Heer
Simuliertes Szenario

Übung Schneller Degen: Vorbereitung auf den Bündnisfall

Übung Schneller Degen: Vorbereitung auf den Bündnisfall

Datum:
Ort:
Wildflecken
Lesedauer:
6 MIN

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Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine übt die 10. Panzerdivision das Szenario eines Angriffs auf einen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verbündeten. Im Gefechtssimulationszentrum Heer in Wildflecken trainieren vier Brigaden mit rund 1.300 Soldatinnen und Soldaten, darunter Kameradinnen und Kameraden der litauischen Iron Wolf Brigade, drei Wochen lang den Ernstfall.

Drei Offiziere in Flecktarn-Uniform knieen auf einer Wiese und blicken auf eine Karte.

Gute Vorbereitung ist alles: Offiziere der Panzerbrigade 12 (l.) und der Kommandeur der litauischen Iron Wolf Brigade, Oberst Mindaugas Petkevičius (r.), besprechen im Raum Schmalkalden anhand einer Karte ihre Erkundungsergebnisse.

Bundeswehr/Markus Richter

Die Truppen überqueren die Fulda oder die Werra. Die Orte heißen Bad Salzungen, Hammelburg oder Bad Hersfeld. Und wenn es Verwundete gibt, dann zum Glück nur am Bildschirm. Mit der computergestützten Stabsübung Schneller Degen 2022 trainieren rund 1.300 Soldatinnen und Soldaten der 10. Panzerdivision drei Wochen lang die Planung und Führung von Operationen zur Landes- und Bündnisverteidigung. Im Gefechtssimulationszentrum Heer in Wildflecken werden die Bilder, die sich derzeit in der Ukraine abspielen, für sie wieder ein Stück realer.

Was auf den Karten die heimische Rhön darstellt, trägt in der Übung den Namen „Pandora“. Auf dieser Insel mitten im Atlantik bedroht der fiktive Staat Wislanien das ebenso fiktive benachbarte NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglied Altraverdo. Nachdem diplomatische Verhandlungen gescheitert sind, ruft die Allianz den Bündnisfall nach Artikel 5 des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrags aus. Um den völkerrechtswidrigen Angriff abzuwehren und die Souveränität des Verbündeten wiederherzustellen, wird die 10. Panzerdivision mit fünf ihr unterstellten Brigaden nach Altraverdo verlegt. „Solche Szenarien üben wir in der NATONorth Atlantic Treaty Organization schon seit Jahren“, sagt Generalmajor Ruprecht von Butler, Kommandeur der 10. Panzerdivision.

Aktuell und realitätsnah

Ein Soldat steht auf einer großen Karte und hält einen Zeigestock mit roter Pfeilspitze.

Befehlsausgabe: In einer großen Halle mit Leinwänden und einer riesigen Karte auf dem Boden erklärt Generalmajor Ruprecht von Butler, Kommandeur der 10. Panzerdivision, den Brigadekommandeuren seine Idee des Gefechts

Bundeswehr/Markus Richter

Der am 24. Februar 2022 begonnene russische Angriff auf die Ukraine habe die Anlage der Übung im Kern nicht mehr stark beeinflusst. Allerdings mache die aktuelle Lage noch einmal deutlich, wie wichtig es sei, dass sich die Bundeswehr auf solche Szenarien umfassend vorbereite und die Soldatinnen und Soldaten die entsprechende innere Einstellung hätten. „Jeder und jede Einzelne muss bereit sein, den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung auch dann zu erfüllen, wenn nicht alle Bedingungen optimal sind“, sagt von Butler. Und zwar aus dem Stand heraus – und gemeinsam mit internationalen Partnern. Deswegen ist die Übungssprache durchgehend Englisch, und die Soldaten und Soldatinnen tragen in den drei Wochen permanent Helm, Waffe und ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzmaske bei sich. Ein plötzlicher ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Alarm auf dem Gefechtsstand gehört ebenso zum Übungsszenario wie der reale Cyberangriff, mit dem das Zentrum für Cyber-Operationen der Bundeswehr das gemeinsame Lagebild gestört und Drucker auf den Gefechtsständen ferngesteuert hat.

