Heeresbergführer – Voran für die Truppe
Heeresbergführer – Voran für die Truppe
- Datum:
- Ort:
- Bad Reichenhall
- Lesedauer:
- 6 MIN
Mit Skiern geht es in der Früh weit nach oben zum verschneiten Schrecksattel. Wir sind mitten in den imposanten Berchtesgadener Alpen. Der Truppe voraus legt Hauptfeldwebel Sebastian Schrenker eine schmale Spur in die frische Schneedecke. Später werden ihm die Soldatinnen und Soldaten auf seinem Weg folgen.
Schrenker ist Zugführer bei den Gebirgsjägern im Gebirgsjägerbataillon 231 in Bad Reichenhall. Der gebürtige Bayer ist in seinem 12. Dienstjahr und Heeresbergführer. Was bedeutet es, Heeresbergführer bei den Gebirgsjägern zu sein und was sollte man mitbringen, um die fordernde Ausbildung zu meistern? Am verschneiten Schrecksattel auf gut 1.500 Meter Höhe erfahren wir mehr.
Warum bist du Heeresbergführer geworden?
Hauptfeldwebel Sebastian Schrenker: Damals, als ich zur Bundeswehr gekommen bin, war es in meinen Augen die größte Herausforderung, bei den Gebirgsjägern zu dienen. Und somit war das für mich schon immer ein Traum. Ich wollte auch unbedingt an dieser fordernden Ausbildung zum Heeresbergführer teilnehmen. Allein schon die Landschaftseindrücke, die man während der Ausbildung hat, waren für mich ein Grund, diesen Weg zu beschreiten. Wenn man auf dem Gipfel des Montblanc steht und das Panorama sieht, dann denkt man sich schon: Okay, die Strapazen haben sich gelohnt. Der Aufstieg zum Gipfel dauerte drei Tage.
Welche Eigenschaften muss ein Heeresbergführer mitbringen?
Ich denke, man braucht einen besonders starken Willen. Jeder hat irgendwo Schwächen, an denen gilt es zu arbeiten. Das funktioniert nicht in ein, zwei Wochen, sondern man muss über die Jahre hinweg motiviert bleiben. Es gibt immer irgendwelche Rückschläge von Verletzungen oder weil der Ausbilder sagt: „Du kannst es nicht.“ Am Ende ist der Wille ausschlaggebend.
Wie läuft die Ausbildung ab?
Als angehender Heeresbergführer wurde ich zunächst in ein Anwärterprogramm aufgenommen. Man wird im Bataillon gesichtet, meldet sich beim Zugführer oder beim Kompaniechef und sagt: „Ich möchte Heeresbergführer werden.“ Dann gibt es einen direkten Verantwortlichen im Bataillon, das ist der Hochzugführer. Der schaut sich den Interessenten zunächst an und sagt dann, okay, der eignet sich als Anwärter oder nicht. Schließlich entscheidet der Disziplinarvorgesetzte über Ja oder Nein.
Einheitliche Vorausbildung
Wenn der Schritt befürwortet wird, wird man in das Anwärterprogramm aufgenommen. Alle Bergführeranwärter der Bundesrepublik Deutschland sammeln sich hier. Das bedeutet, es gibt für alle eine möglichst einheitliche Vorausbildung. Da werden schon einmal die Ausbildungsabschnitte vom Heeresbergführer angebrütet. Aus meiner Erfahrung heraus ist es sinnvoll, daran teilzunehmen, weil man gemeinsam in die Dolomiten oder nach Italien auf Skihochtouren geht. Es wäre sonst wahnsinnig kostspielig, wenn die Anwärter das in einer individuellen Vorbereitungszeit aus ihrer eigenen Tasche zahlen müssten. Auf dem Bergführerlehrgang wird vorausgesetzt, dass wir diese Erfahrungen schon mitbringen. Und dementsprechend ist das Anwärterprogramm fast schon essenziell. Es ist nicht zwingend Voraussetzung, aber es spielt jedem Anwärter in die Karten. Beim Heeresbergführerlehrgang geht es nicht darum, das persönliche Können auf ein hohes Level zu bekommen. Das muss man im eigenen Bereich machen und in die Kletterhalle gehen oder kurz an den Felsen.
Wie lange dauert die Ausbildung zum Heeresbergführer insgesamt?
Von der ersten Weiterbildung bis hin zum fertig ausgebildeten Heeresbergführer sind knapp drei Jahre vergangen. Die Ausbildung verläuft in zwei bis drei Wochenabschnitten, in denen Touren durchgeführt werden. Um die Ausbildung zum Heeresbergführer anzutreten, braucht man eine gewisse Restdienstzeit. Ich habe um zwei Jahre verlängert, weil meine Restdienstzeit nicht ausgereicht hätte. Es hat sich absolut rentiert. Ich habe bei der Ausbildung Bilder mitgenommen, die kann einem keiner mehr nehmen.
