Soldat und Fotograf: Jeder Schuss ein Treffer
Soldat und Fotograf: Jeder Schuss ein Treffer
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 8 MIN
Jeder Schuss ein Treffer. Das ist nicht nur das Ziel von Scharfschützen. Auch für die Fotografen der Bundeswehr gilt dieser Leitsatz. Einer von ihnen ist Oberstabsfeldwebel Marco Dorow. Er leitet die Fachabteilung Foto im Presse- und Informationszentrum des Heeres in Strausberg. Wir sprechen mit ihm darüber, wie seine Fotos entstehen und was für ihn dabei wichtig ist.
Fotos der Soldatinnen und Soldaten der größten Teilstreitkraft der Bundeswehr finden nicht nur in der Medien- und Pressearbeit innerhalb der Streitkräfte Verwendung. Über ein weitreichendes Netzwerk werden Fotos des Heeres in Tageszeitungen, Fachzeitschriften, aber auch in Publikationen wie Kalendern und Broschüren gedruckt. Die meisten Fotos sehen die Leser jedoch auf der Onlineseite der Bundeswehr und des Deutschen Heeres. Oberstabsfeldwebel Dorow ist Soldat, Fotoredakteur und Fotograf. Über seinen Schreibtisch laufen alle Bilder des Heeres, er ordnet sie und verwaltet Datenbanken, kurzum: Er hat den Überblick. Doch den größten Teil seiner Zeit verbringt Dorow selbst hinter der Kamera, stets auf der Suche nach dem perfekten Foto aus der Truppe.
Herr Oberstabsfeldwebel Dorow, in erster Linie sind Sie ja Soldat und das bereits seit 25 Jahren. Die Truppengattung der Artillerie ist Ihr militärisches Zuhause. Wie kommt man von der Artillerie zur Fotografie?
Erst einmal bin ich von der Fotografie zur Artillerie gekommen. Ich habe vor meiner Bundeswehrzeit Fotograf gelernt und hätte im Anschluss an die Ausbildung meinen Grundwehrdienst antreten sollen. Ein Kamerad gab mir den Hinweis, dass es bei der Bundeswehr auch Fotografen gäbe. Ich habe mich beraten lassen und mich direkt verpflichtet. Militärisch groß geworden bin ich dann in einer Drohnenbatterie der Artillerie. Die damalige Drohne vom Typ CL289 war für ihre Aufklärungsflüge mit analogen Schwarz-Weiß- und Infrarotfilmen bestückt. Diese mussten nach der Landung schnellstmöglich entwickelt werden. Das habe ich als Fotofeldwebel gemacht. Natürlich wurde nicht nur entwickelt, sondern auch sonst alles erledigt, was mit dem Fotografieren zu tun hatte. Der Höhepunkt der Fotografenausbildung war der Meisterlehrgang mit der zivil anerkannten Weiterbildung und Prüfung vor der Handwerkskammer. Nach mehreren Einsätzen und Tätigkeitswechseln, zum Beispiel als Steuerer des unbemannten Aufklärungsmittels LUNALuftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung, der Ausbildung zum Luftbildauswerter und der Tätigkeit als Fachlehrer in diesem Bereich kam dann die Versetzung zum Presse- und Informationszentrum des Heeres.
Fotograf im Heer – da fallen einem zunächst die spektakulären Fotos von Panzern beim Schuss oder mit riesiger Staubwolke im Abendrot ein. Wie kommen Sie zu Ihren Motiven? Wie schaffen Sie es diese Momente, manchmal in Bruchteilen von Sekunden, einzufangen?
