Vorwärts, immer vorwärts!
Vorwärts, immer vorwärts!
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Die Ausbildung „Überleben im Dschungel“ ist legendär, doch es gibt sie wirklich. Im südamerikanischen Französisch-Guyana, beim 3. Infanterieregiment der Fremdenlegion, kommt es neben dem Überleben aber auch auf das Kämpfen an. Der sogenannte Jaguar-Lehrgang ist einer der international anspruchsvollsten Lehrgänge. Ein deutscher Soldat war dabei.
Der Jaguar-Lehrgang findet im Centre d´Entraînement en Forêt Équatoriale, kurz CEFE, dem Ausbildungszentrum Regenwald, statt. Er hat zum Ziel, Zugführer für den Dschungelkampf auszubilden. Sie werden hier befähigt, infanteristische Operationen im Regenwald vorzubereiten, umzusetzen und nachzubereiten. Infanteristische Operationen heißt: Kampf zu Fuß.
Dafür werden die Soldaten körperlich, technisch und taktisch ausgebildet. Sie lernen, Hindernisse im Regenwald zu überwinden, zu überleben und im Dschungel zu kämpfen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Führungsqualitäten unter physischem und psychischem Stress. All das ist notwendig, um die innere Stärke zu entwickeln, um später andere Soldaten führen zu können. Ein Soldat der Infanterieschule des Heeres hat sich dieser Herausforderung gestellt.
Freiwillige aus 150 Ländern
Hauptfeldwebel K.* ist Einzelkämpferausbilder beim Deutschen Heer. Durch seine langjährige eigene Ausbildung startete er daher körperlich top vorbereitet und auch psychisch hoch belastbar in den Lehrgang weit weg der Heimat. Fasziniert war K. schon von Karrierebeginn an von der Fremdenlegion. So kannte er auch deren vergangene Einsätze, Strukturen und wusste vorher, auf was er sich mit dem Lehrgang einließ.
Von seinen eigenen Erfahrungen im Regenwald erzählt er erstaunlich undramatisch – insofern ist er ein Solitär und sicher nicht mit anderen Teilnehmern oder Teilnahmewilligen vergleichbar.
Die Fremdenlegion (Légion étrangère) ist ein Großverband des französischen Heeres (siehe Infokasten). In ihr dienen Freiwillige aus mehr als 150 Nationen als Zeitsoldaten.
Akklimatisieren, abhärten, kämpfen
Die Ausbildung im Lager Camp Szuts am Rande der Gemeinde Régina im Südosten Guyanas ist in vier Phasen gegliedert. Alle haben eine Dauer von ungefähr je zwei Wochen.
Die Soldaten beginnen mit der sogenannten Akklimatisierungsphase. Das klingt entspannt, ist jedoch alles andere als das: In jedem Abschnitt des Lehrgangs wird den Soldaten zu jeder Zeit alles abverlangt. In dieser ersten Phase werden sie geistig und körperlich auf den Lehrgang vorbereitet. Es gibt noch keine Aktivitäten, die bewertet werden. Es erfolgen theoretischer Unterricht, Waffenausbildung, Hindernisbahn und Schwimmen.
Daran schließt sich die Phase Abhärtung an. Zu deren Beginn absolvieren die Soldaten die Eingangstests und verlegen in das Ausbildungszentrum Regenwald. Hier folgt die härteste Phase des Lehrgangs, wo mancher auch aufgibt oder aufgeben muss. Sie beinhaltet neben Einzel- und Gruppenhindernisbahnen eine Überlebensphase sowie alle notwendigen Ausbildungen für Leben und Gefecht im Regenwald. „Hier war für mich klar: Entweder du ziehst mit oder du wirst abgelöst“, erklärt K. rückblickend.
Daraufhin folgt die Phase Kampftechniken. Hierbei werden die Soldaten im Dschungelkampf auf Zugebene ausgebildet. Neben dem Tag- und Nachtschießen gehören dazu die Verwundetenversorgung im Einsatz, der Nahkampf und infanteristische Aufträge. Auch luftbewegliche Verfahren und taktische Ausbildung erfolgen hier.
