Ölsperren auf dem Wasser - zum Glück nur zur Übung

Ölsperren auf dem Wasser - zum Glück nur zur Übung

Ort:
Wilhelmshaven
Lesedauer:
5 MIN

Ein Schlepper zieht eine 170 Meter lange gelbe Schlange durchs Hafenbecken, dahinter braust ein Motorboot übers Wasser, an der Pier stehen Feuerwehrleute bereit. Eine Ölsperre wird ausgebracht. Zum Glück ist hier kein Schiff havariert, es ist nur eine Übung: Ein Bericht über den Lehrgang „Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen“ aus dem Jahr 2016.

Eine gelbe Sperre schwimmt auf dem Wasser neben und vor einer Fregatte

Bis vor den Bug der Fregatte - Ölsperre in Wilhelmshaven

Bundeswehr/Carsten Koslowski

Das Fachreferat GSGesetzliche Schutzaufgaben II 5 (Boden- und Gewässerschutz/Kontaminationen) des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr) ist Halter der Regelung „Meldewesen und Vorgehen bei Vorfällen mit wassergefährdenden Stoffen“.  Für Maßnahmen und Verfahren des Umweltschutzes auf Ortsebene sind die hausverwaltenden Dienststellen zuständig. Zur Gefahrenabwehr bei Küstengewässern wird das Umweltschutzpersonal zudem durch Fachpersonal zum Beispiel der Marine und des Brandschutzes unterstützt.

Neuer Name, alte Zuständigkeit

Aufgrund der Besonderheiten der Küstengewässer im Zusammenhang mit Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen entschied das damalige Fachreferat GSGesetzliche Schutzaufgaben II 6 (mit Wirkung zum 1. Februar 2021 umbenannt in GSGesetzliche Schutzaufgaben II 5) im Jahr 2016, einen Pilotlehrgang zum sach- und fachgerechten Vorgehen bei Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen an oder in den Küstengewässern von Nord- und Ostsee zu initiieren. Der in einen theoretischen und einen praktischen Teil aufgeteilte Lehrgang fand an den Marinestützpunkten Kiel und Wilhelmshaven statt. Der Teilnehmerkreis umfasste das regional zuständige Umweltschutzpersonal des Kompetenzzentrums Baumanagement Kiel, Fachpersonal aus den Bundeswehr-Dienstleistungszentren, Fachpersonal der Marine sowie Brandschutzpersonal der Bundeswehr-Feuerwehren.

Der Herr der Ölsperren

Männliche Person in zivil begutachtet die Arbeit zweier männlichen Personen, die Pullover mit der Aufschrift "Feuerwehr" tragen

Was macht die Feuerwehr? Heinrich Kaule begutachtet die Übung.

Bundeswehr/Carsten Koslowski

Als Dozent für den ersten Lehrgang dieser Art konnte das BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr den Diplom-Ingenieur Heinrich Kaule gewinnen. Der auch als „Herr der Ölsperren“ bekannte Kaule war von 2006 bis zu seinem Ruhestand im Dezember 2014 beim Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz in Schleswig-Holstein für die Gefahrenabwehr bei Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen verantwortlich. Er kann unter anderem auf die Durchführung von durchschnittlich 30 Übungen pro Jahr während dieser Zeit zurückblicken. Zuvor war er bereits bei schweren Unfällen im Einsatz, beispielsweise bei der Havarie des Frachters „Pallas“, der 1998 brennend im Wattenmeer vor der schleswig-holsteinischen Küste mit 244 Tonnen Öl auf Grund lief.

