Heer
Projekt des Ausbildungskommandos

Tauchen gegen das Trauma (2)

Tauchen gegen das Trauma (2)

Datum:
Ort:
Leipzig
Lesedauer:
4 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Mit Unterstützung des Leipziger Ausbildungskommandos hat am 4. September 2021 das Projekt „Diving for all“ am Schladitzer See, nördlich von Leipzig, begonnen. Tauchen soll als neuer Therapieansatz für Soldaten erprobt werden, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBSPosttraumatische Belastungsstörung) leiden.

Zwei Menschen stehen mit Tauchausrüstung im Wasser. Ein anderer beobachtet sie.

Ein Teilnehmer des Projekts bespricht seinen Tauchgang mit einem Tauchlehrer.

Bundeswehr/Alexander Pensch

Ein ganzes Wochenende verbringen neun Soldaten, die von PTBSPosttraumatische Belastungsstörung betroffen sind, mit ihren Familien in Leipzig. Sie haben sich für das Projekt „Diving for all“ angemeldet. Die Betroffenen leiden unter den Folgen ihres Auslandseinsatzes, erleben die traumatisierende Situation in Flashbacks und Albträumen immer wieder. Reizbarkeit, Schlafstörungen, soziale Abschottung, Abflachung der Interessen oder emotionale Taubheit können die Folgen sein. Durch ihre Lotsen, Sozialdienste, Truppenärzte oder Psychologen wurden die betroffenen Soldaten, die sich in medizinischer Behandlung befinden, für das Tauchprojekt ausgewählt. Besonders ist auch, dass alle durch ihre Familie und engen Angehörige begleitet werden, denen ebenfalls die Möglichkeit zum Tauchen geboten wird. Das Ziel dahinter: Zusammen ein Wochenende abseits des Gewohnten verbringen, sich gemeinsam einer unbekannten Herausforderung stellen und dieses positive Erlebnis für den Alltag speichern.

Britische Armee mit ähnlichem Programm

Ein Mann sitzt auf einer Bank. Vor ihm stehen zwei Journalisten mit einer Kamera und interviewen ihn.

Auch für Journalisten ein Gesprächspartner: Oberst Matthias Dierks, der Initiator des Projekts „Diving for all“.

Bundeswehr/Susanne Rehwagen

Die Idee für das Projekt hatte Oberst Matthias Dierks vom Leipziger Ausbildungskommando: „Ich bin selbst passionierter Taucher. Während meiner Ausbildung zum Tauchlehrer war ich eine ganze Zeit lang auf Gozo, einer kleinen Nebeninsel von Malta. Dort habe ich durch Zufall ein ähnliches Programm der britischen Armee kennengelernt, die dort etwas Vergleichbares gemacht haben. Und ich habe einfach diese Idee mitgenommen, weil ich es großartig fand, wie die Teilnehmer, mit denen wir da unter Wasser waren, alle mit einem Lächeln wiederaufgetaucht sind – trotz ihrer Traumatisierung.“

Das Lächeln ist auch bei allen Schnuppertauchern zu sehen, als sie aus dem Schladitzer See nach ihrem Tauchgang wieder an Land kommen. „Es war sehr interessant, die Unterwasserwelt zu sehen. Es war sehr befreiend, angenehm, schwerelos. Ich glaube, ich habe ein neues Hobby entdeckt“, zieht einer der Teilnehmer nach seinem rund 30-minütigem Tauchgang Bilanz.

Feinfühlige Einweisung

Mehrere Menschen sitzen an zwei langen Biertischen am Ufer eines Sees. Vor ihnen stehen Tauchlehrer.

Am Abend vor dem Tauchgang machen sich alle Teilnehmer und ihre Familien mit der Tauchausrüstung vertraut und lernen die Tauchlehrer kennen.

