Heer
Hinter feindlichen Linien

Spezielle Ausbildung nördlich des Polarkreises

Meterhoher Schnee und eisige Temperaturen: Hier üben die Fernspäher für einen möglichen Einsatz im Bündnisfall im Norden Europas.

Soldaten im Schneetarn fahren auf Motorschlitten nebeneinander durch Schnee. Die Sonne geht unter.

Fernspäher sind oft die Ersten tief im Feindesland. Sie haben den Auftrag, wichtige Informationen über den Feind und seine Ausrüstung für die eigene Truppe zu gewinnen. In arktischen Gebieten wie in Nordnorwegen ist dieser Einsatz für die Bündnisverteidigung besonders anspruchsvoll. Dafür werden diese Soldaten vor Ort speziell ausgebildet.

Noch vor ein paar Wochen waren die Fernspäher des Heeres in der Wüste Arizonas unterwegs und haben das Fallschirmspringen geübt. Weil sie als Angehörige der Division Schnelle Kräfte jederzeit weltweit eingesetzt werden können und selbst Extrembedingungen sie nicht aufhalten, ist nun der Norden Norwegens ihre neue Heimat für die nächsten Wochen. Hunderte Kilometer nördlich des Polarkreises herrschen ideale klimatische und geologische Bedingungen für die arktische Ausbildung. Selbst das im Winter fehlende Tageslicht stellt die Fernspäher vor nicht allzu große Probleme, denn sie bewegen sich sowieso vorwiegend nachts.

Da sich in den letzten Jahren die sicherheitspolitische Lage in Europa zugespitzt hat, sind die Grenzen Nordeuropas ein mögliches Angriffsziel und müssen stärker überwacht werden. Daher trainieren die Fernspäher regelmäßig für ein Szenario der Bündnisverteidigung in arktischen Gebieten. Ihr Kernauftrag ist es, Schlüsselinformationen hinter feindlichen Linien für die militärische Führung zu gewinnen. Nah am Feind dokumentieren und informieren sie über dessen Stärke, Lage und Bewaffnung. In kleinen Trupps sind sie dabei mehrere Tage auf sich allein gestellt, ohne logistische oder medizinische Unterstützung von außen.

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  • Ein Soldat fotografiert mit einer digitalen Kamera aus einem verschneiten Versteck heraus.
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    Meister im Versteckbau

    Von A nach B zu gelangen, ist bei diesen Extrembedingungen zwar schwierig. Aber das eigentliche Ziel ist die Gewinnung von Informationen über den Feind und alles, was er tut. Am Operationsort angekommen, errichten die Fernspäher ein Versteck mit Sicht auf ihr Ziel. Sie graben sich im Dunkeln in den Schnee ein und tarnen ihr Versteck so, dass es nicht von der Gegenaufklärung ausgemacht werden kann. „Wichtig ist, dass wir unsere Tarnung so anlegen, dass wir nahezu vom Erdboden verschwinden“, berichtet Truppführer Mike, während der Trupp noch die Tarnung verbessert. Der aktuelle Krieg in der Ukraine zeigt, welche Gefahren von Drohnen ausgehen und dass sich auch die Fernspäher gegen die Aufklärung aus der Luft schützen müssen.

    Sobald das Versteck fertig ist, ist die Aufgabenaufteilung klar geregelt. Einer muss den Feind rund um die Uhr im Auge behalten. Die Fernspäher werden nicht umsonst die „Augen des Heeres“ genannt. Ein anderer ist damit beschäftigt, Schnee zu schmelzen und Nahrung zuzubereiten. Das Versteck muss ständig verbessert werden. Dazu kommt, dass die Fernspäher auch im letzten Winkel der Erde in der Lage sein müssen, ihre Informationen zu versenden. Dazu nutzt der Fernmelder im Trupp verschiedene Übertragungstechniken, unter anderem Satellitenkommunikation.

  • Soldaten im Schneetarnanzug fahren auf Motorschlitten auf einem verschneiten Feld in Richtung Wald.
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    Pferdestärken für große Entfernungen

    Egal ob zu Land, Luft oder Wasser: Fernspäher können in alle Elemente verbracht werden und müssen sich dann selbst fortbewegen. Weil sie nur möglichst wenig Spuren hinterlassen dürfen, nutzen die Aufklärungskräfte vorwiegend den Motorschlitten (Ski-Doo), Skier oder Schneetrittlinge. Aber sich einfach auf einen Schlitten mit teilweise über 100 PS zu setzen oder die Skier im unwegsamen Gelände anzuschnallen und loszulaufen, ist nicht ratsam. Deshalb investiert die Fernspähkompanie 1 viel Zeit, um ihre Soldaten auf ein professionelles Fahr- und Lauflevel zu heben.