Gute Zusammenarbeit mit Litauen

Der Stab der 10. Panzerdivision trainiert mit dem Schnellen Degen die ihr unterstellte Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ aus Cham, die Gebirgsjägerbrigade 23 „Bayern“ aus Bad Reichenhall und die Deutsch-Französische Brigade aus Müllheim. Nach Wildflecken gekommen sind außerdem rund 300 Soldatinnen und Soldaten der litauischen mechanisierten Iron Wolf Brigade aus Rukla (bei Kaunas). Mit dieser Brigade übt die Bundeswehr bei der anerkannten Mission enhanced Forward Presence (eFPenhanced Forward Presence) bereits seit 2016 in Litauen an der Ostflanke der NATONorth Atlantic Treaty Organization regelmäßig. Die litauische Brigade wird in Wildflecken für die NATONorth Atlantic Treaty Organization zertifiziert. Für General von Butler steht der Erfolg schon früh fest: „Bei dieser Übung zeigt sich erneut, wie gut wir mit den Litauern zusammenarbeiten und wie eng das Verhältnis ist.“

Truppe am Boden wird komplett simuliert

Ein Soldat sitzt vor einem Rechner, eine Soldatin steht rechts daneben und zeigt auf den Bildschirm.

Alles nur simuliert: Rote und blaue Symbole auf der Landkarte zeigen am Bildschirm, wo Feindkräfte und wo eigene Truppen stehen

Bundeswehr/Markus Richter

Virtuell nehmen am Schnellen Degen über 25.000 Soldatinnen und Soldaten teil – in der Realität sind es 1.300. Denn die Truppen am Boden werden komplett simuliert, sie tauchen nur als kleine blaue oder rote Symbole auf den Karten und Lageplänen auf. Tatsächlich im Einsatz sind die Stäbe der Brigaden und der Division sowie das Personal des Gefechtssimulationszentrums, das den Feind darstellt. Das einzige Gefechtsfahrzeug, das die Veitshöchheimer Soldatinnen und Soldaten mit in die Rhön gebracht haben, ist ein Transportpanzer Fuchs – als Teil der beweglichen Befehlsstelle, mit der sich der Kommandeur zwischen den Gefechtsständen im Feld bewegt. „Zum Üben haben wir derzeit nur begrenzt Gerät verfügbar“, sagt von Butler. Ein Großteil sei in der Panzergrenadierbrigade 37 versammelt, die im nächsten Jahr die Speerspitze der NATONorth Atlantic Treaty Organization, die Very High Readiness Joint Task Force (VJTFVery High Readiness Joint Task Force ), stellt. Doch für den General ist eine andere Ressource viel wichtiger: „Auf das Personal kommt es an“, betont er, „ohne gut ausgebildetes Personal nützt uns das beste Material nichts.“

Wenn Medien Fake News streuen

Ein Soldat hält ein Mikrofon in der Hand und wird von einem Journalisten gefilmt.

Krieg der Bilder: Wie es ist, wenn in einem Krisengebiet Journalistinnen und Journalisten auftauchen, wird geübt. Ein Presseoffizier der Panzerbrigade 12 wird von echten Journalisten interviewt.

Bundeswehr/Markus Richter

Neben der Feindlage, der Lage der eigenen Kräfte und der zivilen Lage wird auf dem Übungsplatz in Wildflecken täglich auch eine Medienlage inszeniert: Beiträge in sozialen Medien, Online-Berichte, Nachrichtensendungen mit Bildern von Angriffen, flüchtenden Menschen und wütenden Bürgermeistern oder Fake-News-Kampagnen. Darauf müssen die zuständigen Kommandeure dann reagieren. So entkräftet beispielsweise Brigadegeneral Maik Keller vor der Kamera Vorwürfe einer pro-wislanischen Boulevard-Zeitung, dass Soldaten und Soldatinnen seiner Gebirgsjägertruppe in der Region um Grabfeld zwei junge Frauen, Angehörige der dort lebenden wislanischen Minderheit, überfallen und missbraucht haben sollen. Einem ähnlichen Diskreditierungsversuch sah sich die Bundeswehr 2017 beim Einsatz in Litauen ausgesetzt, als Unbekannte per E-Mails gezielt die Falschinformation streuten, deutsche Soldaten hätten sich an einer Minderjährigen vergangen.

