Grat(d)wanderung zum Offizier – Teil 1
Grat(d)wanderung zum Offizier – Teil 1
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 5 MIN
Fahnenjunker Andreas Geyer hat bereits ein Berufsleben als Soldat hinter sich. Er wird zum Panzergrenadier ausgebildet, dient acht Jahre und nimmt eine kurze zivile Auszeit. Er kehrt zur Bundeswehr zurück und will nun Offizier werden. Seine Ausbildung beginnt von vorn inklusive Grundausbildung. Wir haben den 27-Jährigen getroffen und mit ihm über seinen Laufbahnwechsel und seinen neuen Berufsweg gesprochen. Wir blicken zurück.
Vor gut 10 Jahren, im Oktober 2011, beginnt der damals 17-Jährige in der Grundausbildungskompanie bei der Jägertruppe in Idar-Oberstein. Nach der gemischten Grundausbildung, also gemeinsam mit vielen Kameradinnen und Kameraden aus anderen Bereichen der Bundeswehr, geht es drei Monate später zum Panzergrenadierbataillon 122 ins bayerische Oberviechtach. Hier wird der junge Mannschaftssoldat zum Panzergrenadier ausgebildet. Er durchläuft eine Vielzahl an Dienstpostenausbildungen, zuerst als Richtschütze auf dem Schützenpanzer Marder, dann zum Einsatzersthelfer Bravo und zum Funkgerätebediener und später erwirbt er diverse Führerscheine für gepanzerte Rad- und Kettenfahrzeuge. Als bewährter, junger Grenadier gehört Geyer zu denen, die als Schützentrupp vom Schützenpanzer Marder absitzen und mit ihrem Gewehr in der Hand kämpfen. Dann wird der pfiffige Soldat im Zugtrupp als Nahsicherer und Zugfunker eingesetzt, erst beim Zugführer, später eine Ebene höher beim Kompaniechef. Hier ist er ganz nah an der Taktikausarbeitung. Er trägt Verantwortung, entscheidet und führt Menschen. Nach einer kurzen Auszeit als Zivilist reift 2019 in ihm eine Entscheidung. Andreas Geyer möchte wieder zurück in die Bundeswehr. Diesmal möchte er in eine höhere Laufbahn wechseln – er will Offizier werden.
Mit Leib und Seele Panzergrenadier
„Grenadier zu werden, war mein Wunsch. Die Aufgaben der Grenadiere fand ich interessant und vielseitig“, erklärt Geyer sein Interesse. Ihn hätten die Grenadiere als Teil der Panzertruppen immer schon fasziniert, weil sie mit ihrem Schützenpanzer ausgestattet, mechanisiert seien, aber auch viele weitere Fähigkeiten mit sich brächten. „Sie müssen den aufgesessenen Kampf mit ihrem Schützenpanzer genauso beherrschen, wie den abgesessenen Kampf zu Fuß durch den Wald. Für mich hat sich in Oberviechtach damals bestätigt: Es ist eine unglaublich vielseitige Truppengattung, sehr komplex, in ihren Aufgaben sehr anspruchsvoll und mit einer Vielzahl an Verwendungen und Herausforderungen“, blickt der Soldat zurück. Vom Kraftfahrer über den Richtschützen bis hin zum abgesessenen Soldaten – hier könne jeder seine Nische finden, die zu ihm passt. Dann, später als Offizier das alles zu beherrschen, das sei jetzt sein Ziel.
Abitur oder Einsatz?
Als Andreas Geyer damals in die Truppe kommt, hatte er den Wunsch, eines Tages Offizier zu werden, noch nicht. „Dafür hatte ich auch noch gar nicht die geforderten schulischen Qualifikationen. Die haben sich dann erst während der Lehrgangsmaßnahmen in meiner aktiven Laufzeit ergeben, als ich beschloss, das Fachabitur nachzuholen.“ 2016 kommt für Geyer und seine Kameraden relativ kurzfristig die Nachricht: Das Panzergrenadierbataillon 122 stellt die erste Rotation für die enhanced Forward Presence Mission (eFPenhanced Forward Presence) in Litauen, die gerade von der NATONorth Atlantic Treaty Organization beschlossene Beistandsinitiative an der Ostflanke des Bündnisses. Für viele Soldatinnen und Soldaten ist der Einsatz der militärische Höhepunkt in der eigenen Dienstzeit. Teils jahrelange Ausbildung und intensives Vorbereiten, oft gemeinsam mit dem eingespielten Kameradenkreis stehen an, bevor ein deutscher Soldat in den Einsatz gesandt wird. Für Fahnenjunker Geyer ist der Einsatz ein Höhepunkt.
