Heer
Absolut stark im Hintergrund

Starke Reserve: Die Oldenburger Jäger

Das nicht aktive Unterstützungsbataillon Einsatz 1 gehört der 1. Panzerdivision im niedersächsischen Oldenburg an. Jedes Jahr ist voller Ausbildungen und die Angehörigen meistern den Spagat zwischen zivilem Beruf und Dienst in Uniform.

Ein Soldat unter einem Tarnbezug mit einem Gewehr im Anschlag.

Sie unterstützen die aktiven Soldatinnen und Soldaten der 1. Panzerdivision und erfüllen Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Reservistinnen und Reservisten des Unterstützungsbataillons Einsatz 1 führen ein Doppelleben. Im zivilen Leben sind sie Angestellte, Beamte, Freiberuflerinnen oder auch einfache Arbeitnehmer. Mit dem Selbstverständnis, dem Land, in dem sie leben, etwas zurückzugeben, sich für die Gesellschaft und Sicherheit zu engagieren, sind sie Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Unter anderem auf dem Truppenübungsplatz Bergen haben sie intensiv dafür trainiert.

Auf Augenhöhe mit den aktiven Angehörigen des Heeres sind sie in die Verteidigung Deutschlands und auch des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisses voll integriert. Der Schwerpunkt ist natürlich die Ausbildung. Jedes Jahr aufs Neue bilden die Reservisten aus und gewinnen neue Soldaten dazu. Die Ausbildung motiviert und die Leidenschaft zu Dienst treibt sie an.

Ein Jahr Reserve

Kommandeur Wolfermann im Interview

Ein Soldat mit grünem Barett schaut freundlich zum Porträt in die Kamera.

Oberstleutnant Marco Wolfermann ist der Kommandeur des Unterstützungsbataillons Einsatz 1. Im Jahr 2017 hat er das Bataillon aufgestellt.

Bundeswehr/Carl Schulze

Herr Oberstleutnant, Sie sind seit 2017 Kommandeur des Bataillons, Sie haben es mit aufgebaut. Wie hat alles angefangen?

Nach Verwendungen im Heimatschutz war ich stellvertretender Kommandeur im Panzergrenadierbataillon 908. Für die 1. Panzerdivision sollte das Unterstützungsbataillon Einsatz 1 neu aufgestellt werden. Ich bin sehr stolz, dass ich das Bataillon seit der ersten Stunde führen darf. Im März 2018 haben wir dann unsere erste dreiwöchige Übung absolviert. Viele Kameradinnen und Kameraden, die damals diese ersten Schritte mit mir gegangen sind, stellen sich bis heute immer wieder mit großer Hingabe den aktuellen Herausforderungen.

Von 2017 bis heute hat sich das Bild der Bundeswehr gewandelt, so auch das Bild der Reserve. Können Sie diesen Wandel bitte kurz beschreiben und erklären, welchen Auftrag Sie mit den Männern und Frauen in Ihrem Bataillon ganz aktuell haben?

Ja, ganz klar unterliegt die Reserve dem gleichen Wandel wie auch die gesamte Bundeswehr. Entlang der weltpolitischen Veränderungen rücken die Streitkräfte mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft. Wir als Reservisten stehen, wie niemand anders, zwischen der Gesellschaft und der Bundeswehr. Wir werden von Zivilisten oft nach unserer Arbeitsweise, den Abläufen und nach dem Wert des Dienstes gefragt. Generell erleben wir eine höhere Wertschätzung.

Reservebataillon – ist für einige eine unbekannte Größe. Beschreiben Sie bitte kurz die Struktur Ihres Bataillons. Wie viele Männer und Frauen gibt es dort und für wie viele haben Sie noch Platz im Bataillon?

Wir sind der 1. Panzerdivision mit Sitz in Oldenburg unterstellt. Unser Hauptauftrag ist die Sicherung des Divisionsgefechtsstandes. In zwei Kompanien haben wir dafür rund 260 Dienstposten zur Verfügung. Interessenten können sich über unseren Verein Oldenburger Jäger e. V.eingetragener Verein oder direkt an uns werden. Dann erhalten sie die Möglichkeit, die Reserve aktiv zu erleben. Wir legen Wert auf die Eignung und die Ernsthaftigkeit der Absicht. Also ja, wir sind immer daran interessiert unser Bataillon weiter auszubauen.