    So einfach und entspannt, wie es auf Bildern aussieht, ist das Ski-Doo-Fahren nicht. Mehrere Tage dauert die Ausbildung, die von der Technikeinweisung über die Wartung bis hin zum Fahren in schwierigem Gelände geht. So ein Ski-Doo hat eine Sitzbank, doch zum Sitzen wird sie während der Fahrt selten genutzt. Entweder stehen die Soldaten, um Bodenwellen auszugleichen oder schwingen sich von einer Seite auf die andere, um in den Kurven das Kippen des Motorschlittens zu verhindern. Das Gelände in Norwegen ist nur selten eben. Es geht die ganze Zeit hoch und runter und zugefrorene Seen gibt es zur Genüge.

    „Wir nutzen die Ski-Doos, um große Entfernungen zurückzulegen“, erklärt Simon, ein Truppführer der Fernspäher. „Später gehen wir dann im Nahbereich abgesessen auf Skiern, um möglichst lautlos nah an den Feind heranzukommen.“

  • Ein Soldat läuft auf Ski und zieht einen Schlitten hinter sich her.
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    Tagelang durch den Schnee

    Bekleidung zum Kälteschutz, Proviant, einen dicken Schlafsack, Technik für die spätere Observation, Fernmeldegeräte und natürlich auch noch geeignete Mittel für die Tarnung und den Versteckbau müssen die Fernspäher transportieren. Da wird der Rucksack ganz schnell voll und wiegt auch mal über 50 Kilogramm. Während nur die wenigsten mit solch einem schweren „Hinkelstein“ ein paar Kilometer gehen könnten, bewegen sich die Fernspäher damit auf Skiern oder ihren Schneetrittlingen manchmal tagelang durch den Schnee. Entweder tragen die Soldaten ihren Rucksack selbst oder sie ziehen ihr Gepäck auf einem kleinen Schlitten hinter sich her. Dieser Schlitten mit Zuggestell wird Pulka genannt.

    Der einzige Vorteil in dieser Nordregion ist, dass zusätzliches Wasser nicht mitgeführt werden muss. Das Wasser liegt in Form von Schnee überall herum, man muss ihn nur noch schmelzen und das Wasser abkochen. Dafür haben die Soldaten entsprechende Kocher im Gepäck.

    Nahezu lautlos bewegen sie sich durch die Winterlandschaft. Gesprochen wird fast nicht, kommuniziert vorwiegend mit Handzeichen. Da zeigt sich dann das eingespielte Team: Jeder weiß genau, was zu tun ist.

  • Ein Soldat ist in einen zugefrorenen See eingebrochen, bis zur Brust ist er schon im dunklen Wasser.
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    Der Eiseinbruch

    Es ist das schlimmste Szenario, das ohne Feindkontakt passieren kann: Das Eis auf einem zugefrorenen Gewässer gibt nach und man landet mit der kompletten Ausrüstung im kalten Wasser. Sich aus dieser gefährlichen Lage zu befreien und sie unbeschadet zu überstehen – auch das muss trainiert werden.

    Unmittelbar nach dem Einbruch spürt man die Kälte noch nicht so sehr. Die erste Priorität lautet dann: Raus aus dem Wasser! Zunächst wird der Rucksack aus dem Wasser geschoben. Denn sensible Technik und im weiteren Verlauf überlebenswichtige Materialien sind im Gepäck. Danach zieht sich der Soldat mithilfe der Skistöcke aus dem Wasser. In der Zwischenzeit suchen die Kameraden ein Versteck auf und bereiten alles zum Wärmeerhalt vor. Je nach Feindlage wird ein Zelt aufgebaut oder auch nicht.

    Ein Schlafsack wird ausgelegt, warme und trockene Kleidung, ein warmes Getränk und eine Wärmedecke für den Notfall bereitgestellt. So langsam dringt die Kälte in den Körper ein. Die Lufttemperatur beträgt aktuell minus zehn Grad Celsius. Jetzt muss schnell die nasse Kleidung ausgezogen werden, um die Zeit an der kalten Luft so kurz wie nur möglich zu halten. Anschließend geht es sofort zum Aufwärmen in den Schlafsack. Warme Sachen der Kameraden und im Notfall auch die Körperwärme der anderen können helfen, eine Unterkühlung zu vermeiden.

    Geschafft: Der Kamerad wird langsam wieder warm. Nun muss die Kleidung getrocknet werden. Je nach taktischer Lage kann ein Feuer gemacht werden. Aber je größer das Feuer, desto größer ist auch die Gefahr, entdeckt zu werden.

Verbesserte Kälteausrüstung

Ein großes Thema bei diesen Temperaturen sind Unterkühlungen und Erfrierungen. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren die Kälteausrüstung deutlich verbessert, vor allem die Bekleidung der Soldaten. Allerdings gibt es jetzt mehr Technik als früher. Vieles wird mit Akkus betrieben und die vertragen Kälte nicht. So muss nicht nur jeder auf sich selbst und die Kameraden achten, auch die Technik verlangt besonderes Augenmerk.

Ski-Doo-Training und Langlauf, Tarnung und Versteckbau, Technikeinsatz und Eisbruch: Mit ihrem Lern- und Durchhaltewillen bei der Arktisausbildung haben die Fernspähkräfte des Heeres ihre Einsatzbereitschaft auch unter Extrembedingungen gezeigt.

von PIZ Heer 

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