Heer
Für die Sicherheit des Kontinents

„Wir sind völlig multinational, das ist unsere DNA“

So wirken 17 Staaten in der EUEuropäische Union-Battlegroup als Einheit für ein verteidigungsbereites und militärisch handlungsfähiges Europa zusammen.

Auf einer Lichtung stehen mehrere bewaffnete Soldaten vor getarnten Fahrzeugen.

Viele Nationen, eine Mission

Mit der Übung MILEX 24 zeigen 17 europäische Länder, wie es mit der EUEuropäische Union-Battlegroup gelingen kann, eine kampfstarke militärische Einheit für die Sicherheit Europas zu bilden. Die Multinationalität spiegelt sich dabei auf mehreren Ebenen wider.

Die European Union Battlegroup (EUBGEuropean Union Battlegroup) ist die multinationale militärische Eingreiftruppe Europas. In 2025 steht sie bereit, um im Ernstfall binnen kürzester Zeit in einem Radius von 6.000 Kilometern um Brüssel eingesetzt zu werden. Die flexibel verlegbaren Kräfte müssen in der Lage sein, Sicherheit und Stabilität in einem bestimmten Einsatzgebiet wiederherzustellen. Bis zuletzt hat sich die EUBGEuropean Union Battlegroup auf ihren Auftrag vorbereitet: eine mögliche militärische Gefahr entschlossen abzuwehren.

Der verantwortungsvolle Auftrag der EUEuropäische Union-Battlegroup vereint Menschen spürbar und lässt sie Hindernisse überwinden, egal ob Sprachbarrieren, Unterschiede in Ausstattung und Abläufen oder weite Entfernungen durch die geografische Lage. Multinationalität ist keine Illusion, sondern Überzeugung. Sie ist gängige Praxis und Normalität für tausende europäische Soldatinnen und Soldaten, die täglich in der EUBGEuropean Union Battlegroup ihren Dienst leisten. Bei der Übung MILEX 24 auf dem Truppenübungsplatz Bergen in Niedersachsen, der letzten Übung vor der einjährigen Bereitschaftsphase, ist diese Multinationalität überall sichtbar.

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  • In einem weißen Zelt sitzen Soldaten an Computern. Ein Soldat steht vor einer Leinwand.
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    Im Herzen der Battlegroup

    Der multinationale Gefechtsstand des Eurocorps ist ein Sicherheitsbereich mit strengen Auflagen. Nicht jeder darf rein und Smartphones und -watches müssen draußen bleiben. Daten und Dokumente dürfen nicht in falsche Hände gelangen. Das Joint Operation Center (JOCJoint Operation Center), in einem mobilen Zelt untergebracht, ist das verlegbare Kontrollzentrum des Kommandeurs, das die EUBGEuropean Union Battlegroup in der Krisenregion taktisch führt. „Wir sind dafür da, die Operationen im Einsatzgebiet zu lenken und zu überwachen, 24/7, rund um die Uhr. Das machen wir für die EUEuropäische Union und die NATONorth Atlantic Treaty Organization“, erklärt ein französischer Colonel im Herzstück der Führungszentrale vor Leinwänden. „Wir sind völlig multinational, das ist unsere DNA. Wir, das Eurocorps, sind jedoch in erster Linie trainiert und zertifiziert für EUEuropäische Union-Aufträge.“ 

    Gerade sind im JOCJoint Operation Center elf Nationen vertreten. „Die einzigen Muttersprachler hier sind die Iren, die englisch sprechen. Die anderen nutzen Englisch als Fremdsprache“, so der Colonel. Und der Franzose erklärt weiter: „Im JOCJoint Operation Center wird ständig ein umfassendes Lagebild zusammengetragen. Die Informationen gelangen beispielsweise über das digitale Führungssystem aus dem Gefechtsfeld direkt an die Leinwand. Die Lage wird immer auch klassisch auf der Karte mitgeschrieben, für den Fall, dass die digitalen Systeme ausfallen. Nebenbei fließen Aufträge aus dem Hauptquartier in Strasbourg ein.“ Ein solcher Gefechtsstand ist eine digitale Meisterleistung. In ihm können verschiedene Führungssysteme angebunden werden. Das Kostbare an dieser Zentrale ist jedoch der Mensch, der sie am Laufen hält. Deswegen werden Gefechtsstand und Camp besonders geschützt.