Als Funker nah beim Chef
Gleich in der ersten Rotation soll er dabei sein. Aber würde das Abitur auch neben einem Einsatz gelingen? Aus der Sicht des Grenadiers wäre dies nicht einfach und er entschließt sich zunächst für den Einsatz und gegen das Abitur. „Das Abitur zu machen, hätte für mich viel Selbststudium bedeutet. Das wäre so im Einsatz nicht mehr möglich gewesen. Ich wusste aber, dass ich auf jeden Fall mitgehen wollte.“ Als erste Rotation sind Geyer und seine Kameraden zunächst quasi Pioniere vor Ort. Für sie ist es ein arbeitsintensiver Einsatz ohne Routine. Vorarbeiten von Vorgängern, auf die sie hätten zurückgreifen können, gibt es nicht. Dann, in Litauen, ergibt sich eine neue Perspektive. Auf dem Schützenpanzer Marder des Chefs wird Geyer als Nahsicherer und Kompaniefunker eingesetzt. Während dieser Zeit gelangt der Soldat an Informationen und Einblicke auf einer ganz anderen Ebene. Beispielsweise nimmt er an den Befehlsausgaben teil und erhält so einen Einblick in die Gefechts- und Operationsführung. Als Funker, direkt beim Chef, hört er den ganzen Tag den Funkverkehr: „Ich konnte dadurch sehen, warum wir das machen, was ich jahrelang zuvor als Soldat gemacht habe.“ Dann, erst nach der Rückkehr aus Litauen, legt Geyer 2019 sein Fachabitur an der Bundeswehrfachschule München ab: „Heute bin ich froh, dass es diese Möglichkeit gab.“
Starke Vorbilder
Für Andreas Geyer persönlich seien prägende Vorbilder maßgeblich bei der Gestaltung eigener Wünsche und Pläne gewesen: „Ich hatte, finde ich, Glück mit meinen militärischen Vorgesetzten – meinem Zugführer und meinem Kompaniechef. Sie haben unglaublich gut vermittelt, warum Dinge so gemacht werden und gemacht werden müssen. Und sie haben ihr Wissen nicht exklusiv für sich behalten. Von ihnen konnte ich viel lernen“, betont Geyer. Ein Kompaniechef trägt viel Verantwortung. Er führt als Offizier drei Züge mit jeweils vier Gefechtsfahrzeugen inklusive der abgesessenen Kräfte pro Fahrzeug. Hinzu kommen die Unterstützungskräfte – eine Herausforderung. „Gerade diese vielen neuen Einblicke in den sechs Jahren Dienstzeit bestärkten mich darin, zu sagen: Da möchte ich hin, diesen Dienstposten möchte ich auch einmal bekleiden. Das ist unglaublich komplex, das ist eine riesengroße Aufgabe.“
Wie viel nutzen acht Dienstjahre Erfahrung?
Seit Beginn der ersten eFPenhanced Forward Presence-Rotation sind fünf Jahre vergangen. Die Bundeswehr hat einen Wandel durchlebt und legt den Schwerpunkt wieder merklich auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Geyer erinnern die vielen Neuerungen in der Truppe an seine Zeit in Litauen: „Meine Kameraden und ich hatten mit Litauen eigentlich zusammen das große Los gezogen, weil wir all diese Sachen, die freilaufenden Übungen mit viel Truppe, die räumliche Ausdehnung, das hatten wir schon mal live gesehen.“ Für ihn steht fest: „Auf Bataillonsebene eine solche Übung mal gesehen zu haben, mit allen Kräften, die dazugehören: Das sind genau die Bilder, von denen oft die Rede ist, die man in seiner Dienstzeit einfach sammeln muss.“ Der Grenadier durchläuft derzeit die neu gestaltete Offizierausbildung, die viel spezifischer an die Truppengattungen geknüpft ist als vor noch ein paar Jahren: „Ich habe mich bewusst dazu entschieden, Grenadier zu bleiben. Auch, weil ich bereits Berufserfahrung habe in diesem Bereich.“ Die vielen Eindrücke aus seiner Vordienstzeit habe er natürlich verwerten können. Besonders ungewöhnlich ist dies für Außenstehende gerade mit Blick auf den Neuanfang.
Im zweiten Teil über den Laufbahnwechsel von Andreas Geyer lesen Sie, wie der Panzergrenadier erneut die Grundausbildung absolviert, sein Studium beginnt und erfolgreich ist.