelernt. Aber es gibt durchaus Vokabeln, die ihm nicht geläufig sind. „Meine Frau hat vor einem Jahr angefangen, über eine App Französisch zu lernen. Sie lernt völlig andere Sachen als ich. Zum Beispiel hat sie mich gefragt, was Meerschweinchen heißt. Ich habe keine Ahnung.“ Ist in der Pilotenkanzel auch nicht so wichtig, aber wenn sich das Kind ein Haustier wünscht, dann muss man in Frankreich eben nach einem „cochon d’Inde“ fragen.
Schon wichtiger für den Job: „Es gibt allein sieben oder acht verschiedene Formulierungen, um ‚Mit freundlichen Grüßen‘ zu übersetzen“, hat Limmer festgestellt. „Aber so etwas lernt man dann einfach auswendig.“ Außerdem wird auf der Base in Évreux zumindest teilweise und in der Staffel überwiegend Englisch gesprochen.
Für Thomas Limmer wie für alle dort ist entscheidend, dass die Zusammenarbeit zwischen Franzosen und Deutschen gut klappt, und da ist der Major zuversichtlich. „Wir ergänzen uns in dem, was wir können und in die gemeinsame Staffel einbringen, sehr gut. Ich freue mich auf die Arbeit hier und darauf, mit der C-130J bei unseren Aufträgen die Welt zu erkunden.“
*Name von der Redaktion geändert