Heer
Fernost im Sauerland

Unterwegs zwischen Dojo und Geschäftszimmer

Unterwegs zwischen Dojo und Geschäftszimmer

Datum:
Ort:
Italien
Lesedauer:
5 MIN

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Ein Meister fernöstlicher Kampfkunst mit eigenem Dojo und zugleich Kompaniefeldwebel mit Dienstalltag im Heer – das klingt erstmal wie das Zusammentreffen verschiedener Lebenswelten und Mentalitäten. Wurftechniken und Schwertkampf vs. Mutter der Kompanie – auf den zweiten Blick passt das sogar ziemlich gut, wie der Werdegang von Frank Düster zeigt.

Zwei Männer in Sportkleidung üben in einem Trainingsraum mit blau-gelber Matte Kampfkunsttechniken.

Mit vollem Einsatz dabei: Frank Düster trainiert mit einem Teilnehmer eines Kurses für Bujinkan Budo Taijutsu

Miguel Sanchez/Heinz Meyer

Auch wenn das Erlernen von Selbstverteidigungstechniken inzwischen Bestandteil der Ausbildung einiger Soldaten ist: Das Deutsche Heer ist ganz sicherlich keine Lehrinstitution für asiatische Kampfkünste. Aber Frank Düster, Kompaniefeldwebel einer KFORKosovo Force-Einsatzkompanie, die im lombardischen Solbiate Olona stationiert ist, zeigt, wie nah trotz aller geografischer Distanz das Selbstverständnis des deutschen Soldaten und des japanischen Kampfkünstlers ist.

Ein deutscher Soldat mit japanischer Kampfkunsterfahrung, eingesetzt in Italien: Düsters dienstlicher und privater Lebensweg zeigt, wie bunt und vielfältig die Biografien von Soldaten sein können. Er ist als Kompaniefeldwebel im Kommando Heer Deutscher Anteil des NATO-Hauptquartiers des Rapid Deployable Corps in Italien (DtADeutscher Anteil HQHeadquarters NRDC ITA) das personifizierte Verbindungselement zwischen Deutschland und Italien. Zudem ist er für eine Vielzahl von Dingen zuständig: von der Verantwortung als Spieß in klassischer Form für die personellen Angelegenheiten der Soldatinnen und Soldaten über die für das Material bis hin zum Knüpfen und der Pflege von verschiedenen Kontakten zu den italienischen Kameraden und Behörden. Eine ganze Menge Arbeit – und dazu kommt noch sein Werdegang als Lehrmeister in einer traditionellen japanischen Kampfkunst.

Interesse von Kindesbeinen an

Zwei Männer üben in einem Trainingsraum Kampfkunsttechniken. Einer erklärt die angewandte Technik.

Als „großer Lehrer“ hat Frank Düster viel Verantwortung beim Training

Miguel Sanchez/Heinz Meyer

Schon früh hat sich der 50-jährige Familienvater für verschiedene Kampfsportarten interessiert. Bereits als Kind, so schildert er, habe er sowohl Judo als auch Taekwondo ausgeübt. Aber auch der Fußball war für den jungen Düster so interessant, dass bis zur Bundeswehrzeit der Kampfsport eines von mehreren Hobbys blieb. Als er als Wehrdienstleistender 1993 zur Panzertruppe in Hemer kam, merkte er schnell, dass ihm die sportliche Betätigung im Bereich des Kampfsports fehlte. Über einen Kameraden kam er zu einem neuen Dojo (Übungsraum) – und war damit genau dort angekommen, wo er sein wollte: „Seit diesem Zeitpunkt bin ich der Kampfkunst der Samurai und Ninja verfallen“, kommentiert der Oberstabsfeldwebel seine damalige Entscheidung.

Prinzipien und Taktiken

Während bei vielen Sportarten das Gewinnen von Turnieren und Wettbewerben im Vordergrund steht und Trophäen, Pokale und Medaillen vom jeweiligen individuellen Fortschritt oder von der Leistungsbereitschaft des Sportlers zeugen, verstehen sich diejenigen, die Bujinkan ausüben, als Kampfkünstler. Das Studium der sogenannten Prinzipien und der Taktiken stehen im Vordergrund – nicht der Gewinn von Pokalen und Trophäen.

Die abzulegenden Prüfungen und Grade zeugen von der intensiven Beschäftigung mit Bujinkan. „Durch das Studium von Büchern, die Teilnahme an Lehrgängen und regelmäßiges Training habe ich ein Höchstmaß an Euphorie und Begeisterung für diese traditionelle japanische Kampfkunst entwickelt – die ganzen Graduierungen kamen durch meine intensive Auseinandersetzung mit der Kampfkunst und waren nie mein hauptsächliches Ziel“, erläutert der „Dai Shihan“ (großer Lehrer) Düster.

Ein ganzheitliches Konzept

Ein Mann trägt eine traditionelle Panzerung der japanischen Samuraikrieger.

