Heer
Übung des Verzögerungsgefechts

„Wir sind bereit für Litauen“

„Wir sind bereit für Litauen“

Datum:
Ort:
Gardelegen
Lesedauer:
1 MIN

Es ist der finale Härtetest, den die Soldatinnen und Soldaten bestehen müssen. Im Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ) in der Letzlinger Heide muss sich der künftige multinationale Gefechtsverband der NATO-Mission enhanced Forward Presence (eFPenhanced Forward Presence) in Litauen beweisen. Der Auftrag im GÜZ lautet: Verzögerung.

Ein Schützenpanzer steht auf einem Übungsplatz vor einem Wald, hinter ihm drei weitere.

Die Panzergrenadiere aus Viereck sind das Rückgrat der künftigen Battlegroup in Litauen

Bundeswehr/Julia Dahlmann

Es ist gewissermaßen die Generalprobe für die Soldatinnen und Soldaten. Das Panzergrenadierbataillon 411 aus Viereck stellt den Löwenanteil der Kräfte. Doch die Battlegroup besteht neben den Panzergrenadieren unter anderem auch aus Versorgern aus Hagenow, Jägern aus Torgelow und Panzersoldaten aus Augustdorf. Dazu kommen noch Aufklärer aus Eutin, Joint Fire Support Teams aus Rothenburg/Wümme sowie Pioniere aus Havelberg. Komplettiert wird der multinationale Verband in der Letzlinger Heide durch niederländische Soldaten, die neben einer Kampfkompanie auch jede Menge Stabspersonal stellen. Oberstleutnant Daniel Andrä, Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 411, gibt das Ziel für den GÜZ Durchgang aus: „Wir wollen als Battlegroup zusammenwachsen.“ Er wird auch in Litauen den Gefechtsverband führen.

Im Kern geht es in der Letzlinger Heide darum, den finalen Test für die eFPenhanced Forward Presence-Mission in Litauen zu bestehen. Im kommenden Jahr wird Andrä an der Ostflanke der NATO mit seinen ihm unterstellten Männern und Frauen für sechs Monate ein starkes Zeichen der Bündnissolidarität senden. Ihr Auftrag lautet, jeden möglichen Aggressor abzuschrecken.

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  • Ein Panzer fährt schnell durchs Gelände, Staub wirbelt auf.
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    Verzögerung – Tausche Raum gegen Zeit

    Die Battlegroup bereitet sich auf den Worst Case vor, soll heißen: Das Bündnisgebiet wird angegriffen und die NATO muss reagieren. Dann gilt es, den Feind zu verzögern. Verzögerung bedeutet, zeitlich begrenzt zu verteidigen, dem Angreifer erste Verluste zuzufügen, immer wieder auf befohlene Linien auszuweichen und sich dem Kampf erneut zu stellen – so lange, bis die Gegenmaßnahmen der NATO greifen. Es geht um Zeitgewinn: Der multinationale Gefechtsverband in Litauen ist der Stolperdraht, den der Gegner erst einmal überwinden muss.

    Verzögerung ist die anspruchsvollste Taktik. Sie erfordert ein hohes Maß an Koordination aller Beteiligten. Um das zu üben, eignet sich das Gefechtsübungszentrum hervorragend.

    Seit Monaten steckt vor allem das Panzergrenadierbataillon 411 mitten in der Vorbereitung. Zahlreiche Soldaten des Stabes, die 1. und die 4. Kompanie aus Viereck stellen den Kern des Verbandes in Litauen. In der Letzlinger Heide sind sie alle gefordert. Bei der Vierten geht es vor allem darum, die Fähigkeiten des Gefechts in einem Landes- und Bündnisverteidigungsszenarios zu verbessern sowie die Zusammenarbeit mit der niederländischen Kampfkompanie zu intensivieren. Im Stab gilt es, die multinationalen Partner in die Abteilungen und die Stabsarbeit zu integrieren und das alles in einem laufenden Gefecht. Zwei Wochen lang bei wenig Schlaf werden alle Soldaten täglich mit Herausforderungen konfrontiert, die es zu meistern gilt.

  • Ein Panzer fährt durch sandiges Gelände, Staub wirbelt auf.
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    Panzerstarke Unterstützung aus dem Lipperland

    Sie sind oft das Zünglein an der Waage – Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 haben auch im GÜZ einen enormen Vorteil. Sie vereinigen die Komponenten Feuer, Bewegung und Schutz. Vier dieser Stahlkolosse sind Teil der deutschen eFPenhanced Forward Presence-Kampfkompanie. Ein ganzer Zug kämpft immer in Zusammenarbeit mit den Panzergrenadieren. Er stammt aus der 2. Kompanie vom Panzerbataillon 203 in Augustdorf. Die Soldaten kennen die Panzergrenadiere bereits aus dem Aufenthalt im Schießübungszentrum in Munster. Das Zusammenwirken funktioniert gut und kann im GÜZ noch intensiviert werden. Die Leoparden haben vor allem die Aufgabe, gegnerische Kampfpanzer mit ihrer 120-Millimeter-Kanone auf große Entfernung zu treffen. Oft sind sie die ersten, die zum Beispiel als Feldposten eingesetzt werden und die Spitzen des Feindes aufklären oder bekämpfen.