Lassen Sie uns auf ein Jahr Unterstützungsbataillon Einsatz 1 zurückblicken. Sie gehören der Truppengattung Jäger an. Was sind die Schwerpunkte in der Ausbildung?

Die Soldatinnen und Soldaten des Unterstützungsbataillons Einsatz 1 erfüllen die Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung und sind zugleich integraler Bestandteil der Divisionstruppen der Panzerdivision. Als Jäger gehören wir zu den Kampftruppen und sind für den Kampf in bebautem oder stark bewaldetem Gelände ausgebildet. Kern der Ausbildung ist die infanteristische Aus- und Weiterbildung unseres Personals. Dazu gehören auch weitergehende Waffenausbildungen, etwa am G28 oder eine deutlich intensivierte Sanitätsausbildung. Aber auch die Weiterbildung und Qualifizierung der militärischen Führer spielt eine große Rolle.

Was waren die Schwerpunkte im letzten Ausbildungsjahr?

Grundsätzlich haben wir zwei wesentliche Ausbildungsstränge. Die In-Übung-Haltung und Weiterbildung der ausgebildeten Jäger und die Ausbildung unserer „Quereinsteiger“ zum Jäger. Die Ausbildung zum Jäger haben wir modular aufgebaut, insgesamt sind das ungefähr 170 Ausbildungsstunden. Wenn ein Soldat oder eine Soldatin alle Module absolviert, ist die Ausbildung innerhalb eines Jahres möglich. Das erfolgt an drei Ausbildungswochenenden und in zwei Übungswochen. Durch den modularen Aufbau können zeitliche Unterbrechungen aufgefangen werden. Dann schließen sich natürlich weiterführende Ausbildungen an, wie etwa Sanitätsausbildung, die Ausbildung der Kraftfahrer, die der G28-Schützen und andere. Außerdem pflegen wir auch das Netzwerk innerhalb der Reserve und stellen Teilnehmer für nationale wie auch internationale Wettkämpfe.

Sie sprachen das Netzwerk an. Wie funktioniert das, was ist das?

Wir pflegen unsere Verbindungen mit unseren niederländischen Kameraden des 10 Infanteriebataljon Bewaken Beveiligen Korps Nationale Reserve, sie begleiten uns auch aktuell bei der Übung in Hammelburg. Weiter stehen wir in stetigem Austausch mit den Kameradinnen und Kameraden des 3rd Batallion des Royal Anglian Regiments, ein Reservebataillon der leichten Infanterie aus dem Osten Englands. Wir stellen auch Personal etwa für Wettkämpfe wie Blue Nail in Dänemark oder auch den Internationalen Mönchengladbacher Militärwettkampf. Wenn wir alles zusammenzählen, stehen für das aktuelle Jahr rund 20 Termine im Ausbildungsplan des Bataillons.

Wenn Sie als Bataillonskommandeur in die Zukunft blicken, was beschäftigt Sie am meisten?

Ich bin zunächst immer wieder tief beeindruckt, mit welcher Hingabe, Kameradschaft, aber auch Opferbereitschaft unsere Reserve den Spagat zwischen den Streitkräften und dem zivilen Leben meistert. Der steigenden Bedeutung der Reserve tragen unsere Kameradinnen und Kameraden mit einer nicht nachlassenden Begeisterung Rechnung. Unsere Aufgabe ist es, mit guter Ausbildung, aber auch umfangreicher Ausrüstung zu motivieren. Zugleich kämpfen wir mit einer immer weiter überbordenden Bürokratie, was unserem Bataillonsstab viel Kraft kostet. Das steht für mich im Widerspruch zu dem politischen Ziel einer starken und einsatzbereiten Reserve. Hier sehe ich akuten Handlungsbedarf, gerade auch wenn ich auf unsere internationalen Partner schaue, die hier schon deutlich weiter sind.

