„Die Bundeswehr hat tolle Geschichten zu erzählen“
„Die Bundeswehr hat tolle Geschichten zu erzählen“
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 7 MIN
Der Dienstalltag von Stabsunteroffizier Robert Wandelt ist wohl einer der abwechslungsreichsten, den die Bundeswehr zu bieten hat. Mit Kamera und Mikro bewaffnet, nimmt er als Videoredakteur an zahlreichen nationalen und internationalen Großübungen teil, trifft Minister und Generale oder liegt mit den Infanteristen im Schlamm.
Als Gesicht des bekannten Bundeswehr YouTube Formates „Auf Stube“ ist Wandelt bei der Truppe bekannt und beliebt. Seit vielen Jahren gehört er zum Presse- und Informationszentrum (PIZ) des Heeres. Er hat es geschafft, seiner großen Leidenschaft, dem Drehen und Produzieren von Videos, jeden Tag als Soldat nachzugehen. Wie er das erreicht hat und auf welche einzigartigen und prägenden Erlebnisse er in den letzten Jahren zurückblickt, erzählt Wandelt im Interview.
Hallo Robert, bitte stell Dich einmal kurz vor und erzähle, wie Du den Weg zur Bundeswehr gefunden hast?
Ich bin 31 Jahre alt und gebürtiger Berliner. Nach meinem Realschulabschluss 2005 habe ich eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme gemacht und mich anschließend als Soldat auf Zeit verpflichtet. Schon in der Schulzeit war es mein Wunsch, später einmal zur Bundeswehr zu gehen. Ich wollte immer einen Job haben, der abwechslungsreich und herausfordernd ist und in dem ich etwas bewirken kann. So begann ich 2008 meine Laufbahn als Luftfahrzeugelektronik-Unteroffizier.
Das klingt spannend. Wo hast Du Deinen Dienst verrichtet?
Die erste Zeit war natürlich von der Grundausbildung und zahlreichen Fachlehrgängen im Bereich Technik geprägt. Meine militärische Heimat ist die 3. Lufttransportstaffel der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung in Berlin. Hier habe ich auch den Grundstein für meine spätere Karriere als Videoredakteur gelegt.
Wie kam es dazu?
Da ich bereits privat großes Interesse am Filmen und Fotografieren hatte, brachte ich meine Ideen dann auch bei meinen Vorgesetzten an. Meine Einheit in Tegel war Schauplatz für fast alle Staatsbesuche des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin und der Verteidigungsministerin. Nach Absprache mit dem Protokoll der Flugbereitschaft durfte ich die zahlreichen Events mit der Videokamera festhalten. Damals dienten die Aufnahmen noch als Materialsammlungen für Chroniken zum Beispiel. Irgendwann bat mich das Auswärtige Amt, ein Ausbildungsvideo zu produzieren, das die Abläufe des Protokolls am Flughafen Tegel zeigt. Fast eine Woche arbeitete ich an diesem Video. Es wird vom Auswärtigen Amt bis heute zu Ausbildungszwecken genutzt. Ab dem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass ich bei der Bundeswehr meiner Leidenschaft für das Bewegtbild aktiv nachgehen, große und kleine Erlebnisse mit Soldaten in Bildern festhalten wollte.
Was geschah danach?
Nachdem ich einige Praktika bei verschiedenen Fachmedienzentren der Bundeswehr absolviert hatte, bewarb ich mich 2015 bei der Redaktion der Bundeswehr in Berlin. Sie wurde gerade neu aufgestellt. Allerdings konnte mir außer einem Praktikumsplatz kein adäquater Dienstposten angeboten werden. Da damals der Buschfunk schon genauso gut funktionierte wie heute, erfuhr das Presse- und Informationszentrum des Kommandos Heer in Strausberg irgendwann von meinem Wunsch. Ihnen fehlte zu diesem Zeitpunkt noch die „Komponente Video“. So wurde ich kurze Zeit später als Mediengestaltungs-Unteroffizier für Audio und Video in das Kommando Heer versetzt.
Du zeigst damit, dass es sich lohnt am Ball zu bleiben, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Dein Wunsch, bei der Bundeswehr im Bereich Medien zu arbeiten, wurde wahr. Aber woher rührt diese Leidenschaft für die Kamera und das Filmen?
Ich habe mich privat schon immer für Filmaufnahmen und die Produktion von Videos interessiert. Damals habe ich für Bekannte und Freunde kleine Beiträge gemacht. Irgendwann wurde die Nachfrage immer größer, sodass ich 2013 meine eigene Firma gründete. Durch Zufall wurde ich später von Hertha BSC als Clip Operator, also Cutter, für Live-Spiele engagiert. So nahm alles seinen Lauf. Da Berlin in mancher Hinsicht ein Dorf ist, hatte ich mir schnell einen Namen in der Branche gemacht. So ergab es sich, dass ich tatsächlich am Set einiger Hollywood-Produktionen, die in der Hauptstadt gedreht wurden, mitarbeiten durfte. Dabei habe ich sehr viel gelernt. Ein absolutes Highlight in meiner privaten Karriere war mein Job als Regisseur für einen Werbeclip der Kampagne Imagine 2030.
Als Videoredakteur bei der Bundeswehr bist Du im In- und Ausland unterwegs. Du begleitest Soldaten oder Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums auf Übungen, Pressekonferenzen und bei Truppenbesuchen. An welche besonderen Erlebnisse erinnerst Du Dich?