Nichts ersetzt den Blick ins Gelände 

Litauische Offiziere mit grünem Barett und Schutzwesten blicken auf Karten und ins Gelände.

Seit Jahren enge Partner der 10. Panzerdivision: die litauische mechanisierte Iron Wolf Brigade. Deren Kommandeur, Oberst Mindaugas Petkevičius (l.), lässt sich von einem Offizier die Geländebeschaffenheit der Rhön im Raum Schmalkalden erklären.

Bundeswehr/Markus Richter

Einen wesentlichen Teil der Operationsplanung übt die 10. Panzerdivision beim Schnellen Degen weiter ganz herkömmlich: die Erkundung des Geländes. Einige Tage lang sind die beteiligten Kommandeure rausgefahren und haben sich ein eigenes Bild von markanten Orten ihres Operationsgebietes zwischen Fulda und Werra gemacht. Wie eng ist das Tal, wie breit der Fluss, wie hoch der Berg? Wie und wo kann man den Feind geschickt blockieren? „Solche Fragen lassen sich am besten beantworten, wenn man die Umgebung, in der Operationen stattfinden, wirklich gesehen hat und im Gelände plant“, sagt von Butler, der die Region selbst von Kindesbeinen an kennt. Auf das Gelände komme es ganz wesentlich an. „Vor Ort bekommt man ein ganz anderes Gefühl dafür und kann auch die Grenzen des eigenen Handelns sehr viel besser einschätzen.“ Das gelte insbesondere für Landstreitkräfte.

Auch die Bevölkerung muss vorbereitet sein

Zwei Soldaten und ein Zivilist im Anzug stehen vor einem Radpanzer.

Generalmajor Ruprecht von Butler (l.) und Brigadegeneral Maik Keller, Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, empfangen den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann in der Rhön-Kaserne

Bundeswehr/Markus Richter

Zum Standardprogramm der drei Übungswochen in Wildflecken gehören auch Besuche hochrangiger Gäste, darunter dieses Mal der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, der Generalstabschef der litauischen Streitkräfte, Generalleutnant Valdemaras Rupšys, oder der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Auch Landräte und Landrätinnen und Bürgermeister sowie Bürgermeisterinnen aus der Region sind eingeladen, sich auf dem Übungsplatz anzusehen, wie und mit welchen Mitteln die Bundeswehr ihren Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung umsetzt. Im Ernstfall kommt es nämlich nicht nur auf die Einstellung der Soldatinnen und Soldaten an, sondern wesentlich auch auf die Reaktion der Bevölkerung. „Wir müssen den Menschen erklären, was wir hier machen“, sagt der Divisionskommandeur. Deutschland stelle sich aufgrund seiner geografischen Lage als „Drehscheibe“ auch für Streitkräfte anderer Nationen auf. „Wir müssen den Menschen klarmachen, dass einsatzbereite Streitkräfte ihrem Schutz dienen.“

Alle müssen ihre Aufgaben an ihren Plätzen kennen

Die 10. Panzerdivision führt die Übung Schneller Degen regelmäßig durch. Im vergangenen Jahr fand das Manöver erstmals in Litauen statt. Die nächste Auflage in Deutschland ist für 2024 geplant. Die Ziele dieser simulierten Einsätze ähneln sich von Jahr zu Jahr. Für den Divisionskommandeur ist zunächst wichtig, „dass wir die Interoperabilität mit multinationalen Partnern erproben“. Sein Chef des Stabes erkennt diese Notwendigkeit auch für die nationale Ebene. „Wir müssen die Zusammenarbeit mit den uns unterstützenden Elementen üben“, sagt Oberst Ralf H. Für den Schnellen Degen 2022 seien Soldatinnen und Soldaten aus mehr als 20 weiteren Einheiten aus allen Teilen Deutschlands, unterschiedlichen Organisationsbereichen und auch Standorten zusammengezogen worden, um die Division zu unterstützen. Im Ernstfall bräuchten alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis für das taktische Vorgehen, die Methoden und Prozesse. „Jeder muss seine Aufgabe und seinen Platz im Gefüge der Division ganz konkret kennen“, sagt H. „Und das müssen wir öfter üben.“

von Simone Meyer

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