Jäger nach 170 Stunden Ausbildung

Für Bataillonskommandeur Oberstleutnant Marco Wolfermann ist es der vorletzte Übungsplatzaufenthalt in diesem Ausbildungsjahr. Rund 140 Reservistinnen und Reservisten üben eine Woche lang in Hammelburg. Der Übungsplatz ist für die Soldatinnen und Soldaten des Unterstützungsbataillons Einsatz 1 wie gemacht, denn sie alle sind von der Grundbefähigung her Jäger, ausgebildet für den Kampf in bebautem oder stark bewaldetem Gelände.

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  • Ein Soldat auf einer Leiter wirft eine Handgranate in ein Fenster, zwei weitere sichern.
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    So gelingt der Spagat zwischen Zivilberuf und Heer

    „Als Teil der Jägertruppe sind wir an Landoperationen im urbanen Umfeld oder Orts-, und Waldkampf beteiligt. Auch als Reservisten sind wir meist zu Fuß im Gelände unterwegs und beweisen körperliche Fitness“, erklärt der Planungsoffizier des Bataillons. Ausgerüstet mit ihren Handwaffen seien die Soldatinnen und Soldaten auf vielseitige kämpferische Operationen spezialisiert. Dazu gehörten die Absicherung von Konvois, der Häuserkampf gegen feindliche Kräfte oder die Panzervernichtung. Die Jäger gehören damit zur Truppengattung der Infanterie, der auch die Fallschirmjäger und die Gebirgsjäger angehören.

    Die Qualifikation als Jäger ist somit für alle Reservistinnen und Reservisten des Unterstützungsbataillons Einsatz 1 Teil der Grundbefähigung. „Die Herausforderung ist nun, unsere Reservisten zu Jägern zu befähigen. Das ist nicht immer leicht, denn mit dem Spagat zwischen Beruf und Bundeswehr eine homogene Ausbildungsabfolge zu erreichen, ist schwierig“, erklärt der Offizier. Dieser Umstand dürfe die Ausbildung jedoch nicht behindern. Zudem kämen Kameradinnen und Kameraden aus anderen Organisationsbereichen der Bundeswehr ins Bataillon, hätten also einen anderen Ausbildungsstand. „Wir haben deshalb die Ausbildung auf Module aufgeteilt und können so unsere Reservisten an jedem beliebigen Punkt des Ausbildungsstandes abholen und die Ausbildung fortsetzen.“ Die Ausbildung zum Jäger erfolgt in rund 170 Ausbildungsstunden. Im günstigsten Fall ist die Grundbefähigung in drei Ausbildungswochenenden und zwei kompletten Ausbildungswochen zu erlangen. Das entspricht dem Ausbildungsansatz eines Jahres, diese fünf Ausbildungseinheiten, die immer mit Übungsplatzaufenthalten verbunden sind, sind die grundlegenden Vorhaben, die das Bataillon jedes Jahr plant.

  • Blick von oben: Ein Soldat seilt sich in einem dunklen Schacht aus Holz ab.
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    Kampfkraft, Selbstvertrauen und Fitness stärken

    Das Übungsdorf Bonnland in Hammelburg ist einzigartig. Nicht nur, dass es originalgetreu ganze Straßenzüge mit zweiter und dritter Häuserreihe, Garagen und Scheunen gibt, auch zahlreiche öffentliche Gebäude wie Schulen, ein Rathaus, eine Polizeiwache oder Feuerwehr vermitteln den Soldatinnen und Soldaten den Eindruck, in einer wirklichkeitsgetreuen Übungsumgebung zu sein. Auf den Straßen kommen ausgediente Fahrzeuge, Maschinen und landwirtschaftliches Gerät hinzu und verstärken den Effekt.

    • Zwei Oberarme mit verschiedenen Patches nebeneinander.

      Das Unterstützungsbataillon Einsatz 1 hält enge Verbindung mit den niederländischen Kameradinnen und Kameraden des 10 Infanteriebataljon Bewaken Beveiligen Korps Nationale Reserve.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Vor einer Gruppe Soldaten steht ein Ausbilder und spricht.

