Gute Vorbereitung fängt im Kopf an
Gute Vorbereitung fängt im Kopf an
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
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Soldatinnen und Soldaten müssen vorbereitet sein, wenn sie in den Auslandseinsatz gehen, sowohl mental als auch körperlich. Eine gute Ausbildung ist entscheidend. Aber auch jeder selbst sollte sich gedanklich auf Extremsituationen einstellen. Oberstleutnant Jörn Deigner berichtet, wie er sich auf seinen Afghanistaneinsatz 2009 vorbereitet hat, der ihm alles abverlangte.
Wie haben Sie sich persönlich auf den Einsatz vorbereitet?
Oberstleutnant Deigner: Bei meiner persönlichen Vorbereitung habe ich vor allem mit meiner Familie gesprochen. Ich habe offen darüber geredet, was der Einsatz im Zweifelsfall bedeuten kann, welche Konsequenzen er haben könnte. Das Organisatorische habe ich selbst in die Hand genommen, wie zum Beispiel Patientenverfügung, Vollmachten, Testament – einfach um sagen zu können: Zu Hause habe ich alles geregelt, egal was passiert.
Militärisch gesehen bin ich der Meinung, dass wir uns nicht besser hätten vorbereiten können. Dadurch, dass wir bereits 2008 die Bereitschaftsphase für die European Battlegroup hatten. Mit zwei Kompanien des Verbandes haben wir schon damals viel ausgebildet und geübt.
In der Vorbereitung mussten wir mit folgenden Bedrohungen rechnen: Raketenangriffe auf das Lager, improvisierte Sprengfallen (IEDImprovised Explosive Device) und Hit-and-Run-Taktiken des Feindes. Letzteres bedeutet: Wenige Feinde sitzen irgendwo in Stellung, schießen auf einen Konvoi und hauen dann ab. Sie suchen nicht unbedingt das offensive Gefecht, sondern wollen eher einen Glückstreffer landen. Das war am Anfang des Einsatzes auch tatsächlich dann so, wie wir es zunächst angenommen und ausgebildet hatten. Aber nicht nur diese Szenarien waren Teil der Ausbildung. Wir sind dort immer vom Schlimmsten ausgegangen.
Jeder hat damals auf seiner Führungsebene seine Tätigkeit beherrscht. Das bedeutete: Vom Maschinengewehrschützen bis hin zum Zugführer konnte jeder sein Handwerkszeug. Das war später in Gefechtssituationen unglaublich wichtig. Da waren keine Soldaten mehr dabei, die in solchen Stresssituationen nicht mehr wussten, was sie machen sollen. Jeder hat so reagiert, wie wir es zuvor ausgebildet hatten. Das lief quasi automatisch, ohne dass es ihnen jemand extra befehlen musste.
Ich persönlich habe versucht, mir auszumalen, was auf mich zukommen könnte. Wie es dann in der Realität tatsächlich ist, habe ich natürlich erst erfahren, als es dann so weit war. Ich behaupte mal, dass kein Soldat zu einhundert Prozent weiß, wie er reagiert, wenn er beschossen wird oder wenn er selbst auf jemanden schießen muss. Man kann das trainieren. Man kann sich darüber Gedanken machen. Man kann sagen, ich bin charakterlich gefestigt. Aber wie man dann tatsächlich reagiert, dass kann keiner voraussagen. Erst wenn es so weit ist, weiß man es dann – zu einhundert Prozent.
Überraschungen im Verhalten kann man meiner Meinung nach nur minimieren, mit einer fordernden Ausbildung, mit einer Wiederholung der Ausbildung, Wiederholung einzelner Abschnitte, bis hin zum Drill. Nur dann ist es auch in Extremsituationen so, dass wir automatisch reagieren, nicht nachdenken und somit funktionieren. Dann und nur dann funktioniert jeder in seinem Aufgabengebiet und auf seiner Führungsebene. Automatismus erreiche ich nicht, wenn ich einen Ausbildungsabschnitt zwei Mal durchlaufe oder immer nur im Warmen, bei Sonnenschein und bitte nur, wenn jeder auch ausgeschlafen ist. Das funktioniert nicht. Das alles geht nur unter Belastung, unter schwierigen Bedingungen und jeder muss seinen Job beherrschen.
Wie bringen Sie jetzt als stellvertretender Bataillonskommandeur Ihre Erfahrungen aus Afghanistan in die Vorbereitungen Ihres Verbandes für einen Auslandseinsatz ein?
Zunächst muss ich sagen, dass meine Erfahrungen inzwischen schon mehr als zehn Jahre alt sind. Man muss das aus meiner Sicht auch ein Stück weit differenzieren. Zum einen ist die Lage in den Einsätzen eine andere als noch vor zehn Jahren. Unser Verband geht jetzt nach Mali. Das ist ein völlig anderes Einsatzland. Die Aufträge unterscheiden sich deutlich. Auch die Bedrohungslagen sind teilweise doch anders. Das heißt aber nicht, sie wären weniger gefährlich, sie sind halt anders gefährlich. Hier kommt meine Erfahrung eher nicht zum Tragen. Die einzige Erfahrung, die ich einbringen kann, ist die Erkenntnis, dass man gewisse Ausbildungsabschnitte beherrschen muss, um nachher zu funktionieren. Die Ausbildung und vor allem deren Umfang, damit bereite ich mich und meine Soldaten ja vor.
Zeitlos, unabhängig von Land und von der Art des Einsatzes ist tatsächlich der Umgang mit Tod und Verwundung. Ich denke, hier kann und muss man sich auch ein Stück weit vorbereiten, um halt im Ernstfall schnell und korrekt zu handeln. Auch für diejenigen, die in der Heimat bleiben, ist das wichtig. Da geht es darum, Reaktions- und Alarmmaßnahmen so vorzubereiten, dass im Prinzip alles steht und man im Fall der Fälle darauf zurückgreifen kann. Dann weiß auch jeder in der Heimat, wen er anzurufen hat, wem er was zu melden hat. Wer tut was, wann und wozu? Das muss vorher klar sein.