Ich denke, das ist eine Mischung aus Erfahrung und Fleiß. Wer sich mit dem erstbesten „Schuss“ zufriedengibt, wird kein besonderes Foto machen. Man muss sich um das Motiv herumbewegen, immer wieder neue Perspektiven ausprobieren. Fotografie hat immer etwas mit Bewegung zu tun. Und ein bisschen Glück ist auch dabei. Zu jedem Termin habe ich als Fotograf mein Wunschmotiv im Kopf. Im Spätsommer 2015 begleiteten wir zum Beispiel das Marienberger Panzergrenadierbataillon 371 auf dem Truppenübungsplatz Bergen. Schon früh am Morgen auf dem Weg dorthin fielen mir die ungewöhnlichen Wolkenformationen auf. Das wäre ein toller Hintergrund, dachte ich die ganze Fahrt. Nach vielen gesammelten Eindrücken und gemachten Fotos stand als letztes die Feldbetankung der Schützenpanzer Marder auf dem Plan, der Übungstag war eigentlich schon gelaufen. Auf dem Rückweg bewunderte ich ein bisschen wehmütig wieder die Wolkentürme am Himmel – und eine Staubfahne am Horizont. Parallel zu unserer Straße fuhr zufällig in einiger Entfernung vor uns ein Schützenpanzer. Das war die Gelegenheit. Ich lehnte mich weit aus dem Beifahrerfenster, dirigierte den Fahrer des Dienstwagens und konnte dieses stimmungsvolle Foto im Gegenlicht machen. Ich freute mich über den genutzten Zufall und ahnte, dass es das Foto des Tages sein würde.
Die Technik, die Panzer sind das eine, die Soldatinnen und Soldaten, also die Menschen des Heeres, das andere. Wie läuft das ab, wenn Sie Soldaten bei ihrem Dienst, etwa bei einer Übung fotografieren?
Um Fotos machen zu können, ist man als Fotograf abhängig von den Menschen, die einem das ermöglichen. Grundsätzlich reden wir mit den Soldaten vorher darüber, was wir vorhaben. Uns ist wichtig, dass wir beispielsweise eine Übung so wenig wie möglich stören. Ich bin trotzdem bestrebt, dem Motiv so nah wie möglich zu sein. Dabei handle ich getreu der Worte Robert Capas, einem berühmten Fotografen des frühen 20. Jahrhundert: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Wenn ich mich dem Motiv nähere, schaue ich meistens bereits durch den Sucher. Bei Aufnahmen mit einem Weitwinkelobjektiv bin ich dann oft selbst überrascht, wie dicht ich schon dran bin, wenn ich die Kamera wieder vom Auge nehme. Dann muss ich aufpassen, nicht zu nah in den Schwenkbereich von Waffen oder Armen zu geraten.
Wie in diesem Fall: Auch wenn man schon einiges dafür tun muss, um Panzergrenadiere zu irritieren, war es bei Hauptfeldwebel Karsten Hanack vom Panzergrenadierbataillon 411 sicher schon kurz davor. Bei einer Zugübung auf dem hauseigenen Truppenübungsplatz Jägerbrück stand am Anfang der Ausbildung die Einweisung des Zuges am sogenannten Geländesandkasten an. In dieser Phase der Vorbereitung besprechen die Soldaten ihr Vorgehen für eine kommende militärische Operation. Der Fotograf im Sandkasten gehörte hierbei jedoch nicht mit zur Lage.
Werden manchmal auch Fotos mit Soldaten gestellt, wenn Sie etwa welche für Broschüren mit einem ganz bestimmten Motiv benötigen?
Die Antwort ist schwierig. Grundsätzlich mag ich keine gestellten Fotos. Ich will echte Emotionen in den Gesichtern der Soldaten abbilden und keine künstlich erzeugten. Für den Kalender des Heeres oder etwa statische Onlineseiten sind die Themen manchmal jedoch so speziell, dass sich die Fotos nicht aus den aktuell laufenden Übungen in der Truppe ergeben. Dann lässt es sich nicht vermeiden, ein wenig Regie zu führen. Da wir keine Schauspieler beschäftigen, sondern richtige Soldaten, ist es dann umso schöner, wenn die Freiwilligen engagiert mitmachen und sich sprichwörtlich für nichts zu schade sind. Das war bei diesen drei Soldaten mit ihrer Granatmaschinenwaffe vom Ausbildungsverband im Gefechtsübungszentrum des Heeres der Fall. Ohne Murren haben sie für jede Bildidee das Beste gegeben und speziell für diese Aufnahme viel Staub geschluckt. Um die drei Soldaten vom Hintergrund optisch zu lösen, musste Staub erzeugt werden. Ein Auto musste her. Die ersten Vorbeifahrten ließen die Soldaten komplett in einer Staubwolke verschwinden. Jedoch war nach unzähligen weiteren Vorbeifahrten der perfekte bildwirksame Staub aufgewirbelt.