      Wegen des Spagats zwischen Beruf und Bundeswehr ist die Ausbildungszeit für die Soldatinnen und Soldaten sehr kostbar. Durch intensive Ausbildung und ständige Auswertung wird die Zeit effektiv genutzt.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Ein Soldat spricht vor angetretenen Soldatinnen und Soldaten.

      Brigadegeneral Joachim Hoppe, stellvertretender Kommandeur der 1. Panzerdivision, besucht seine Reservistinnen und Reservisten und nennt sie „eine verlässliche Reserve auf Augenhöhe mit den aktiven Soldatinnen und Soldaten“.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Eine Gruppe Soldaten steht in einem engen Raum.

      Der Kampf von Raum zu Raum birgt Gefahren. Die Ausbildung sensibilisiert und trainiert entschlossenes Handeln – nur so kommt man zum Erfolg.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Eine Gruppe Soldaten stürmt durch die Tür eines Hauses.

      Ist das Gebäude feindfrei oder muss es noch freigekämpft werden? Sturm und Einbruch liefern die Antwort.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Ein Soldat seilt sich an einem einfachen Strick ab.

      Die Ortskampfbahn in Bonnland hält viele Überraschungen bereit. Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich beweisen und auch mal Grenzen überschreiten.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Ein Soldat steht nachdenklich an einem Fenster.

      Die Reservistinnen und Reservisten verbindet alle ein Thema: Sie üben nicht nur ihren eigentlichen Beruf aus – sie wollen auch etwas für ihr Land, seine Bürgerinnen und Bürger und die Bündnispartner tun.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Zwei Soldaten mit Helm, Tarnschminke und Waffen stehen nebeneinander.

      Die Reserve wird nur von Freiwilligen am Leben erhalten. Wenn der Nachwuchs aus den eigenen Reihen kommt, wie hier Vater und Sohn, bekommt die Reserve auch junge Impulse.

      Bundeswehr/Carl Schulze

    „Auf der Ortskampfbahn geht es zum einen darum, die Fitness der Soldaten grundlegend zu schulen und die Bewegung und den Kampf in sehr engen Räumen, Tunneln und stark verwinkeltem Terrain zu vermitteln“, beschreibt der Chef der 2. Kompanie. Ein weiterer Effekt sei das Erleben von Kameradschaft. In scheinbar ausweglosen Situationen, wenn es hoch hinaus geht, eng und dunkel wird, lassen sich Ängste im Team leichter bewältigen. Über unzählige Balken, Leitern, Tritte oder Seile arbeiten sich die Trupps vom Dachgeschoss bis in den Keller und aus alten unterirdischen Kanalsystemen wieder bis in die Dachspitzen von riesigen Scheunen vor. Dabei ist es Absicht, dass einige Hindernisse den Anschein erzeugen, unüberwindbar zu sein. Doch in der Gruppe mit gegenseitiger Unterstützung klappt es schließlich.

    Letztendlich kämpfen sich die Reservistinnen und Reservisten in einer gesonderten Anlage in Gruppen mit ihren Sturmgewehren von Raum zu Raum. „Türaufstellung!“, befiehlt der Gruppenführer. Alle wissen sofort, was zu tun ist. Die Reservisten stehen ganz eng angelehnt an einer Wand und halten Verbindung zum Vordermann mit ihrer Hand auf dessen Schulter. Ein weiterer steht abseits und macht sich bereit, die verschlossene Tür zu öffnen. Auf ein Zeichen geht es los. Blitzschnell stürmt der Trupp in den Raum, Schüsse fallen, bis von allen die Meldung kommt: „Raum sicher“.

  • Zwei Soldaten unter einem Tarnnetz, einer mit Waffe, der andere mit einem Fernglas
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    Durchschlagen bis zum präzisen Schuss

    Eine kleine Gruppe speziell ausgebildeter Soldaten macht sich fertig für den nächsten Auftrag: „Im Schutz der Dunkelheit müssen die Soldaten unbemerkt ein Zielgebiet erreichen und das Areal nach wichtigen gegnerischen Zielen absuchen und auf Befehl schließlich vernichten“, beschreibt der verantwortliche Ausbilder die Grundzüge dieser Ausbildung. Der Auftrag ist für die Reservisten, die speziell am Präzisionsgewehr G28 ausgebildet sind, zweigeteilt. Es geht darum, sich im Schutz der Dunkelheit über mehrere Kilometer, ohne durch feindliche Gefechtsaufklärung bemerkt zu werden, an ein Objekt anzunähern und in einem zweiten Schritt seine Waffe zielsicher einzusetzen.

