Multiaxial – klingt kompliziert. Ist es auch.

Multiaxial – klingt kompliziert. Ist es auch.

Datum:
Ort:
Trier
Lesedauer:
3 MIN

Bei der Wehrtechnischen Dienststelle 41 in Trier entsteht eine einzigartige Anlage. Ein multiaxialer Prüfstand. Modern. Richtungsweisend. Zukunftsorientiert. Die Anlage, die in Trier entsteht, dient dazu, Fahrzeuge mit bis zu vier Achsen auf Herz und Nieren zu testen.

Vielzahl von hydraulischen Geräten des Multiaxialen Prüfstandes.

Der multiaxiale Prüfstand ist eine bislang einzigartige Einrichtung in Europa.

Bundeswehr/Marcus Rott

Das Kompetenzzentrum Baumanagement Wiesbaden des BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr koordiniert die Baumaßnahme. Realisiert wird die Halle durch die Bauverwaltung in Rheinland-Pfalz – dem Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung – Niederlassung Trier unter der Fachaufsicht des Amtes für Bundesbau Rheinland-Pfalz. Geplante Inbetriebnahme ist für Februar 2022 vorgesehen.

Derzeit findet die Einrüstung der Prüfstandtechnik statt - und soll bis Ende des zweiten Quartals abgeschlossen sein. Ein multiaxialer Prüfstand. Was komplex klingt, ist es auch. Genauer gesagt wird hier das Gesamtfahrzeug betrachtet, unter anderem dessen Fahrwerkskomponenten, beispielsweise Achsen, Räder, Stoßdämpfer und Antriebsverbindungen bis hin zum Fahrzeugrahmen. Die zu testenden Fahrzeuge können ein Gesamtgewicht bis zu 45 Tonnen haben. „Alternativ können auch zeitgleich zwei kleinere Fahrzeuge mit je zwei Achsen getestet werden,“ berichtet Michael Schwebach, Technischer Oberregierungsrat bei der WTDWehrtechnische Dienststelle 41.

In 80 Tagen um den Prüfstand

Die Prüfanlage arbeitet mit servohydraulischen Arbeitsmaschinen auf die das Fahrzeug für die Tests montiert wird. Anhand vorher aufgezeichneter Daten können dann zum Beispiel Streckenprofile in Afghanistan oder theoretisch in jedem anderen Land der Welt simuliert werden. Die hierfür verwendeten Daten sind nicht fiktiv, sondern wurden vorher auf verschiedenen künstlichen Streckenprofilen der WTDWehrtechnische Dienststelle 41 in Trier aufgezeichnet. Dazu werden die Fahrzeuge mit Messrädern ausgestattet, die mit ihren mehrachsigen Präzisions-Messsystemen die Kräfte im drehenden Rad messen.

„Diese Belastungen können mit dem multiaxialen Prüfstand nun ortsunabhängig und über Jahre reproduzierbar simuliert werden“,

erklärt Schwebach. Dies ist extrem effizient und zugleich ressourcensparend.

Ein Novum in Europa

Dafür muss das zu testende Fahrzeug vorher im Rüstbereich der Halle vorbereitet werden, ehe es mit einem Deckenkran auf die im Prüfstandsbereich platzierte Fahrzeughebeanlege gehoben wird. Die servohydraulischen Arbeitsmaschinen selbst müssen natürlich ebenso vorbreitet und fahrzeugspezifisch richtig positioniert werden. Die Prüfeinrichtung wird mit diesen Möglichkeiten eine europaweit einzigartige Anlage sein.

Graues Neubaugebäude des Multiaxialen Prüfstandes mit einem flacheren Vorbau.

Ein schlichter Bau. Von außen lässt sich die aufwendige Technik im Gebäude nur erahnen.

Bundeswehr/Marcus Rott

Auch die Gebäudehülle an sich ist beeindruckend und eine Besonderheit. Von außen wirkt die über 55 Meter lange und 28 Meter breite Halle zunächst schlicht. Geradezu unspektakulär. Doch die eingebaute Prüfanlage verlangt nicht nur den Fahrzeugen, sondern auch dem Gebäudekomplex alles ab. Ganze 200 Tonnen wiegt der Prüfstand, der auf einem gigantischen und ebenfalls 200 Tonnen schweren Spannfeld montiert ist. Hinzu kommt das Gewicht der Fahrzeuge auf dem Prüfstand.

Graue Betonsäulen, die die Luftfedern des Multiaxialen Prüfstandes sind.

Der Prüfstand ist mit Hilfe von riesigen Luftfedern vom Rest des Gebäudes entkoppelt.

Bundeswehr/Marcus Rott

Swing low – dank Luftfederung

Eine gewaltige Masse, die durch die Bewegung während der Tests das Gebäude gefährden könnte. Um die Schwingungen, die bei den Tests entstehen können zu dämpfen, lagert der gesamte Prüfstand auf einem circa 1.800 Tonnen schweren Betonblock. Dieser dient als Gegenpol und absorbiert die immense Bewegungsenergie. Der massive Stahlbetonklotz mit Prüfstandsaufbauten und Fahrzeugen ist auf 88 gigantischen Luftfedern abgesetzt. Dadurch ist das Gebäude vom Prüfstand entkoppelt, und die Struktur vor den für das Bauwerk schädlichen Vibrationen geschützt.

Rohre und Leitungen der Hydraulikstation eines Multiaxialen Prüfstandes.

Eine gewaltige Hydraulikanlage befindet sich in dem Gebäude um den Prüfstand zu betreiben.

Bundeswehr/Marcus Rott

Um den Prüfstand zu betreiben, sind über 40.000 Liter Hydraulikflüssigkeit notwendig. Entsprechend groß sind auch die technischen Einrichtungen des Gebäudes, wie etwa die Aggregate-Station, die mit 10 Hydraulikpumpen den für den Prüfstand notwendigen hydraulischen Druck erzeugt.

„Eine solche komplexe Baumaßnahme erfordert ein hohes Maß an Abstimmung“, erklärt Oberstleutnant Dennis Krämer vom Kompetenzzentrum Baumanagement Wiesbaden. Die Verzahnung von Baumaßnahme und Rüstungsprojekt bedingte in der Planungsphase zahlreiche Projektbesprechungen zwischen den beteiligten Dienststellen der Bundeswehr, der Bauverwaltung Rheinland-Pfalz und den bauausführenden Firmen. Während der Bauphasen wurden immer wieder Zwischenabnahmen erforderlich. Für die schwere Krananlage zum Beispiel. Den Rüstbereich für die Fahrzeuge, oder eben die komplexe Gebäude- und Automationstechnik.

„Diesen Herausforderungen konnte mit Rückgriff auf einen Generalunternehmer entgegengewirkt werden - der Baufortschritt ist bislang mustergültig“,

verdeutlicht Krämer weiter. Der Baubeginn des Rohbaus war Ende 2018. Es folgten der Innenausbau, der Aufbau der Krananlage und die elektrischen Einrichtungen. Im Oktober 2020 wurde der schwere Betonblock für den Prüfstand gegossen. Jetzt erfolgt bereits die Einrüstung des Prüfstandes. Das Ziel, die Halle samt der Technik im Februar 2022 in Betrieb zu nehmen, ist dank der engen Zusammenarbeit aller Beteiligten derzeit voll im Plan.

von Marius Vu  E-Mail schreiben

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