 „Bevor man in operative Hektik verfällt, muss man überlegen, welche Mittel als Sofortmaßnahmen zum Einsatz kommen. Kein Einsatz gleicht dem anderen“, erläutert Kaule, wie wichtig die Bewertung der Situation ist. So kann man beispielsweise bei kleinerem Schadstoffeintrag Ölbindematten ausbringen, die ausgelaufenes Öl nicht nur zurückhalten, sondern nach dem Prinzip einer „porösen Barriere“ aus dem Strömungsdurchfluss filtern und binden. Wenn es darum geht, zunächst die Ausbreitung großer Mengen der ausgetretenen Stoffe zu verhindern, kommen Ölsperren zum Einsatz, mit welchen ein Schiff auf ganzer Länge und Breite eingeschlängelt werden kann. Diese sind sehr groß und schwer, so dass sie in der Bundeswehr auch als „schwere“ Ölsperren bezeichnet werden.

Kleines Motorboot mit zwei Feuerwehrleuten zieht zwei rechteckige, miteinander verbunde Matten durchs Wasser

Die Bundeswehr-Feuerwehr bringt Ölbindematten für einen kleineren Schadstoffeintrag aus

Bundeswehr/Sebastian Wolf

Ölbindematten und pneumatische Ölsperre in Kiel

Bei der praktischen Übung in Kiel wird mit den Ölbindematten gearbeitet sowie mit einer Besonderheit: In Kiel verfügt man über eine pneumatische Ölsperre, mit der der gesamte Tirpitzhafen direkt an seiner Einfahrt abgeriegelt werden kann. Hierbei wird über einen am Grund liegenden perforierten Schlauch Druckluft in das Wasser gepresst und eine Blasenbarriere erzeugt.

Schweres Gerät in Wilhelmshaven

Blick vom Heck eines Schiffes, das ein langes schlauchartiges gelbes Gebilde aus einem Container an der Pier zieht

Langsam zieht der Schlepper die Ölsperre aus dem Container

Bundeswehr/Carsten Koslowski

In Wilhelmshaven hingegen wird schweres Gerät aufgefahren. An der Instandsetzungspier des Marinestützpunkts liegt die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“. Sie soll aufgrund eines angenommenen Schadstoffaustritts komplett mit einer Ölsperre eingeschlängelt werden. Es handelt sich hierbei um Einzelelemente von jeweils 12 Metern Länge, die aus einem Schwimmkörper, einer Schürze und Ballastgewichten bestehen. 14 mit einander verbundene Elemente sind ausreichend, um eine Fregatte von Bug bis Heck einzuschlängeln. Die zusammengelegte Ölsperre ruht in einem Container der Bundeswehr-Feuerwehr auf der Pier.   

Blick vom Heck eines Schiffes, das ein 170 Meter langes schlauchähnliches Gebilde durchs Wasser zieht

170 Meter Ölsperre zu Wasser gelassen

Bundeswehr/Carsten Koslowski

Das vordere Ende der Ölsperre wird jetzt vom Schlepper „Nordstrand“ auf die Leine genommen. Vorsichtig manövriert die „Nordstrand“ von der Pier weg, denn auch dieser kleine Hafenschlepper hat noch einen Pfahlzug von rund 20 Tonnen, und die Sperre soll gleichmäßig aus dem Container gezogen werden. Schon bald zieht das kleine Kraftpaket die knapp 170 Meter lange leuchtendgelbe Schleppe hinter sich durchs Hafenbecken.

Ein Hafenschlepper schwimmt sehr nahe an einer Pier und hat eine gelbe Schlauchsperre im Wasser

Buchstäblich bis an die Pier: das vordere Ende der Ölsperre wird angeliefert

Budneswehr/Carsten Koslowski

Die „Nordstrand“ bugsiert die Sperre nun bis vor den Bug der Fregatte, der Schlepper fährt buchstäblich bis an die Pier. Dort wird das vordere Ende der Sperre übernommen und angeschlagen. In der Zwischenzeit ist die Bundeswehr-Feuerwehr mit einem Schlauchboot aufgefahren. Die drei Mann Besatzung picken das achtere Ende der Sperre ein und fahren damit vor das Heck der „Mecklenburg-Vorpommern“. Dort haben sich weitere Feuerwehrleute positioniert, die mittels Tau und vollem Körpereinsatz die Sperre zur Pier ziehen und anschlagen. Die Fregatte ist damit vollständig mit der Ölsperre eingeschlängelt, und das ganze Manöver hat keine halbe Stunde gedauert.