    Am Vorabend mit Einbruch der Dunkelheit geht es los. Alles, was die Soldaten in den nächsten 24 Stunden benötigen, haben sie dabei: Verpflegung, Ausrüstung, Funkgeräte, Waffen – alles für den Einsatz auf gegnerischem Gebiet. „Zunächst geht es um die Orientierung im Gelände. Über mehrere Kilometer, über verschiedene Wegpunkte hinweg müssen die Kameradinnen und Kameraden verschiedene Möglichkeiten der Orientierung nutzen. „Wir verzichten bewusst auf technische Hilfsmittel wie etwa Navigationsgeräte“, so der Ausbilder. Es gehe darum, sich mit einfachen, analogen Mitteln wie einer Karte, einem Kompass oder einer schnell angefertigten Skizze zu orientieren und sicher einen Punkt zu erreichen. Die Annäherung an das Ziel dauert die ganze Nacht.

    Im Morgengrauen beobachten die Trupps zu je zwei Soldaten das Gelände und legen bedeutende Entfernungsmarken fest. Ihre Waffe, das G28, haben sie dabei stets griffbereit. Das G28 im Kaliber 7,62 Millimeter setzen die Jäger, ähnlich wie das Maschinengewehr, als Unterstützungswaffe ein. Das bedeutet, sie kämpfen damit gegen Ziele wie feindliche Heckenschützen und besonders gefährliche Einzelpersonen, aber auch gegen technische Ziele wie die Optiken von Waffensystemen oder Funkanlagen. Gekämpft wird immer im Trupp. Neben dem Schützen liegt der Spotter, der das gesamte Gefechtsfeld beobachtet. Und schon tauchen die ersten Ziele in 600 Meter Entfernung auf.

  • Ein Soldat liegt mit einem Gewehr im Anschlag an einer Häuserecke.
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    Sturm und Einbruch

    Inmitten der Ortschaft zerreißen Maschinengewehrsalven die Stille. In der stark verwinkelten Bebauung ist das Feuer kaum zu orten. Aus allen Richtungen werfen die Gebäude den Schalldruck zurück. Trotz Gehörschutz drückt es spürbar auf den Ohren. Zwischen den Häuserecken sind ab und zu kleine Gruppen von Soldatinnen und Soldaten zu sehen. Sturm und Einbruch stehen auf dem Dienstplan der Basisausbildung zum Jäger. „Die Ausbildung ist komplex, weil die Gruppen aufeinander abgestimmt agieren müssen. Sie sehen sich dabei nicht immer und müssen trotzdem wie eine geschlossene Gruppe funktionieren“, so der Ausbilder.

    Er instruiert die Gruppen und entwickelt um die Ausbildung herum eine kleine militärische Lage: „Trupp Alpha geht an der Häuserecke in Stellung und zwingt mit dem Feuer des Maschinengewehrs den Gegner in seine Stellung.“ Rund 100 Meter entfernt in einem kleinen, massiv gemauerten Anbau haben sich feindliche Kräfte hartnäckig verschanzt, das freie Gelände davor verhindert eine gedeckte Annäherung gänzlich. Der Auftrag: Das Gebäude soll für die eigene Nutzung freigekämpft werden. Der Ausbilder fährt fort: „Trupp Bravo nutzt dieses Deckungsfeuer, um aus der Seite, der Flanke, in das Gebäuden einzudringen und den Gegner zu vernichten.“

    Für die Soldatinnen und Soldaten kommt es nun auf genaue Absprachen und auf Zeit an. Das eigene Feuer deckt die Annäherung an das Gebäude, darf keine Gefahr für die eigenen Kräfte werden. Mit dem Beginn der ersten Maschinengewehrsalven des Deckungstrupps sprintet der Sturmtrupp in Richtung Anbau. Er geht schnell an der schützenden Gebäudewand in Türaufstellung, dringt in das Gebäude ein und kämpft schnell Raum für Raum frei.