  • Ein Einweiser steht auf einer Seite einer gelegten Brücke und weist mit seinen Armen ein Fahrzeug ein.
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    Pioniere auch mal bei Rot

    Beim Kampf um Gewässer sind auch die Pioniere aus Havelberg gefordert. Wenn die Panzer und Schützenpanzer nicht mehr weiterkönnen, weil ein Hindernis ihnen den Weg versperrt, dann schlägt die Stunde der Soldaten mit der schwarzen Litze. Im GÜZ wird um den Fluss Dolle gekämpft. Zunächst haben sich die feindlichen Panzergrenadiere bis ans Ufer gekämpft und setzen mit kleinen Schlauchbooten über. Dort sichern sie dann den Brückenkopf. Schließlich rollt ein besonderer Panzer heran – der Brückenlegepanzer Biber. Bis zu 20 Meter kann er innerhalb weniger Minuten mit seiner Schnellbrücke gangbar machen. „Für uns ist das hier optimal, um tatsächlich unsere Brücke unter realistischen Bedingungen zu verlegen“, so der verantwortliche Feldwebel. Dazu müssen die Havelberger Pioniere in der Übung kurz die Seiten wechseln und gehören zu den Roten, den Feindkräften. „Taktisch gesehen kommt der Biber in der ersten Phase der Verzögerung eher nicht zum Einsatz. Deswegen wechseln wir zu den Angreifern“, erklärt der Pionier augenzwinkernd. Aber auch bei „ihren“, den blauen Kräften, sind die Pioniere wichtig – sie legen die unterschiedlichsten Sperren an, legen Minen, unterstützen die Kampftruppe. Auch der Kommandeur hat Pioniere in seinem Stab, die ihn mit ihrer Fachexpertise beraten.

  • Ein Soldat feuert im Wald kniend eine Panzerfaust ab. Eine Rauchwolke steigt auf.
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    Extra im GÜZ dabei: Jäger aus Torgelow

    Auch Soldaten aus dem Jägerbataillon 413 sind Teil der Battlegroup. Ein ganzer Zug sichert den Bataillonsgefechtsstand. Er ist quasi die Last Line of Defence (letzte Verteidigungslinie) und schützt die Führung der Battlegroup vor unliebsamen Überraschungen.

    Zusätzlich, extra für den GÜZ Durchgang, springt eine Kampfkompanie ein. Sie wird eigentlich von norwegischen Soldaten gestellt, die erst in Litauen zum Gefechtsverband stoßen. Die Torgelower beweisen sich vor allem in dem besonders für Jäger geeigneten dicht bewaldetem Gelände. „Wir sollen den Feind, der hier mit Schützenpanzern angreift, aufhalten, zumindest in der Bewegung hemmen und gegebenenfalls vernichten“, so Gruppenführer Feldwebel Marcel S. Der Kampf gegen den mechanisierten Feind fordert die leichte Infanterie. Erfolgserlebnisse gibt es trotzdem – ein Schütze schaltet zum Beispiel mit seiner Panzerfaust gleich drei feindliche Schützenpanzer aus. „Treffer!“, ertönt sein Ruf an diesem Tag mehrmals durch den Wald.

  • Ein Radpanzer steht vor einer Halle, davor ist der ausgebaute Motorblock abgestellt.
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    Schrauben bis tief in die Nacht

    Bei einem mehrwöchigen Übungsplatzaufenthalt wird das Material enorm beansprucht. Da kann es durchaus sein, dass der eine oder andere Panzer instandgesetzt werden muss. Die Combat Service Support Company aus dem Versorgungsbataillon 142 in Hagenow ist dann gefordert. Ihre Männer und Frauen schrauben oft bis tief in die Nacht hinein, um die Fahrzeuge schnellstmöglich wieder einsatzbereit zu bekommen. Da werden dann auch mal mit einem Bergepanzer ganze Motorblöcke eines Schützenpanzers Marder oder eines GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer per Kran ausgewechselt.

  • Eine Sanitäterin mit blauen Gummihandschuhen leuchtet in die Augen eines verwundeten Soldaten.
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    Realistische Sanitätsausbildung - lebenswichtig

    Um die Soldaten möglichst auf alle Aspekte des Gefechts vorzubereiten, werden sie auch mit Verwundungen und der richtigen Vorgehensweise in solch einem Notfall konfrontiert. Das Schiedsrichterteam, ausgebildete Sanitäter, hat dazu Karten vorbereitet, auf denen verschiedene Verletzungsmuster zu sehen sind. Das GÜZ Personal prüft dann, ob richtig gehandelt wurde und gibt entsprechendes Feedback.