  • An einem Kasernentor mit Stacheldraht steht ein irischer Soldat mit Gewehr.
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    Phalanx gegen den Feind

    Für die Übung hat die Battlegroup ihre Basis in Hörsten eingerichtet, die sogenannte Main Operating Base (MOBMain Operating Base). Alles ist mit silberglänzendem Stacheldraht gesichert. An einem Tor passieren Fahrzeuge eine Schleuse. Hier treffen wir Captain Michael C. Er ist der Kompanieführer der Irish Force Protection Company. Insgesamt 182 Iren sind bei MILEX 24 beteiligt. „Hinter mir können Sie das Wargate, das Haupttor, sehen. Wir schützen vor allem das Camp und sorgen für die gesamte Sicherheit des Gefechtsstands“, erklärt der Offizier. Bei der Day-to-Day-Security am Haupttor werden alle Personen und Fahrzeuge kontrolliert, die durchwollen. Die Iren haben dafür festgelegte Verfahren. Dazu gehören die Kontrolle von Dokumenten oder auch das Abspiegeln der Fahrzeuge. Die neu ankommenden Fahrzeuge könnten auf dem Weg ins Einsatzgebiet durch den Feind mit Sprengfallen versehen worden sein.

    Eine weitere Aufgabe ist, die Verteidigungsstellungen zu besetzen, sollte es zu einem Angriff kommen. Dazu nutzen die Wachmannschaften auch geschützte Fahrzeuge mit schweren Waffen. Zusätzlich laufen sie Patrouille – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. „Wir haben einen bestimmten Sektor im Camp zugeteilt bekommen. Sicherheit ist eine multinationale Aufgabe. Insgesamt wirken wir sehr eng auch mit den Sicherungskräften anderer Nationen zusammen, wie mit den Österreichern und den Deutschen, um den Schutz zu gewährleisten“, so der irische Soldat.

  • An einem Güterbahnhof steht ein Zug. Auf dem Waggon steht ein Soldat vor einem Lastwagen.
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    Die Möglichmacher und Logistiker

    Logistik im europäischen Rahmen ist eine komplexe Aufgabe für Profis. Heute ist die Ankunft etlicher Fahrzeuge und umfangreichen Materials, darunter Munition und Treibstoff, geplant. Die Güter werden im Camp gebraucht. Sie müssen später auch das Haupttor passieren. Drei ganze Züge der Österreicher werden am Güterbahnhof in Bergen erwartet. Sie haben auf ihrem weiten Weg Verspätung. Endlich leuchten am Horizont die Scheinwerfer einer Zugmaschine, die sich auf den Schienen nähert. Die hunderte Meter langen Züge aus flachen Waggons sind mit Fahrzeugen, Containern und Treibstoffbehältern beladen. Soldatinnen und Soldaten mit Warnweste und Schutzhelm stehen bereit, die Fracht zügig zu entladen. Doch nur zwei der drei Züge kommen an. Der dritte Zug mit den österreichischen Hakenladesystemen sitzt noch in Nürnberg fest. Die Systeme werden dringend benötigt, um die Container zu entladen. Wie reagiert die Battlegroup? 

    Binnen kürzester Zeit wird die Situation multinational gelöst. Alle packen mit an. Mithilfe von polnischen, französischen und irischen Soldatinnen und Soldaten gelingt es, die wichtige Fracht rechtzeitig zu entladen. Die Hakensysteme werden ersetzt, etwa durch einen riesigen französischen Kran. „Morgen muss der Bahnhof wieder geräumt sein“, sagt der deutsche Oberstleutnant Björn K. vom Headquarters Support Element und Camp Command. „Wir erwarten bereits weitere Güter. Dann kommen Fahrzeuge des deutschen Gefechtsverbands aus Bad Reichenhall an.“

  • Auf einer Waldlichtung rennen vier Soldaten durch den dichten grauen Nebel.
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    Die Kämpfer und Unterstützer

    Während im Gefechtsstand geführt und am Güterbahnhof entladen wird, ist der Gefechtsverband mitten in einer Operation. Die sogenannte Core Battlegroup, also das Kampfelement der EUBGEuropean Union Battlegroup Landkräfte, besteht aus deutschen Gebirgsjägern, unterstützt durch niederländische Fallschirmjäger der 11. Lichte Brigade sowie litauische Kräfte. Letztere sind mit neuesten gepanzerten Fahrzeugen vom Typ JLTVJoint Light Tactical Vehicle (Joint Light Tactical Vehicle) aus den USA ausgestattet. Mit den Radfahrzeugen bewegen sich die Litauer besonders leise und schnell im Gelände und sind dadurch für den Einsatz als Aufklärer prädestiniert.