Das Heer und seine Soldaten agieren in vielen Ländern der Welt. Ob multinationale Übungen, Ausbildungen oder auch Veranstaltungen – Soldaten des Heeres sind fast rund um die Welt unterwegs. Wie kommen Sie in solchen Fällen an Fotos?
Ich bin ja nicht der einzige Fotograf im Heer. Wir pflegen ein Netzwerk mit Fotografen aus den Verbänden und verteilen so die Arbeit auf mehrere Schultern. Aber wo immer es geht, bin ich selbst dabei. So können sich Termine auch über mehrere Wochen hinziehen – sehr zum Leidwesen meiner Familie. Nicht immer sind es aber Termine, die so viel Spaß machen wie eine große Übung im Ausland. Mit einem kleinen Team bestehend aus Textredakteur, Fotograf und Videoredakteur begleiteten wir im Herbst 2018 die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Übung Trident Juncture. Über acht Wochen lang waren wir bei der Truppe. Mit dabei: die Schwimmschnellbrücken Amphibie M3 des Panzerpionierbataillons 130. Es ist immer wieder beeindruckend, wie schnell die Pioniere mit ihren Amphibien eine Brücke über Gewässer zusammenfahren oder im Fährbetrieb die Truppe übersetzt wird. Wenn die Fähre dabei so schön im morgendlichen Nebel fährt, muss man einfach abdrücken.
Sie sehen den Truppenalltag für einen sehr großen Teil Ihrer Dienstzeit durch den Sucher Ihrer Kamera. Eine zeitaufwendige und stets Aufmerksamkeit abfordernde Aufgabe. Als abschließende Frage: Gibt es Momente, in denen Sie die Kamera gern mal in die Ecke legen würden?
Ja, wenn Termine noch vor dem Aufstehen liegen. Schlaf ist mir wichtig und ich bin kein Frühaufsteher. Meine Laune am frühen Morgen ist dementsprechend und kann nur durch ein besonderes Motiv angehoben werden. So war es dann auch in Rumänien während der Übung Saber Guardian. Das Tückische an Trainingsabschnitten wie in diesem Fall dem Gewässerübergang: Sie laufen natürlich nicht am Tag bei schönstem Sonnenschein, sondern in der Regel nachts oder in den frühen Morgenstunden. Das Faltstraßengerät, das mit seiner ablegbaren Fahrbahn die Anlegestelle befestigt, rollte früh um kurz vor zwei Uhr an das Ufer. Das einzige Licht, das mir zur Verfügung stand: etwas Mondschein und eine rote Taschenlampe des Einweisers. Bei Belichtungszeiten um die zehn Sekunden musste ich den Moment abwarten, in dem der Bediener der Taschenlampe in seiner Stellung verharrt, um keine Bewegungsunschärfe im Bild zu haben. Obwohl ich um meinen Schlaf gebracht wurde, war das dann doch noch ein guter Start in den Tag.
Den Wunsch, die Kamera in die Ecke zu legen, gibt es nicht. Ich fotografiere seit knapp dreißig Jahren und sehe auch ohne Kamera in der Hand überall Motive. Da ärgere ich mich höchstens, wenn ich keine dabeihabe. Sicherlich gibt es schwierige Momente, aber in denen heißt es dann: Zähne zusammenbeißen. Die Männer und Frauen vor der Kamera geben in ihrem täglichen Dienst alles. Wenn ich mit dabei sein und gute Fotos machen darf, ist das ein super Gefühl. Und der Dank der Soldaten und ihr Urteil „cool“, wenn sie nach der Arbeit ihre Fotos sehen, ist tägliche Motivation für uns Fotografen in Uniform.