Bundeswehr/Susanne Rehwagen

Soziale Abschottung und Unruhe sind nur zwei von vielen möglichen Symptomen, die durch die PTBSPosttraumatische Belastungsstörung nach außen sichtbar sind. Beim Tauchen aber gilt es, Vertrauen in sich selbst, in die eigenen Fähigkeiten und in das Material zu haben, sich auf die Tauchlehrer einzulassen und sich auf seinen „Buddy“ zu verlassen. Dass bei der Begrüßung beim Tauchcenter am Freitagabend circa 40 Personen anwesend sind, ist für den einen oder anderen Teilnehmer bereits eine Herausforderung. Anzusehen ist es keinem der Betroffenen. Das weitläufige Gelände, die feinfühlige Einweisung durch die Tauchlehrer und allein das Wissen, dass alle betroffenen Soldaten und Familien mit ähnlichen Alltagsproblemen zu kämpfen haben und dadurch vertrauensvoll sind, schaffen für das Projekt optimale Rahmenbedingungen.

Dennoch ist eine gewisse Aufregung, auch bei den Familienangehörigen, spürbar. Aber einmal im Wasser stellt sich bei allen schnell eine innere Ruhe ein. Man sagt, unter Wasser gibt es keinen Stress.

Tauchen als reguläres Angebot geplant

Drei Männer stehen zusammen und unterhalten sich.

Oberst Matthias Dierks (v. l.), Generalarzt Dr. Ralf Hoffmann und Oberfeldarzt Dr. André Zeglin betreuen die PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Betroffenen beim Tauchgang und stehen ihnen als Ansprechpartner zur Seite.

Bundeswehr/Alexander Pensch

„Diving for all“ wird vom Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhauses Berlin als Pilotdurchgang begleitet. Bereits in 2022 soll das Tauchprojekt in mindestens zwei weiteren Durchgängen erneut durchgeführt werden. Das langfristige Ziel dabei ist, das Tauchen in den Therapieplan für PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Betroffene aufzunehmen.

Auch der PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Beauftragte im Bundesministerium der Verteidigung, Generalarzt Dr. Ralf Hoffmann, ist am Schladitzer See vor Ort: „Wir versprechen uns von dem Tauchprojekt drei Sachen. Zunächst, dass die Einsatzgeschädigten mal rauskommen. Dann soll es zugleich etwas Neues zum Ausprobieren sein – das ist der zweite Aspekt und eine gewisse Herausforderung. Sie müssen sich überwinden, auch wenn es nicht leichtfällt – insbesondere, wenn man das Tauchen nicht kennt. Es gibt aber einem hinterher ein gutes Gefühl, wenn man es geschafft hat. Das ist der dritte und wesentliche Aspekt.“

Dank an die Unterstützer

Glatte Wasseroberfläche eines See in der Dämmerung, am Horizont geht die Sonne unter.

Ruhe und Selbstvertrauen finden: Sonnenuntergang am Schladitzer See bei Leipzig

Bundeswehr/Susanne Rehwagen

Oberst Dierks wurde bei dem Vorhaben von zahlreichen Institutionen und Personen unterstützt. Das Tauchcenter All-on-Sea am Schladitzer See hielt die Location sowie die Tauchlehrer für zwei Tage bereit. Die gesamte Tauchausrüstung wurde von der Firma Mares/SSI zur Verfügung gestellt. Das Bundeswehr-Sozialwerk e. V.eingetragener Verein mit dem sogenannten „Kleinen Netzwerk der Hilfe“ und der Förderverein zur Unterstützung der Arbeit mit Versehrten am Standort Warendorf e. V.eingetragener Verein unterstützten das Projekt finanziell, gewährleisteten die Unterbringung und Verpflegung aller Angereisten. Der Freundeskreis der Bundeswehr Leipzig e. V.eingetragener Verein sorgte dafür, dass alle Familien am Sonntag noch einen Freizeitpark, den Zoo oder andere Ausflugsziele in und um Leipzig besuchen konnten, so dass das Wochenende für alle einen runden Abschluss fand.

Dierks resümierte am Abend nach dem letzten Tauchgang. „Danke an alle Helfer und Unterstützer, die das Projekt möglich gemacht haben. Ich danke allen Teilnehmenden für die Offenheit, die tolle Stimmung und vor allem den Mut, sich auf unsere Idee einzulassen. Ihr könnt alle sehr stolz auf Euch sein!“ 

von Susanne Rehwagen

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

zum Thema