    In jeder Kampfkompanie ist ein Team aus Sanitätern fester Bestandteil. Von Vorteil ist, dass das Personal im GÜZ in Litauen dabei sein wird. So lernen sich Kampftruppe und die Sanitäter bereits frühzeitig kennen. Auch eine Rettungsstation, eine Role 1, ist auf dem „Gefechtsfeld“ in der Letzlinger Heide aufgebaut.

  • Drei Soldaten in voller Gefechtsmontur mit Weste, Magazintaschen und Waffen stehen nebeneinander.
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    Brothers in Arms: Niederländer sind bestens integriert

    Ein wesentliches Merkmal der Battlegroup ist die Multinationalität. In jeder Rotation stellen die niederländischen Streitkräfte eine Kampfkompanie und besetzen im Stab wichtige Dienstposten. Dieses Mal stammen die Soldaten aus der 13 Lichte Brigade, die Kompanie mit ihren GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer kommt von den Limburgse Jagers, beide Verbände sind in Oirschot stationiert. Die Niederländer konnten nach den Worten des Kompaniechefs die intensive Zeit im GÜZ nutzen. Er sieht seine Soldaten gut gerüstet und wird die verbleibenden Monate nutzen, um noch besser vorbereitet zu sein. Captain Freek freut sich auf die Mission in Litauen: „Wir werden vor Ort jede Menge Möglichkeiten haben, zu üben. Wir werden unsere Fähigkeiten verbessern und vor allem die Zusammenarbeit mit unseren deutschen Partnern intensivieren können.“

  • Eine Drohne wird von einem Lkw aus gestartet.
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    Augen am Feind

    Mit einem lauten Knall und jeder Menge Rauch macht sich in der Nähe der Ortschaft Schnöggersburg das Kleinfluggerät Zielortung (KZOKleinfluggerät für Zielortung) auf den Weg in die Luft über dem GÜZ. Die rund 170 Kilogramm schwere Drohne ist das Auge über dem Feind und liefert dem Kommandeur wichtige Informationen über die Stärke und die Bewegungsrichtung feindlicher Kräfte. Das Fluggerät stammt aus dem Aufklärungsbataillon 6 in Eutin. Auch die kleinere Schwester LUNALuftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung verwenden die Aufklärer aus Schleswig-Holstein im GÜZ. Zusätzlich sind noch Spähtrupps mit dem Spähwagen Fennek, dem Transportpanzer Fuchs und auch zu Fuß unterwegs. Sie nutzen den Aufenthalt im Gefechtsübungszentrum, um für die Teilnahme an der großen Übung Iron Wolf im Mai in Litauen gut gerüstet zu sein. Die Aufklärer sind nicht für die komplette Rotation im Baltikum stationiert, sondern als Teil der sogenannten Verstärkungskräfte für etwa sechs Wochen vor Ort. Bei der Übung Iron Wolf wird die komplette Battlegroup in einem realitätsnahen Landes- und Bündnisverteidigungsszenario gefordert sein. Deswegen wird der Verband mit Aufklärern, aber auch mit anderen Kräften temporär verstärkt, wie zum Beispiel der Artillerie. Im Ernstfall würden diese Kräfte dann schnellstmöglich nach Litauen verlegt werden.

  • Sechs Soldaten laufen über eine Freifläche, im Hintergrund ist dichter Rauch zu sehen.
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    Ein starker Gegner

    Jeder Verband, der in einen Einsatz gehen soll, muss vorher im GÜZ bestehen. Der Gegner, die Kräfte Rot, werden vom Gefechtsübungszentrum selbst gestellt. Dort steht ein ganzes Bataillon quasi nur für diesen Zweck bereit, um so bestmöglich die Vorbereitung der künftigen Einsatzkräfte zu ermöglichen. Alle Soldaten, Waffen und Fahrzeuge werden mit einem laserbasierten System ausgerüstet. Damit werden die Waffenwirkung und auch die Position des Schützen oder des Panzers dargestellt beziehungsweise nachverfolgt. Hinzukommt noch die enge Begleitung der Übungstruppe durch die Ausbilder des GÜZ. Taktische Entscheidungen des Führungspersonals oder auch Stellungswahl und vieles mehr werden unmittelbar ausgewertet. Dazu erhalten die Ausbilder technische Unterstützung aus der Zentrale. Die Truppe Rot, also der Angreifer, fordert den Gefechtsverband erheblich. Übungsdurchgänge werden didaktisch eng durch das Ausbildungsteam begleitet. Dadurch ist der Lernerfolg erheblich.

  • Zwei Soldaten sitzen nebeneinander unter einem Tarnnetz.
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    Höhepunkt der Vorbereitung

    Zwei Wochen lang tobt das Gefecht. Am Ende zieht der künftige Battlegroup Commander ein positives Fazit: „1.300 Soldatinnen und Soldaten aus allen Himmelsrichtungen, 500 Fahrzeuge, das Ganze multinational – wir sind hier noch mehr zusammengewachsen. Wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht, viel gelernt, erfolgreich das Verzögerungsgefecht geführt. Wir sind bereit, nach Litauen zu verlegen und freuen uns darauf.“

    von Joachim Samse

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