Der Mercedes unter den Ölsperren

Anschließend stellt die Bundeswehr-Feuerwehr noch den „Mercedes unter den Ölsperren“ vor, wie Oberbrandmeister Dieter Hoffbauer sich ausdrückt. Es handelt sich hierbei um insgesamt 240 Meter Ölsperre auf einer Haspel, die auf einem Anhänger verlastet ist. Die Haspel verfügt über einen Elektromotor, mit dem die Sperre per Handbedienung direkt ins Wasser abgelassen werden kann, darüber hinaus ist weiteres Zubehör wie Leinen oder Reinigungsgerät direkt an der Trommel verfügbar.

Auf einem Anhänger ist eine große Rolle gelben schlauchartigen Materials angebracht

Fahrbare Ölsperre auf einem Anhänger

Bundeswehr/Carsten Koslowski

„240 Meter sind ausreichend für unsere größten Objekte, die Einsatzgruppenversorger“, erläutert Hoffbauer. „Die Trommel erhält den Strom direkt aus dem Feuerwehrfahrzeug, das den Anhänger mit sich führt. Damit sind wir autark und nicht auf Gebäude angewiesen.“

Intelligentes Sperren professionell durchgeführt

Der „Herr der Ölsperren“, bei den Übungen natürlich in seinem Element, zeigt sich nach den Durchläufen in Kiel und Wilhelmshaven sehr zufrieden: „Das ist sehr professionell abgelaufen. Das ist intelligentes Vorgehen, bei dem man sich vorher überlegt: Wo bringe ich die Materialien ein? Wie positioniere ich sie am günstigsten? Man sieht, dass die Einsatzkräfte sich vorher die richtigen Gedanken machen.“

Kein Kinderspiel – und nicht nur zur Übung

„Jede Übung hat ein Ziel“, sagt Kaule abschließend: „Das Handling zu perfektionieren, und immer bewusst zu machen, dass es kein Kinderspiel ist, mal eben ‚das Material über die Kante zu werfen‘.“ In Wilhelmshaven und Kiel weiß man dies und wird auch in Zukunft alles daransetzen, bei Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen schnell und effektiv vorzugehen.

Feuerwehrleute auf einer Pier ziehen einen Sperrkörper auf dem Wasser zu sich

Das achtere Ende der Ölsperre wird aufgeholt.

Bundeswehr/Carsten Koslowski

Im Geschäftsbereich BMVgBundesministerium der Verteidigung wurden in den vergangenen drei Jahren (2018-2020) insgesamt 120 Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen gemeldet, davon 33 durch das Umweltschutzpersonal des BwDLZBundeswehr-Dienstleistungszentrum Wilhelmshaven. Dieser beachtliche Anteil verdeutlicht, das regelmäßige Übungen zur Gefahrenabwehr unerlässlich sind und auch zukünftig bei der Lehrgangsplanung durch das fachlich zuständige Referat BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr GSGesetzliche Schutzaufgaben II 5 (vormals BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr GSGesetzliche Schutzaufgaben II 6). Denn das von einem Unfall ausgehende Ausmaß der Gefahr für Mensch und Umwelt wird maßgeblich durch ein routiniertes sach- und fachgerechtes Vorgehen beeinflusst.

Auch wenn die über dem Ort des Geschehens kreisenden Möwen der Übung keine große Aufmerksamkeit beimessen: bei der Ölabwehr zählt jeder Tropfen, um den unendlich vielfältigen Lebensraum der Küstengewässer zu schützen.

von Carsten Koslowski  E-Mail schreiben

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