Was ist deine Rolle als Heeresbergführer in der Kompanie?
Unser Hauptauftrag ist es, die Truppe in schwierigem Gelände zu verbringen. Wir schätzen ein, ist der Weg überhaupt machbar für die Truppe? Wenn ja, machen wir das Gelände gangbar. Im Sommer teilen wir die Trupps vom Hochgebirgsjägerzug ein, beispielsweise um Seilgeländer anzulegen. Im Winter schätzen wir, wie hier auf dem Schrecksattel, die Lawinengefahr ein. Ist der Weg gangbar für die Truppe? Wenn ja, legt man die Spur rein, damit am Ende alles passt für die Truppe. Vielleicht verbessert man die Spur nochmal oder man legt zusätzlich ein Seil rein. Als Heeresbergführer haben wir erweiterte Kompetenzen, wie auch im Bereich der Rettungsmaßnahmen, die zusätzlich noch auf dem Lehrgang ausgebildet werden. Dazu zählt, einen Helikopterpiloten vom Boden aus einweisen zu können. Wir können Lawinenfelder sprengen. Warum? Früher, im Kosovo-Einsatz zum Beispiel, herrschte extreme Lawinengefahr in den Bergen. Wenn die Truppe einen bestimmten Weg nehmen musste, haben Heeresbergführer Lawinenfelder gesprengt und die Lage dadurch entschärft. Wir sind zudem auch die Ausbilder unserer Ausbilder. Die Heereshochgebirgsspezialisten der Gebirgsjäger müssen ja auch ausgebildet werden. Sie erwarten natürlich ein gewisses Level von uns und wir wollen ihnen auch etwas bieten.
Wie sind die Level der Spezialisierung für einen Gebirgsjäger?
Zunächst gibt es den ausgebildeten Gebirgsjäger, der die Dienstpostenausbildung abgeschlossen hat. Dann gibt es für die Mannschaftsdienstgrade die Option mit dem Hochgebirgsjägerzug. Kompanieintern können Soldaten des Hochgebirgstrupps – das heißt, auf Ebene der Mannschaften – einen Bergrettungslehrgang Sommer und Winter absolvieren. Das wäre dann die nächste Stufe. Auf Dienstgradebene ab Feldwebel kommt dann der Heereshochgebirgsspezialist mit einem Sommer- und einem Winterteil. Und dann kommt schon der Heeresbergführer.
Was war in bislang zwölf Dienstjahren dein schönstes Erlebnis?
Auf dem Heeresbergführer-Lehrgang beispielsweise gab es viele schöne Momente. Man muss schon sagen, dass die Momente aber ein wenig getrübt waren durch den hohen Prüfungsdruck, der schon ständig auf einem lastet. Selbst wenn man jetzt nicht der eingeteilte Führer an dem Tag war, wusste man: Okay, am nächsten Tag kommt jetzt die nächste Prüfung. Da ist man schon in Gedanken bei der Prüfung. Das ist natürlich personenabhängig.
Wie muss ich mich beispielsweise auf einen Gebirgsleistungsmarsch vorbereiten?
Grundlagenausdauertraining ist wichtig. Zwischen einer und drei Stunden im unteren Pulsbereich solltet ihr trainieren. Viele machen den Fehler, dass sie mit einem zu hohen Puls trainieren. Wenn sie laufen gehen, denken sie, okay, jetzt gebe ich Vollgas. Das ist oft ein Fehler im Ausdauersport. Ich schaue lieber, dass ich langsam laufe, weil ich dann auch mehr den Fettstoffwechsel trainiere, damit ich in der Belastungsphase beim Aufstieg nicht primär die Kohlenhydrate, den schnell verfügbaren Zucker, verbrenne, sondern auch die Fette im Körper nutze, die am meisten Energie liefern. Der Kohlenhydratspeicher eines Menschen liegt bei circa 2.500 Kilokalorien. Fettstoffe dagegen sind viel mehr im Körper vorhanden. Das Training ist ein wenig abgeleitet vom Ironman-Training, wo Teilnehmer acht bis neun Stunden Vollgas geben müssen. Der untere Pulsbereich liegt dabei sehr individuell, maximal im Durchschnitt von 140 Schlägen pro Minute. Wenn ich schnell laufen will, mache ich lieber Intervalltraining. Zusätzlich bietet sich im Fitnessstudio der Bundeswehr das Ergometer an, weil es ganz grob dieses stetige nach oben Gehen imitiert, wie beim Treppensteigen. Eine gute Ernährung sollte nicht fehlen.
Gut zu wissen: Seit Sommer 1958 haben insgesamt mehr als 400 Soldatinnen und Soldaten die fordernde Ausbildung zum Heeresbergführer durchlaufen. Fast 80 Heeresbergführer sind zurzeit in der Gebirgsjägerbrigade 23 tätig und bilden den alpinen Kader der einzigen Gebirgsjägerbrigade der Bundeswehr.