    Heute hat die Core Battlegroup den Auftrag, mit einer Patrouille aus mehreren Gefechtsfahrzeugen Informationen unter anderem über das Gelände, die Lage und die Ausrüstung des Feindes zu gewinnen. Auf ihrem Weg detoniert plötzlich eine Sprengfalle. Ein Fahrzeug wird angesprengt, es gibt Verwundete. Sofort muss der Kompaniechef aufgrund seines Lagebilds einen Entschluss treffen und handeln, um die Verwundeten zu retten und den Feind gleichzeitig zu bekämpfen. Verschanzt in einer Ortschaft beabsichtigt der Feind, die Battlegroup in einen Hinterhalt zu locken, und führt Schützenpanzer nach. Während Hunderte Infanteristen Haus für Haus vorgehen, bekämpfen Trupps mit Panzerabwehrwaffen und Maschinengewehren die feindlichen Schützenpanzer. Dabei erhalten sie wichtige Feuerunterstützung durch Steilfeuerartillerie, ausgestattet mit Mörsern im Kaliber 120 Millimeter. Damit können Nebel- und Sprengpatronen verschossen werden. Es gelingt, den Feind erfolgreich zurückzudrängen. Jetzt müssen die Verwundeten sofort medizinisch versorgt werden. Jede Sekunde zählt.

  • In einem Operationszelt wird ein Soldat operiert. Um ihn stehen vier Soldaten.
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    Die Lebensretter in Grün

    Unter Feindfeuer ziehen die Infanteristen ihre verwundeten Kameradinnen und Kameraden in die Deckung. Sie leisten Erste Hilfe und stoppen Blutungen, zum Beispiel mit dem Tourniquet, einem kompakten Abbindesystem, das jeder Soldat und jede Soldatin mit sich führt. An der Verwundetensammelstelle warten geschützte geschützte Radfahrzeuge Eagle, um die Verwundeten abzuholen. Der Transport kann auch per Helikopter erfolgen. Mit Vollgas geht es in die nächsthöhere medizinische Versorgungsebene. Noch beim Transport ergreifen nun Notfallsanitäter weitere stabilisierende Maßnahmen, die lebensrettend sein können.
    Auch die Österreicher sind beteiligt. Sie nutzen das geschützte Radfahrzeug Dingo für diese Aufgabe. Gemeinsam stellen sie den sogenannten MedEvacMedical Evacuation, den qualifizierten Verwundetentransport, sicher. Sofort geht es mit den Verwundeten in das Luftlanderettungszentrum der EUBGEuropean Union Battlegroup, eine leicht verlegbare Sanitätseinrichtung aus kombinierten Tragluftzelten. Es besteht unter anderem aus einer Intensivstation, einem OP-Raum, einer Röntgenstation und sogar einem eigenen Labor. Hier dienen bis zu 78 Sanitätssoldatinnen und -soldaten. „Bei MILEX haben dieses Mal die Österreicher, die Deutschen und die Schweden trainiert“, erklärt einer von ihnen.

    Die Hecktür des Eagle geht auf. Mit der Trage wird ein Soldat ins Rettungszentrum gebracht. Seine Verletzungen, ein Abdominaltrauma und ein Milzriss, sind durch die Detonation der Sprengfalle entstanden. Der Soldat ist instabil und kommt in den OP. Hier operiert heute ein deutsch-schwedisches Team, bestehend aus einem deutschen Chirurgen, einer schwedischen Schwester und weiteren deutschen Kräften. Mit ihrer Behandlung rettet das Team dem Patienten das Leben. Sie sind eines von vielen multinationalen Teams der EUEuropäische Union-Battlegroup.

    von Peter Müller

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