Im Anschluss werden die Soldaten in einer elftägigen Abschlussübung geprüft. Hierbei müssen sie alle ausgebildeten Inhalte abrufen können. Jeder der Teilnehmer führt dabei eine bewertete Übung durch. Hauptfeldwebel K. glänzte hierbei, denn er schloss mit Bravour ab.
Flora, Fauna und Klima
Nicht nur die körperlichen Herausforderungen und der psychische Druck des Lehrgangs setzen einem zu: Das äquatoriale Klima, der Regenwald sowie die Insekten- und Tierwelt leisten ihr Übriges. „Der Lehrgang würde allein wegen der Rahmenbedingungen in Deutschland nicht in dieser Form stattfinden können. Es ist schon etwas anderes – egal, ob der Führungsstil, die Belastungen, die auf einen wirken, oder eben das Klima und die Umgebung“, ergänzt K.
Tropische Temperaturen um die 28 bis 32 Grad Celsius im Jahresverlauf sind zwar heftig, sollten aber keine größeren Herausforderungen für einen trainierten Menschen darstellen. Doch die permanent hohe Luftfeuchtigkeit von mehr als 80 Prozent strapaziert den Organismus stark, denn der Körper kann nur wenig Wärme nach außen abgeben und gibt ständig Wasser ab. Das alles gepaart mit starker körperlicher Anstrengung ergibt eine Extremsituation.
Zudem leben zwei Drittel aller bekannten Tier- und Pflanzenarten in den Tropenwäldern. Klingt atemberaubend, jedoch sagen sich hier nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht. Sondern auch Raubkatzen wie beispielsweise der Jaguar, Giftschlangen, Reptilien und eine Vielzahl unangenehmer, teils lebensgefährlicher Insekten.
Auch das Fortkommen beschränkt sich in weiten Teilen, wenn überhaupt, auf den Marsch zu Fuß. Denn abseits der wenigen Straßen und Wege beherrscht der Regenwald die Landschaft. Daher gehört die Machete zur Standardausrüstung. Ranken und Mangroven versperren den Weg. Stacheln an nahezu jeder Pflanze erinnern daran, wachsam zu bleiben. Nicht umsonst beträgt die Marschgeschwindigkeit meist unter einem Kilometer pro Stunde.
Persönliche Grenzerfahrung
Das alles war für K. persönlich allerdings nicht wirklich heikel. Sein Fazit: „Der Lehrgang war anstrengend. Mit der nötigen Vorbereitung ist er für jeden Soldaten machbar. Eine der größten Herausforderungen war die sprachliche Barriere. Daher lege ich jedem Soldaten, der diesen Lehrgang besucht, ans Herz, zumindest etwas Französisch zu lernen.“ K. würde den Lehrgang immer wieder machen.
Motivation für ihn waren vor allem die außergewöhnlichen Erfahrungen, die er als Ausbilder von Einzelkämpfern an künftige Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitergeben kann. Zudem schätzt er die persönliche Grenzerfahrung: „Ich stelle mich gern neuen Aufgaben und möchte als Ausbilder über den Tellerrand blicken und die Scheuklappen abnehmen, sodass ich den Soldatinnen und Soldaten möglichst viel mitgeben kann.“
Was sich ihm besonders eingebrannt hat, war der Korpsgeist im Lehrgang und unter den Soldaten der Fremdenlegion: „Dieser Geist war beeindruckend und in jeder Facette des Lehrgangs zu spüren: Wir waren eins. Daher war auch Aufgeben nie eine Option für mich!“
Er freue sich, seinen Erfahrungsschatz erweitert zu haben im Bereich des Dschungelkampfes. Egal, ob Flora oder Fauna: Für Hauptfeldwebel K. war es ein riesiges Abenteuer.
*Name zum Schutz abgekürzt.