Persönliche Schutzausrüstung aus der japanischen Geschichte: Auch der Kampf mit Waffen (und in Rüstungen) ist Teil der Kampfkunst

Miguel Sanchez/Heinz Meyer

Die Ursprünge des heutigen Bujinkan Budo Taijutsu liegen laut Düster weit zurück: Bis in das 7. Jahrhundert n. Chr. sollen die Wurzeln der heutigen Kampfkunst, die sechs verschiedene Schulen von Samurai und drei verschiedene Schulen des Ninjutsu umfasst, zurückreichen. Düster fasst die Grundphilosophie zusammen: „Im Grunde ist Bujinkan Budo eine Essenz der alten Schulen. Ständige Veränderungen und fließende Bewegungen gehören dazu – so kann man durch natürliche Anpassung die jeweilige Situation meistern.“

Ein weiterer Bestandteil der Kampfkunst ist Taijutsu. „Das kann man grob mit Körperkunst übersetzen. Hier geht es nicht nur um die Beherrschung des eigenen Körpers, sondern auch um die Kontrolle des eigenen Geistes“, erläutert der Oberstabsfeldwebel, „beides zusammen ist die Grundlage für den unbewaffneten oder bewaffneten Kampf“.

Eine große Rolle spielen auch der gegenseitige Respekt und die korrekten Umgangsformen im Dojo – Dinge, die in Düsters Dojo gezielt gepflegt und gelebt werden.

Viel Tradition – und doch ganz modern

Zwei Männer in Sportkleidung stehen sich auf einer Sportmatte in Kampfhaltung gegenüber.

Moderne Gefechtsführung und traditionelle Kampfkunst verbindet die Notwendigkeit, auf unerwartetes Verhalten des Gegenübers schnell und sicher reagieren zu können

Miguel Sanchez/Heinz Meyer

Verbindung von mentaler und körperlicher Stärke? Den Kampf ganzheitlich betrachten? Durch Veränderungsbereitschaft in der Lage sein, auf unterschiedliche Situationen flexibel zu reagieren? Diese Konzepte und Begrifflichkeiten dürften den meisten Bundeswehrsoldaten bekannt vorkommen. Und hier schließt sich dann auch der Kreis. So auch für Düster, der für sich selbst schon längst viele Parallelen zwischen dem modernen Soldatenhandwerk und der traditionellen Kampfkunst entdeckt hat: „Die Techniken auf dem Schlachtfeld im alten Japan waren den heutigen hochkomplexen und schnellen Operationsarten gar nicht so unähnlich. Auch dort musste schnell und flexibel auf Veränderungen reagiert werden.“ Im Gespräch schildert der erfahrene Unteroffizier, dass auch im historischen Japan viele taktische Grundlagen, die heute beim Heer trainiert werden, schon bekannt waren.

Natürlich konnte Düster gerade seine zivil erworbenen Fähigkeiten auch wesentlich praktischer in den Dienst einbringen: Im Fachsportleiterlehrgang „Selbstverteidigung“ und später als Ausbilder für eben diesen Bereich in der Truppe. „Hier konnte ich viele Dinge umsetzen und habe auch viele Aspekte des Bujinkans einfließen lassen, soweit die Vorschrift dies zugelassen hat.“ Gerade der Austausch mit anderen Kampfsportlern und Kampfkünstlern auf den Lehrgängen sei sehr produktiv und kreativ gewesen, da man viele Dinge besprechen oder abends einfach mal ausprobieren konnte.

Auch sozial vorbildlich

Ein Soldat steht in einem Flecktarnanzug vor einem Panzer.

Als Kompaniefeldwebel hat Oberstabsfeldwebel Frank Düster viel Verantwortung

Bundeswehr/Philip Kadur

Für Frank Düster ist Kampfkunst mehr als ein intensiv gelebtes Hobby oder Sport. Das wird auch deutlich, wenn er auf seine Rolle als Besitzer eines eigenen Dojos zu sprechen kommt: „Es ist schön, bei den Teilnehmern eine Veränderung mitzuerleben.“ Und hier geht es nicht nur um den Fortschritt in der Kampfkunst, sondern auch um die große soziale Verantwortung, der sich der Kompaniefeldwebel als Lehrer und Anleiter voll und ganz stellt: „Da ich für eine Schule beziehungsweise Internat schwierige Fälle – oft Jugendliche mit Aggressionsproblemen – in Trainingsstunden begleiten durfte, war dies auch ein tolles Gefühl, wenn die Lehrer und Eltern sich für die positiven Veränderungen bei den Heranwachsenden, zum Beispiel die innere Einstellung und den Respekt ihnen gegenüber, bedankten.“

Und damit nicht genug: Düster hat gemeinsam mit anderen Benefizseminare veranstaltet, deren Einnahmen an Jugendhilfen oder andere Organisationen, wie kürzlich das italienische Rote Kreuz, gingen. In Mailand verband sich dann Kampfkunst und Wohltätigkeit international: Düster organisierte mit einem engen Freund aus Bremen und einer italienischen Meisterin eine Veranstaltung, an deren Ende 1.500 Euro für gute Zwecke zusammenkamen: „Das ist für mich Motivationsgrund genug!“

Und so wird es dem Familienvater auch sicherlich nicht langweilig werden, wenn er aus seiner bisherigen Verwendung in Italien in das beschauliche Hemer im Sauerland zurückkehrt: Denn als Oberstabsfeldwebel und Dojobetreiber werden auch in Zukunft viel Verantwortung und fordernde Aufgaben auf ihn warten.

von Henning Schmitz

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