Feuer aus allen Rohren
Feuer aus allen Rohren
- Datum:
- Ort:
- Baumholder
- Lesedauer:
- 4 MIN
Mit dem 1. Juli 2020 ist die European Union Battlegroup (EUGB) in Bereitschaft. Bis zu 4.100 Männer und Frauen der Bundeswehr sind im kommenden Halbjahr Teil dieser EUEuropäische Union-Eingreiftruppe, den Kern stellen die Fallschirmjäger des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken. Wenige Tage vor Beginn ihrer Bereitschaftsphase üben sie ein letztes Mal in Baumholder.
Aus der Entfernung sind Detonationen zu hören, der Boden vibriert spürbar. Auf einem Hang steigen plötzlich Rauchwolken auf. Nacheinander schlagen die Mörserpatronen der Fallschirmjäger ein. Auf einer Wiese in drei Kilometer Entfernung haben sie vor wenigen Minuten ihre Waffen in Stellung gebracht. Gemeinsam mit den Waffenträgern Wiesel gehören die Mörser 120 mm, eine Vorderlader-Steilfeuerwaffe, zu den schweren Waffen der EUBGEuropean Union Battlegroup. Mit ihnen gelingt es dem Kommandeur, seine Kräfte zu bündeln oder sie gegebenenfalls schnell zu verlagern. Doch das Zusammenspiel dieser Waffen muss geübt sein. Denn der Faktor Zeit macht die EUBGEuropean Union Battlegroup erst zu dem, was sie ist: eine Eingreiftruppe, die binnen kürzester Zeit ihre Waffensysteme zur Wirkung bringen kann.
Fallschirmjäger besonders flexibel
Für diesen Auftrag zeichnen sich Fallschirmjäger als luftbewegliche Infanterie durch ein hohes Maß an Flexibilität, Einsatzbereitschaft und Anpassungsfähigkeit aus, entsprechend dem Motto der Division Schnelle Kräfte: Einsatzbereit. Jederzeit. Weltweit. Sämtliche Waffen und Fahrzeuge werden als Fracht angelandet. Das Personal selbst gelangt per Fallschirm an den Einsatzort. Haben sie ihre Ausrüstung aufgenommen, können sie direkt nach der Landung den infanteristischen Kampf aufnehmen, bei Tag und bei Nacht.
Zielsicherheit muss geübt sein
Hier in Baumholder aber fokussieren sich die Fallschirmjäger mit ihrem Training nicht auf die Landung, sondern speziell auf die Waffenwirkung, die rasche Feuerbereitschaft und die Ausbildung der Mörserschützen. Die Mörser 120 mm sind schlagkräftige Waffen im infanteristischen Kampf. Als Flächenwaffe bieten die steil in die Luft ragenden Rohre mit ihren fast 14 Kilogramm schweren Patronen Unterstützungsfeuer von oben. Sie halten den Gegner in der Deckung oder zerschlagen ihn, bevor es ihm gelingt, eigene Truppe zu bekämpfen. Doch die Bediener der Mörser müssen schnell sein, um nicht selbst zum Ziel zu werden. Regelmäßig müssen sie daher ihre Feuerstellung verlassen. Am Ende zählt für die Soldaten, zielsicher zu sein, auch unter Zeitdruck und viel Bewegung.
Präzise Arbeit vor dem Schuss
Rasch beziehen die Infanteristen mit ihren „Wölfen“, dem leichten Geländewagen der Truppe, ihre Feuerstellung. Zunächst setzen die Fallschirmjäger ihren Mörser aus den insgesamt gut 170 Kilogramm schweren Einzelteilen wie ein Puzzle aus Stahl zusammen. Die massive Bodenplatte wird in den Erdboden gerammt. Dann werden alle Mörser, meistens drei bis vier an der Zahl, optisch per Richtkreis und Kompass in eine einheitliche Grundrichtung gebracht.
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Mit dem Grundmörser in der Mitte schießen sich die Beobachter regelrecht auf das Ziel ein. Sie haben Sichtkontakt zum Ziel und sind vorne nah am Gegner eingesetzt. Dazu erhält der Mörsertruppführer die Einstelldaten per Funk und gibt diese an den Richtschützen und den Ladeschützen weiter. Ist der Mörser feuerbereit, reicht der Munitionsschütze die Mörserpatrone weiter.
Die Erde bebt
Auf Befehl wird die Patrone angesetzt, sprich von oben fast komplett in das Rohr eingeführt und gehalten. Bei dem Ruf „Feuer!“ lässt der Ladeschütze die Patrone von oben fallen. Die Detonation ist so stark, dass die 64 Kilogramm schwere Bodenplatte in den Boden geschossen wird. Dreck und Staub fliegen durch die Luft. Der Mörser muss dabei durch das Personal stabilisiert werden. Besondere Herausforderung: Bei Nässe kann der Mörser durch die Explosion regelrecht in den Boden wandern. Der Trupp muss den Mörser auch unter schlechten Witterungsbedingungen funktionsfähig halten.
Darauf müssen die Soldaten achten
Die Detonation des Sprengstoffs geht durch den ganzen Körper, die Soldaten brauchen eine entsprechende Schutzausstattung. So trägt das Personal doppelten Gehörschutz. Die Soldaten benötigen jedoch künftig noch den dazu passenden Gefechtshelm, um beides in der Kombination tragen zu können. Um sich selbst nicht zu gefährden, müssen alle Soldaten den genauen Ablauf beachten. Denn jeder kleinste Fehler kann fatale Folgen haben. Nach dem Loslassen der Patrone gehen sie nach unten und schützen sich, bis die Patrone mit enormer Kraft das Rohr verlassen hat.
Näher als eine Panzerhaubitze
Durch den Sprengstoff wird die Patrone bis zu 3.400 Meter hoch in den Himmel geschossen. Ein durchschnittlicher Flug dauert circa 35 bis 45 Sekunden. Der Mörser verschiebt sich durch die Detonation. Dadurch muss die Waffe ständig nachjustiert werden, um die eigenen Soldaten nicht zu gefährden. Vorteil: Durch das indirekte Feuer können Ziele auf einer minimalen Entfernung von 500 Metern bekämpft werden. So nah schafft das nicht einmal eine Panzerhaubitze. Für die Fallschirmjäger und die gesamten Krisenreaktionskräfte der EUEuropäische Union ist dies eine entscheidende Fähigkeit.