Was sind Mittlere Kräfte und warum gibt es sie?
Was sind Mittlere Kräfte und warum gibt es sie?
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 3 MIN
Warum kommt die Bundeswehr auf die Idee, eine neue Kräftekategorie zu erfinden? Und was bedeutet eigentlich Mittlere Kräfte? Wir erklären, was es damit auf sich hat und machen deutlich, warum diese neuen Kräfte so wichtig sind.
Es gibt drei Kräftekategorien des Heeres – die Leichten, die Mittleren und die Schweren Kräfte. Dabei schließen die Mittleren Kräfte die Lücke zwischen den bislang bekannten Leichten und den Schweren Kräften.
Leichte Kräfte:
Beispiele dafür sind Fallschirmjäger, Gebirgsjäger und Spezialkräfte. Sie werden per Hubschrauber oder Flugzeug, also schnell, zu ihrem möglichen Einsatzort gebracht. Damit sind sie, die Kräfte der „ersten Stunde“ im Operationsgebiet. Die erfolgreichen Evakuierungsoperationen in Libyen, Afghanistan und jüngst im Sudan zeigen: Sie werden gebraucht. Aufgrund ihrer limitierten Ausstattung können die Leichten Kräfte innerhalb einer militärischen Operation jedoch nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden.
Schwere Kräfte:
Beispiele für diese Kräftekategorie sind die Panzertruppe sowie die Panzergrenadiertruppe. Sie definieren sich durch ihre Schützen- und Kampfpanzer, die auf Kette kämpfen. Diese Fahrzeuge haben eine große Kampfkraft, können aber nur aufwendig etwa auf Gleisen, per Schiff oder Straße transportiert werden, um an ihren Einsatzort zu gelangen.
Was sind Mittlere Kräfte und was ist neu daran?
Mittlere Kräfte sind die neue Kräftekategorie des Deutschen Heeres. Mit radbeweglichen, hochmobilen Verbänden sollen diese schnell und ohne lange Vorbereitungszeit im gesamten europäischen Operationsraum der NATONorth Atlantic Treaty Organization verlegbar sein. Sie fahren und kämpfen auf Rädern. Außerdem können sie durch ihre gepanzerten Radfahrzeuge viel Personal und feuerstarke Waffen zum Einsatz bringen. Und das auch über größere Distanzen. Hier hat sich besonders das gepanzerte Radfahrzeug GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug (Gepanzertes Transport-Kraftfahrzeug) Boxer bewährt. Durch sein modulares System ist der Boxer extrem wandelbar und kann in verschiedenen Konfigurationen, vom Sanitätsfahrzeug bis hin zum Schweren Waffenträger, eingesetzt werden. Letzterer besteht aus dem Grundmodul Boxer und einem Waffenturm mit einer 30-Millimeter-Maschinenkanone. Der soll 2025 in die Truppe eingeführt werden. Den Boxer gibt es bisher in insgesamt vier bei der Bundeswehr eingeführten Versionen als: Gruppentransportfahrzeug, Führungsfahrzeug, schweres geschütztes Sanitätskraftfahrzeug und als Fahrschulfahrzeug. Weitere Modelle sollen noch folgen, um die zukünftige Brigade der Mittleren Kräfte aufstellen zu können.
Warum werden die Mittleren Kräfte eingeführt?
Bereits 2015 haben die USUnited States-Streitkräfte eindrucksvoll demonstriert, wie mittlere Kräfte zur Abschreckung eingesetzt werden können. Das im bayerischen Vilseck stationierte 2nd Cavalry Regiment verlegte seine Truppen während der Übung Dragoon Ride über mehrere Hundert Kilometer. Dieses Regiment entspricht einem Großverband Mittlerer Kräfte nach NATONorth Atlantic Treaty Organization-Definition. Als starker, durchsetzungs- und durchhaltefähiger Teil verschaffen sie weiteren, vor allem Schweren Kräften die notwendige Zeit zum Einsatz. Insbesondere mit diesen radbeweglichen Kräften waren die USUnited States-Streitkräfte 2022 in der Lage, als Reaktion des russischen Angriffs auf die Ukraine, schnell und sichtbar, durchsetzungsfähige Kräfte an die Ostflanke der NATONorth Atlantic Treaty Organization zu verlegen. Deutschland konnte mit seiner bisherigen Struktur eine in dieser Größenordnung vergleichbare Verschiebung von Kräften nicht leisten. Dem Heer stehen dafür bislang noch keine geeigneten Großverbände zur Verfügung. Mit der Refokussierung des Heeres auf die Landes- und Bündnisverteidigung und als Folge der Annexion der Krim im Jahr 2014 hat das Deutsche Heer die operative Lücke zwischen Leichten und Schweren Kräften erkannt. Bereits im Oktober 2021 wurden die Einsatzmöglichkeiten der Mittlerer Kräfte in den operativen Leitlinien des Heeres verankert. Der Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 wirkte dann wie ein Katalysator, der den begonnenen Prozess des Heeres beschleunigte. Der Verlauf dieses Krieges verdeutlicht, dass Landstreitkräfte unverändert eine entscheidende Rolle in der Kriegsführung spielen. Für die Implementierung der Kräftekategorie Mittlere Kräfte hat sich im Jahr 2023 bereits viel getan. Notwendige materielle Umrüstungen und personelle Veränderungen sind bereits angestoßen. Die Truppe erwartet den Zulauf des Materials, übt gedanklich und praktisch aber jetzt schon mit diesem. In Planspielen, Computersimulationen oder kleineren Feldübungen formt sich seit nunmehr einem Jahr die Idee und Kampfweise der Mittleren Kräfte. Aktueller Höhepunkt ist die Lehr- und Versuchsübung im Gefechtsübungszentrum Heer in Gardelegen.
Im nächsten Beitrag berichten wir von genau dieser Übung in der Letzlinger Heide. Ob alle Planspiele funktionieren und welche Erkenntnisse die Truppe gewonnen hat, könnt ihr dort lesen.