Überleben hinter feindlichen Linien
Überleben hinter feindlichen Linien
- Datum:
- Ort:
- Idar-Oberstein
- Lesedauer:
- 3 MIN
Abgeschnitten von der Außenwelt und im Feindesland. Was ist zu tun, wenn man in so einer Situation auf sich gestellt ist? Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines sogenannten SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction B-Lehrgangs erlernen Verfahren und Techniken, wie sie überleben und wieder zurück zur Truppe gelangen können.
Was bedeutet SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction? Survival – Evasion – Resistance – Extraction, zu Deutsch: Überleben, Ausweichen/Flucht, Widerstand und Rückführung.
Survival: als versprengter oder isolierter Soldat auf sich allein gestellt überleben
Evasion: dabei feindlichen Kräften ausweichen
Resistance: Taktiken und Verhaltensweisen gegen Gefangennahme oder mögliche Verhöre entwickeln
Extraction: zur eigenen Truppe zurückkehren
Es gibt drei verschiedene SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Stufen:
Level A ist eine ausschließlich theoretische Ausbildung. Hier wird das Bewusstsein für potenzielle Gefahren geweckt, die Grundlagen der Personenrückführung vermittelt, und die Lehrgangsteilnehmenden werden auf das Überleben in feindlicher Umgebung vorbereitet.
Level B ist die Mindestanforderung für Soldatinnen und Soldaten mit mittlerem Risiko, von eigenen Kräften abgeschnitten zu werden. Daher wird sowohl theoretisch als auch praktisch ausgebildet. Weitere Themen sind die Überlebensausbildung mit Unterkunftsbau, Feuermachen, Wasser- und Nahrungsaufbereitung. Ein entscheidender Punkt ist das korrekte Verhalten bei der Wiederaufnahme durch Personenrückführungsteams (Personnel Recovery Teams). Eine Durchschlageübung gehört zusätzlich zum Lehrgang dazu.
Level C vermittelt darüberhinausgehende Fertigkeiten im Überleben und Durchschlagen sowie zweckmäßiges Verhalten in Kriegsgefangenschaft. Widerstand gegen Befragung (Resistance to Interrogation) ist ein zusätzliches Modul vornehmlich für Spezialkräfte und Luftfahrzeugbesatzungen.
Auch Artilleristen sind hart im nehmen
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- Urheberrecht:
- © Bundeswehr/Anica Kuyumdjan
Bereits 2020 gelang es durch einen eigenen SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Instructor, die ersten Soldatinnen und Soldaten auf dem Level B auszubilden. Damit wurde der Grundstein für die aktuelle zweiwöchige Ausbildung von circa 45 Teilnehmenden gelegt. Vom jungen Gefreiter bis zum Oberleutnant ist alles dabei.
In der ersten Woche wird in Unterrichtseinheiten und Vorträgen alles beigebracht, was sie wissen müssen. In der zweiten Woche geht es raus in das professionell hergerichteten Waldklassenzimmer des Artillerielehrbataillons 345. Dort lernen die Soldatinnen und Soldaten all das praktisch, was sie zum Überleben brauchen: Was gibt es für Möglichkeiten der Unterkunft und wie baue ich sie? Welche Feuerarten gibt es? Wie bereite ich mir mein Frischwasser auf? Was kann ich essen? Und wie fange ich mein Essen? All das wird innerhalb mehrerer Stunden vermittelt, bevor es in das Nachtlager und die anschließende 36-stündige Durchschlageübung geht.
„Man muss beißen können“
Im Übungsszenario werden die Teilnehmenden „angeschossen“ und müssen versuchen, dem Feind zu entkommen. Das ist nicht leicht, wenn der Feind immer wieder nachrückt und mit Hunden auf der Suche ist. Da kann selbst ein kleiner Fluss bereits eine Rettung sein, um seine Spuren zu verwischen, auch wenn das Wasser bis zu den Knien und höher reicht. Vor den Teilnehmenden liegt nun unwegsames Gelände: „Sie lernen so richtig den Hunsrück kennen, mit seinen Höhen und Tiefen“, kommentieren Ausbilder Hauptfeldwebel Jan F. und der Kommandeur Oberstleutnant Timo Kaufmann die Ausbildung. Sobald sie dem Feind entkommen sind, heißt es dann: die Heimkehr planen, Kontakt mit der Truppe versuchen herzustellen, Essen und Trinken organisieren, wenn Zeit ist, eine Unterkunft bauen und das Wichtigste: Sich nie erwischen lassen. Ein Lehrgangsteilnehmer fasst die fordernde Ausbildung kurz und knapp mit den Worten zusammen: „Knackig, man muss beißen können, und es ist wahnsinnig spannend.“
Warum braucht die Artillerie die SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction B-Ausbildung?
Das Artillerielehrbataillon 345 stellt Personal für die Schnelle Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, die Very High Readiness Joint Task Force (VJTFVery High Readiness Joint Task Force). Neben den Joint-Fire-Support Teams (JFSTJoint Fire Support Teams), die unmittelbar gemeinsam mit der Kampftruppe eingesetzt werden, sind auch die Artilleriegeschütze und die Aufklärungsmittel des Bataillons weit vorn an einer möglichen Front eingesetzt. Somit kann es auch passieren, dass die Soldatinnen und Soldaten im schlimmsten Fall vom Feind überrannt oder angeschossen werden. Dann müssen sie in der Lage sein, sich im Feindgebiet wieder zurück zur eigenen Truppe durchschlagen zu können.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein großer Teil des VJTFVery High Readiness Joint Task Force-Personals, das zum Beispiel die Panzerhaubitze 2000 oder den Raketenwerfer MARSMittleres Artillerieraketensystem II bedient, konnte ausgebildet werden. Sogar ein Kamerad aus dem ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrbataillon 750 war dabei und soll zeitnah zum SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Instructor ausgebildet werden, um dann in seiner Truppengattung die SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Ausbildung vorantreiben. All dies verdankt das Artillerielehrbataillon 345 den hervorragend geschulten eigenen Ausbildern.