Oh Gott, wo fange ich da an und wo höre ich auf? Mir fallen spontan zwei Dienstreisen ein. 2015 war ich auf dem Mittelmeereinsatz des Marineschiffes „Hessen“ bei der Rettung von über 800 Flüchtlingen dabei. Ich hatte den Auftrag, mein Bildmaterial als kurzen Beitrag schnellstmöglich per Satellit an die Redaktion der Bundeswehr zu senden. Was ich nicht wusste, die Bundeswehr stellte am selben Abend das Bildmaterial auch Sendern wie BBC, CNN, N24 und ZDF zur Verfügung. Am nächsten Morgen erzählten mir die Soldaten der „Hessen“ begeistert, dass sie meine Aufnahmen im Fernsehen gesehen hatten. Den Dank und die Anerkennung der Kameraden auf dem Schiff werde ich nie vergessen.
Und Dein zweites Highlight?
Eine weitere absolut tolle Dienstreise war die zur multinationalen Großübung Trident Juncture 2018 in Norwegen. Zwei Monate war ich mit drei weiteren Kameraden aus dem PIZ abkommandiert, um jeden Tag vor Ort über die Übung und die Truppe zu berichten. Ich sammelte dort großartige Eindrücke: 50.000 Soldaten haben auf einer Fläche von über 500 Kilometern gekämpft. Meine Arbeit fühlte sich so an wie bei einer echten Einsatzberichterstattung. Ich habe gedreht, gleich geschnitten, sofort abgesetzt. Alles erfolgte quasi in Echtzeit. Besonders herausfordernd war die Koordination vor Ort mit den internationalen Truppen, die auf einem großen Territorium verteilt waren. Die Erlebnisse und Erfahrungen dieser Großübung werde ich so schnell nicht vergessen.
Du erstellst Beiträge, die tausendfach auf YouTube geklickt wurden und werden. Neben Deinem Job als Videoredakteur kennen Dich die meisten aber als Moderator der bekannten Bundeswehrformate „Auf Stube“ und „Auf Stube On Tour“. Wie hast Du es wiederum vor die Kamera geschafft?
Auch dies war wie so vieles in meinem Leben Zufall. Ich sollte für das Casting der Moderatoren das Set für „Auf Stube“ technisch aufbauen. Nachdem die Probeaufnahmen mit den Bewerbern im Kasten waren, machte ich den Vorschlag, doch ein Moderatorenpaar zu suchen. Ich setzte mich mit meiner damaligen Kollegin Rike Fischer vor die Kamera und wollte so demonstrieren, dass eine Doppelmoderation für das Format lebendiger und geeigneter wäre. Anscheinend haben Rike und ich in dem Moment so überzeugt, dass wir auf der Stelle engagiert wurden.
Leider musste Rike aus persönlichen Gründen ein Jahr später die Serie verlassen, aber ein Ersatz war mit Oberbootsmann Jule Peltzer schnell gefunden. Und auch das Format wurde erweitert. Wie kam es dazu?
Genau. Mit Jule und mir als neuem Moderatorenduo erfolgte auch ein Update der Sendung. So wurde aus „Auf Stube“ – „Auf Stube on Tour“. Endlich konnten wir direkt bei der Truppe sein und die Soldaten vor Ort in ihren Einheiten und bei ihren Aufträgen begleiten. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Besonders ist mir der Dreh mit den Fallschirmjägern der EGBErweiterte Grundbefähigung (Spezialisierte Kräfte des Heeres mit Erweiterter Grundbefähigung für Spezielle Operationen) in Erinnerung. Sie trainierten in Folge 55 den Orts- und Häuserkampf. Gemeinsam mit den Elitesoldaten vor und hinter der Kamera zu stehen und zu erleben, wie sie absolut professionell agieren, war sehr beeindruckend.
Du hast die 67. und 68. „Auf Stube On Tour“- Folge mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Peter Tauber gedreht. Gleichzeitig waren es für Dich die letzten Drehtage in dieser Serie, denn Deine Zeit bei der Bundeswehr endet demnächst. Wie geht es für Dich weiter?
Nach zwölf Jahren Dienstzeit werde ich Ende dieses Jahres den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr in Anspruch nehmen und mein ziviles Studium im Bereich Medien- und Kommunikationsmanagement beginnen. Der Abschied aus der Bundeswehr wird nicht leicht, aber ich freue mich auf die spannenden und neuen Herausforderungen, die vor mir liegen.
Welches persönliche Fazit ziehst Du?
Die Bürokratie im Öffentlichen Dienst bringt mich um. Nein, im Ernst. Ich habe während meiner Dienstzeit so viel erlebt und bin immer wieder überrascht, wie viele tolle Geschichten die Bundeswehr zu erzählen hat. Mich haben am meisten die Menschen beeindruckt, die vielfältigen Charaktere. Die Bundeswehr hat zahlreiche Spezialisten – gute Menschen, die viel leisten und extrem viel können. Die Soldaten sind hoch motiviert und bringen für ihren Job die gleiche Leidenschaft mit wie ich für meine Filme. Ich bin glücklich und stolz, dass ich ihnen mit meinen Beiträgen die Möglichkeit gegeben habe, ihren Alltag in die Öffentlichkeit zu bringen.
Inwieweit hat die Bundeswehr Dich verändert?
Die Bundeswehr hat mich erwachsen gemacht. Ich habe gelernt, Dinge die ich nicht ändern kann, zu akzeptieren. Im Umgang mit Menschen und in schwierigen Situationen bin ich ruhiger und gelassener geworden. Ich bin in meiner Dienstzeit oft an meine Grenzen gekommen, aber ich habe nie aufgegeben. Die Bundeswehr gibt mir das nötige Rüstzeug für meinen weiteren Lebensweg.