  • Zwei Soldaten an Fenstern mit ihren Gewehren im Anschlag.
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    Im Gefecht die Nerven behalten

    Für den Gruppenführer ist es Stress pur: Die Soldaten seiner Gruppe sind auf mehrere Stockwerke verteilt und aus mehreren Räumen heraus hat sich die Gruppe zur Verteidigung eingerichtet. Aus den Fenstern vom Dachgeschoss bis runter in das Erdgeschoss beobachten die Soldaten das Gelände. Gemäß der Feindlage sind die ersten gegnerischen Spitzen bereits in der Ortschaft. „Die Verbindung zu den einzelnen Soldaten ist sehr schwer zu halten, das Gebäude ist stark unterteilt. Dazu kommt absolute Ruhe. Mein Ziel ist, mit einem ersten Feuerüberfall den Gegner zu überraschen und die Verteidigung zu beginnen“, beschreibt ein Gruppenführer seine Absicht.

    • Drei Soldaten knien mit Panzerfäusten im Anschlag hinter einer Mauer.

      Panzerfaust: Der Kampf gegen gepanzerte Ziele gehört ebenfalls zur Jägerausbildung

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Ein niederländischer Soldat zieht sich über ein gespanntes Seil.

      Das Unterstützungsbataillon Einsatz 1 pflegt eine enge Partnerschaft zu Reservisten aus den Niederlanden. Selbstverständlich wird auch gemeinsam geübt.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Auf einer Schießbahn stehen Transportkisten nebeneinander, darauf ist jeweils ein Gewehr aufgebaut.

      Das G28 schließt die Lücke zwischen Sturmgewehr und Scharfschützengewehr. Es wird gegen besonders gefährliche Einzelpersonen, aber auch technische Ziele wie Optiken oder Antennenanlagen eingesetzt.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Soldaten mit Waffen im Anschlag überqueren sehr schnell eine Straße.

      Für den Sturmtrupp muss es sehr schnell gehen: Geschwindigkeit schützt vor feindlichem Feuer.

      Bundeswehr/Carl Schulze
    • Zwei Soldaten schleifen einen verwundeten Kameraden in eine Deckung.

      In jeder Ausbildung, also auch beim Gefechtsschießen, wird die Versorgung Verwundeter geübt. Dann klappen im Ernstfall auch die ersten Handgriffe.

      Bundeswehr/Carl Schulze

    Der Feuerüberfall ist effektiv, verlangt aber Können und Disziplin. Ziel ist, den Gegner bis auf eine sichere Kampfentfernung herankommen zu lassen, was hundertprozentige Tarnung und Ruhe verlangt. Die feindlichen Kräfte werden mit einem gleichzeitigen und überwältigenden Feuer aller Schützen zum exakt gleichen Zeitpunkt bekämpft. Das unvorhergesehene Feuer und das Überraschungsmoment macht es dem Gegner schwer, die einzelnen Schützen zu lokalisieren und genaue Angaben über Anzahl und Feuerrichtung zu machen. In genau diesem Augenblick beginnt das Verteidigungsgefecht der gesamten Gruppe. Aus den Fenstern und auch der oberen Etage flüstern die Soldaten erste Feindmeldungen an den Gruppenführer. Die Anspannung ist deutlich zu spüren und steigt. Dann endlich der erlösende Pfiff mit der Trillerpfeife und noch bevor die Pfeife verstummt, brechen die Schüsse der Gewehre und das Verteidigungsgefecht der Gruppe beginnt.

    „Diese wie auch alle anderen Ausbildungen auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg zeigen die Ernsthaftigkeit mit der unsere Reservistinnen und Reservisten ihren Auftrag hier bewältigen. Die Art und Weise der Ausbildung motiviert, um jedes Mal etwas besser zu werden“, so Kommandeur Wolfermann.

    *Name zum Schutz des Reservisten abgekürzt.

    von René Hinz