Scharfer Schuss vom schwankenden Schlauchboot aus
Scharfer Schuss vom schwankenden Schlauchboot aus
- Datum:
- Ort:
- Grafenwöhr
- Lesedauer:
- 3 MIN
Für einen besonderen Ausbildungsabschnitt bei der Übungsserie Taurus 2024 geht es aufs Wasser. In Grafenwöhr üben die Spezialisierten Kräfte des Fallschirmjägerregiments 31 aus Seedorf auch den scharfen Schuss von fahrenden Booten aus.
Nach den Auslandseinsätzen der vergangenen Jahrzehnte stellen sich auch die Fallschirmjäger mit Erweiterter Grundbefähigung (EGBErweiterte Grundbefähigung) wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung um. Dazu gehört es, den Kampf über und auf dem Gewässer zu üben – bei Tag und Nacht. Für viele Truppen sind Gewässer eher hinderlich. Für die Fallschirmjäger können sie eine „Avenue of Approach“ sein, also ein Anmarschweg, auf dem der Feind sie nicht vermutet. „Gewässer bieten Möglichkeiten für die Infiltration, also das Einbringen von Kräften in ein bestimmtes Gebiet, oder aber auch für das unauffällige Zurückschleusen von Kräften und Personen“, erklärt der Kompaniechef, Major Daniel D.
Das sogenannte Schießen von Plattformen, wie der scharfe Schuss aus den Booten auch genannt wird, kann und darf in der Bundeswehr jedoch nicht jeder. Es bedarf einer intensiven Vorausbildung und gewissen Voraussetzungen, über die EGBErweiterte Grundbefähigung-Kräfte verfügen.
Klar zum Gefecht
USUnited States-Übungsplatz in Grafenwöhr: Es ist Herbst und der Nebel auf dem See lichtet sich. An einer Anlegestelle liegen acht schwarze Schlauchboote bereit. Mit ihnen wollen die EGBErweiterte Grundbefähigung-Kräfte trainieren, wie es ist, vom Wasser aus zu schießen und Ziele wirkungsvoll zu bekämpfen. Diese Ausbildung ist auf zwei Tage verteilt.
Am ersten Tag liegt der Schwerpunkt auf der Schießausbildung. Hier geht es um die Schießtechnik. Die Schützen sollen sich daran gewöhnen, von einer beweglichen Plattform aus zu schießen. EGBErweiterte Grundbefähigung-Soldaten können sehr präzise schießen. Doch diese Übung ist selbst für sie erst einmal Gewöhnungssache. „Ich muss verschiedene Anschläge ausprobieren, um sicherzustellen, dass ich auch dahin schieße, wo das Ziel ist“, erklärt der Leitende des Schießens, Hauptfeldwebel Philipp K. Nach der kurzen Einweisung in die Abläufe geht es zu fünft ins Boot. Die Leinen werden gelöst und der Außenbordmotor dreht hoch. Bereit für den Schuss? So einfach ist das nicht.
Bei Tag und Nacht
„Bei Wellengang fliegen meine Knie permanent auf das Holz. Bei Wind bin ich ein Widerstand für das Boot und kühle eventuell aus“, erklärt uns Hauptfeldwebel Sebastian K. Er bildet die Soldatinnen und Soldaten an der Station aus und vermittelt seine Erfahrungen. „Während der Fahrt selbst, gerade wenn es länger dauert, wird sich auf die Bugwulst gestützt, so klein und so bequem wie möglich. Die Waffe wird dabei auf dem Unterarm abgelegt.“
Auf dem Boot geraten die Fallschirmjäger in Feindkontakt. Schnell sortieren sie sich, gehen in die Knie und richten die Waffe zum Ufer. Dann feuern sie aus allen Rohren und halten damit den Feind nieder. Zunächst schießt der vordere Schütze, dann schießen alle in der Vorbeifahrt. Dabei müssen sie mit ihrem Körper den Wellengang ausbalancieren, um überhaupt zu treffen. Das kostet Energie. Jeder Handgriff muss auch im Dunkeln sitzen. Beim Nachtschießen nutzen die Schützen ihre Nachtsichtbrillen und schießen unter anderem mit Leuchtspurmunition.
Das Boot wendet. Beim Rückwärtsfahren müssen sie nun am Außenbordmotor und dem Fahrer vorbeischießen. Doch im Boot zu stehen und sich zu bewegen, ist gefährlich, vor allem während der Fahrt.
Feinddruck in der Landezone
Nach der Gewöhnung werden die Techniken in einer kompakten taktischen Lage angewandt. Am zweiten Tag wollen die Fallschirmjäger eine Aufnahme von eigenen Kräften an Land trainieren. Das Szenario beginnt.
Eigene Kräfte weichen aus, befinden sich unter Feinddruck. Sie gewinnen eine Landezone in Ufernähe und verteidigen sich dort. Der einzige Weg aus dem Angriff heraus führt über das Wasser. Die Fallschirmjäger werden von den sogenannten Extraktionskräften mit dem Schlauchboot vom Wasser aus angefahren. Unter Deckungsfeuer legen die Boote an, nehmen die Kräfte auf und weichen sofort überschlagend aus.
„Die Ausbildung ist lediglich ein Anbrüten. Es geht uns erst einmal nicht um das Beherrschen, sondern um das Kennenlernen, das Machen und Verbessern“, verdeutlicht der leitende Ausbilder des Schießens. Die Fallschirmjäger lernen, Wege über Gewässer zu nutzen, beispielsweise wenn sie in Gebieten eingesetzt werden, in denen es wie in Europa viele Wasserwege gibt. Die gab es ja während der Auslandseinsätze wie in Afghanistan oder Mali eher selten. Doch in der Landes- und Bündnisverteidigung bekommen Einsatzmöglichkeiten in wasserreichen Gebieten ein neues Gewicht.