Militärdekan bei den Spezialkräften
Militärdekan bei den Spezialkräften
- Datum:
- Ort:
- Calw
- Lesedauer:
- 6 MIN
Kommandosoldaten sind für anspruchsvolle Belastungen ausgebildet. Zugleich braucht jeder dieser Soldaten einen Ausgleich zum harten Alltag und die Möglichkeit, seine Erlebnisse, ob Stress, Freude oder auch Trauer, mit anderen zu teilen. Der Militärdekan Michael S. unterstützt die Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSKKommando Spezialkräfte), damit sie jede Herausforderung meistern können und belastbar bleiben. Er hat für sie immer ein offenes Ohr.
Wir sitzen im Ruheraum am Standort Calw, ein Rückzugsort. Eingerichtet in demselben Gebäude, in dem die Soldaten auch ihre Mahlzeiten einnehmen und gemeinsam Zeit verbringen können. Hier finden sie Stille und können für einige Minuten verweilen. Der lichtdurchflutete, hohe Raum ist mit einem schlichten, mit etwas Kunst und ein paar Kerzen geschmückten Altar ausgestattet. In der Ecke steht ein schwarzes Klavier für die Musik.
Hier treffen wir Pfarrer Michael S. Er trägt Outdoorkleidung, funktional und einfach. Er ist der evangelische Militärdekan beim KSKKommando Spezialkräfte in Calw. Seit 13 Jahren ist er hier eingesetzt. „Aber Pfarrer bei den Spezialkräften zu sein, heißt nicht nur, am Standort für die Menschen da zu sein, sondern auch in den Einsätzen, in Krisengebieten oder auf Übungen in der ganzen Welt“, sagt Michael S.
Ethische und alltägliche Fragen
Sein Auftrag ist deshalb vielfältig. Kein Tag gleicht dem anderen. Er führt Gespräche mit den Soldatinnen und Soldaten im Dienst, leistet Seelsorge, hält mit ihnen die Sakramente, Gottesdienste und diskutiert mit Menschen im lebenskundlichen Unterricht. „Hier geht es um Wissensbildung, um ethische Verantwortung, denn Gewissen braucht Wissen. Es sind aber neben den tiefgreifenden ethischen Fragen auch gewöhnliche Dinge. Die Leute kennen mich und kommen auf mich zu mit ihren alltäglichen Fragen: Ich will mein Kind taufen lassen. Ich bin aber gar nicht in der Kirche, geht das? Manche Soldaten wollen sich auch einfach nur mal kurz ausklinken und einen Kaffee trinken.“ Auf der anderen Seite sei es ganz wichtig, dass man sich auf die Leute zubewege. „Ich bin viel im Büro, aber in jeder freien Zeit sehe ich zu, dass ich wirklich durch die Kaserne gehe. Militärseelsorge lebt von kurzen Wegen und dass man den Pfarrer kennt.“ Gemeinsam mit dem Sanitätszentrum, dem Truppenpsychologen und weiterem speziell dafür geschulten Personal engagiert sich Michael S. im psychosozialen Netzwerk der Bundeswehr für die psychische Gesundheit der Soldaten.
Neben der Begleitung der Soldaten in die Auslandseinsätze kümmert sich Michael S. um deren Angehörigen. „Die Hälfte des Jahres bin ich nicht am Standort, organisiere Rüstzeiten, also christliche Freizeitveranstaltungen, Konvente und Familienwochenenden mit den Frauen und den Kindern, damit die Familien ihre eigenen Netze knüpfen und kommunizieren können. Wir sorgen dafür, dass die Leute sich verbinden.“
Seelsorge im Team
Neben den Beratungen und Lehrtätigkeiten hat der Pfarrer verwaltungstechnische Aufgaben zu erledigen. Dabei ist er jedoch nicht allein, sondern kann sich auf sein Team verlassen: „Das Gute ist, dass die Militärseelsorge im Team arbeitet. Das heißt, jede Militärpfarrerin und jeder Militärpfarrer hat einen Pfarrhelfer oder eine Pfarrhelferin an der Seite. Der Pfarrhelfer ist nicht der Sekretär des Pfarrers. Die Kollegen haben neben der administrativen eine diakonische Ausbildung. Zudem gibt es neben mir als evangelischen Pfarrer noch einen katholischen Pfarrer.“
Beim Kommando Spezialkräfte müsse man flexibel und immer darauf gefasst sein, dass sich der Tagesablauf kurzzeitig ändern könnte, so der Pfarrer. „Plötzlich werde ich dann gerufen oder noch ein Gespräch ist wichtig. Jeder Tag ist anders, Langeweile kommt nicht auf“, sagt S. lächelnd.
