Präzise Feuerkraft für Litauen
Präzise Feuerkraft für Litauen
- Datum:
- Ort:
- Altengrabow
- Lesedauer:
- 5 MIN
„Im Rosenkrug Altengrabow üben wir mitten in der Infrastruktur der Vergangenheit das Gefecht der Zukunft – den Kampf in und aus urbanen Räumen“, sagt Major Enrico Harling, Chef der 5. Batterie des Artillerielehrbataillons 325. Die Übung White Eagle 2021 ist ein bedeutender Schritt für die Soldaten der 1. Panzerdivision für ihren Einsatz in Litauen bei der eFPenhanced Forward Presence (enhanced Forward Presence, dt.: verstärkte Vornepräsenz).
Mit einem verstärkten Geschützzug unterstützen die Haubitzen die Ausbildung von Joint Fire Support Soldaten, also Feuerunterstützern. Durch die Feuerkommandos verbessern die Artilleristen ihre Fähigkeiten im taktischen Umgang mit ihren Panzerhaubitzen. Immer und immer wieder fahren die mächtigen Geschütze in die Feuerstellungen. Zwei Wochen lang, Tag und Nacht, donnern die Haubitzen auf die Zielkoordinaten, welche die Joint Fire’s an die Geschütze übermitteln. „Mit der Übung White Eagle bereiten wir uns auf den Einsatz bei eFPenhanced Forward Presence, der Beistandsinitiative der NATONorth Atlantic Treaty Organization an der Ostflanke Europas, in Litauen vor. Das Zusammenspiel von Joint Fire Support und unseren Geschützen muss sicher und präzise funktionieren. Unsere Artilleriegeschosse müssen zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, mit der richtigen Wirkung im Ziel einschlagen“, erklärt Batteriechef Harling. Feuer und Bewegung sind der Schlüssel zur Überlebensfähigkeit auf dem modernen Gefechtsfeld.
Kämpfen in realer Umgebung
Der Übungsplatz Altengrabow ist für die Munsteraner Artilleristen etwas ganz Besonderes. Die Kulisse, vor der die Soldaten üben, ist mehr als die übliche gewohnte Umgebung – der Wald. Der Übungsplatz in Sachsen-Anhalt bietet den Besatzungen der Haubitzen ganz besondere Übungsbedingungen. „Die Landes- und Bündnisverteidigung stellt uns hinsichtlich des Umfeldes, in dem wir eingesetzt werden können, vor neue Herausforderungen. Konflikte werden zukünftig, in immer dichter bebautem Gebiet, also urbaner Infrastruktur, ausgetragen. Genau diese für uns so wichtige Übungsumgebung finden wir hier in Altengrabow“, so der Chef.
Urbanes Gelände: Herausforderung der Zukunft
Der Rosenkrug ist ein alter Abschnitt des Übungsplatzes, der über ein weit ausgebautes Gelände mit großen Wohngebäuden, Straßen und riesigen Hallen verfügt. Es ist ein Übungsraum, der in seiner Beschaffenheit einzigartig ist und den Feuerstellungen der Haubitzen eine neue Umgebung bietet. So geben die Hallen und Gebäude etwa einen guten Schutz gegen Aufklärung aus der Luft. Brauchbare Fahrwege sind für die mächtigen Panzerhaubitzen vorhanden.
Immer in Bewegung
Die Soldaten der 5. Batterie trainieren nicht allein. Der Major hat seine Batterie vor rund eineinhalb Jahren übernommen und weiß genau, worauf es in Litauen ankommt. „Rund um die Panzerhaubitzen haben wir von der Versorgung, etwa mit Kraftstoff und Munition, bis hin zur Instandsetzung alles dabei, was wir für das Gefecht hier vor Ort benötigen.“ Auch eine eigene Wettergruppe, die besonders wichtig ist, damit Geschosse bereits mit dem ersten Schuss sicher treffen, sowie ein Artillerieradar gegen feindliches Steilfeuer gehören dazu. Für Harling steht das Ziel der Übung fest. „Unsere Geschütze treffen präzise. Der Erfolg für unseren Einsatz in Litauen wird sich einstellen, wenn wir hochmobil, schnell und angepasst auf die geforderte Lage reagieren.“ Das Ziel ist: 30 Sekunden vom Einfahren des Geschützzuges in die Feuerstellung bis zum ersten Schuss in Richtung Feind. Dabei komme es auf jedes einzelne Geschütz an, so der Chef. Auch der Wechsel von einem Feuerstellungsraum in den nächsten muss immer wieder geübt werden. Um nicht durch feindliche Artillerie bekämpft zu werden, muss die Einheit immer in Bewegung bleiben. Bis zu achtmal am Tag muss dazu der drei mal drei Kilometer große Batteriefeuerstellungsraum gewechselt werden.