Besondere Nöte erfordern besondere Hilfe
Vor seiner Zeit in Calw war Michael S. fünf Jahre lang in der damaligen Panzertruppenschule Munster eingesetzt. „Diese Zeit war auch durch Lehrtätigkeit geprägt. Doch die Themen Einsatzbegleitung, Einsatznachbegleitung, Präventivunterricht spielten in Munster keine so große Rolle. Denn die Soldaten dort sind nur alle Jahre mal in den Einsatz gegangen. Hier im KSKKommando Spezialkräfte ist es anders. Hier ist jedes Jahr Dauerrotation. Ein KSKKommando Spezialkräfte-Soldat ist schon viel weniger zu Hause als der normale Truppensoldat.“ Daher gebe es besondere Nöte und Anfragen. Das erfordere dann andere diakonische, seelsorgliche und kirchliche Schwerpunkte, auch bei der Arbeit mit den Familien, vergleicht Michael S.
Besonders ausgebildet, wie die Kommandosoldaten vom KSKKommando Spezialkräfte, ist er aber nicht: „Als Pfarrer macht man den 90/5er, das heißt die ärztlichen Tauglichkeitsuntersuchungen und die ganzen Impfungen mit. Man kann natürlich Übungen der Kommandosoldaten begleiten oder im Gelände dabei sein. Eine KSKKommando Spezialkräfte-Ausbildung für uns gibt es aber nicht. Ich bin Seelsorger und kein Kommandosoldat. Da muss man die Kirche im Dorf lassen.“ Er müsse aber geistlich, geistig und körperlich fit sein und dürfe der Truppe nicht zum Ballast werden. Denn die Bedingungen in den Einsätzen seien mitunter recht rustikal. „Ich finde, als Pfarrer sollte man sich im Laufe der Jahre ein profundes und gutes Wissen über die Spezialkräfte aneignen, weil es bei diesem Verband schon große Unterschiede zur normalen Truppe gibt“, so der Militärdekan.
Brücken ins zivile Leben
Beim KSKKommando Spezialkräfte hat sich Michael S. nicht beworben. „In den Jahren in Munster war ich zweimal in Afghanistan im Einsatz, in Kabul und in Kundus. Nach dem letzten Einsatz bin ich vom Militärischen Kirchenamt in Berlin gefragt worden, ob ich mir das vorstellen könnte, mit meiner Familie umzuziehen. Da wurde gerade die Stelle in Calw frei. Dann haben meine Familie und ich uns alles angeschaut und seitdem bin ich hier.“
Der Geistliche stützt in Calw aber nicht nur die sozialen Verbindungen der Soldatinnen und Soldaten untereinander und deren Familie, sondern auch nach außen ins zivile Leben auf lokaler Ebene. „Es gibt immer mal wieder Empfänge, beispielsweise zu Neujahr oder zu Weihnachten. Da gehen wir auf die Gemeinden und Bürger in den Dörfern zu. Wir laden gern Vertreter der Stadt ein. Es gibt Gedenktage oder wir feiern gemeinsam den Volkstrauertag oder Gottesdienste, unten in Calw an der Marktkirche. So stärken wir Verbindungen. Man muss aber berücksichtigen, dass Calw nun mal Calw ist. Wir sind eben bei den Spezialkräften und müssen die Geheimhaltung zum Schutz der Soldaten und ihrer Familien respektieren.“
In Zwiesprache mit Gott
Und wer ist für den Pfarrer da, wenn er einmal Hilfe braucht? „Ich gehöre zum Südkonvent der Militärseelsorger in Bayern und Baden-Württemberg. Es gibt gute Kollegen, mit denen ich im Gespräch bin, denen ich natürlich, wenn ich in Calw bin, nicht alles sagen kann, aber die es verstehen, was ich hier mache“, erklärt Michael S. Er ist davon überzeugt, dass es notwendig ist, selbst ein ruhiges und tiefes Gebetsleben zu haben. Und er fährt fort: „Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen fromm, aber man sollte sich selbst hin und wieder zurückziehen und Zwiesprache mit Gott halten.“ Eine intakte Familie sei auch eine starke Stütze. „Und es ist gut als Pfarrer, ein, zwei Menschen zu haben, die sonst nichts mit Militär zu tun haben, die aber ebenfalls unter dem Beichtgeheimnis stehen. So kann man sich helfen, wenn man mal sagt: Jetzt muss ich selbst mal reden.“