Das größte Geschütz der NATONorth Atlantic Treaty Organization
Feldwebel Sylvester Jeffrey Glüsing ist seit sieben Jahren Soldat und Geschützführer auf einer dieser Panzerhaubitze 2000. Nach seiner Grundausbildung und dem regulären Ausscheiden aus der Bundeswehr hat der 29-Jährige bei seiner Wiedereinstellung im Jahr 2017 alles auf die Artillerie gesetzt. Bereits drei Wochen nach seiner Einstellung folgte die Beförderung zum Unteroffizier. „Es war und ist für mich heute noch total reizvoll, auf dem größten in der NATONorth Atlantic Treaty Organization verfügbarem Geschütz eingesetzt zu sein.“ Insgesamt fünf Soldaten Besatzung, dazu 60 Granaten, was ungefähr drei Tonnen Artilleriemunition entspricht, finden in der Haubitze Platz. „Regulär bekämpfen wir Ziele bis in eine Entfernung von 30 Kilometern. Mit besonderer Munition können wir sogar bis auf 40 Kilometer schießen“, beschreibt Glüsing die Reichweite des Geschützes. „Jeder Platz auf dem Geschütz ist gleich wichtig. Erst wenn jeder seine Handgriffe beherrscht, werden wir schnell und sicher feuern können, sobald uns ein Feuerkommando erreicht“, erklärt er. Auf genau das komme es für die Panzerhaubitzen bei der Übung White Eagle an.
Ein Geschütz ist dabei in der Lage, bis zu sechs Granaten so abzufeuern, dass sie zeitgleich im Ziel einschlagen. Vier Panzerhaubitzen bilden einen kompletten Geschützzug. Die Kraftfahrer der Panzerhaubitzen sind dafür verantwortlich, dass die Geschütze sicher in ihre Feuerstellungen kommen.
1.000 PS jederzeit in fester Hand
Oberstabsgefreiter Jan Platte ist Kraftfahrer auf einer der Panzerhaubitzen. „3,54 Meter Breite, 57 Tonnen Gewicht und 1.000 PS fühlen sich enorm an. Dazu kommt der mächtige Rohrüberstand nach vorn“, erzählt er. Damit es an Engstellen nicht haarig wird, ist Platte bei einigen Fahrmanövern auf die Unterstützung der restlichen Besatzung angewiesen. Im Gefecht etwa und bei der Fahrt in die Feuerstellung bedient er die Haubitze tief unten sitzend in der Spitze der Haubitze. Die Umgebung nimmt der 28-Jährige dann lediglich durch Winkelspiegel wahr. Erst bei der Kolonnenfahrt auf der Straße schaut sein Kopf aus der Wanne der Panzerhaubitze ein wenig hervor. In der Haubitze kennt er sich aus. Die Ausbildungen zum Munitionskanonier und Richtkanonier hat er bereits vor seiner Kraftfahrausbildung absolviert. Die Mobilität der Haubitze liegt in seiner Hand, genau damit trägt der Oberstabsgefreite seinen Teil zum Erfolg der Mission bei.
Und wieder kommt vom Gefechtsstand über den Feuerleittrupp des Geschützzuges ein neues Feuerkommando. Die Joint Fire Support Soldaten der 1. Panzerdivision warten auf Feuerunterstützung in ihrem Gefechtsstreifen und die Panzerhaubitzen starten in ihren Feuerstellungsraum.