Scharfschützen: Unsichtbar, präzise, gefährlich (Teil 1)
Scharfschützen: Unsichtbar, präzise, gefährlich (Teil 1)
- Datum:
- Ort:
- Klietz
- Lesedauer:
- 3 MIN
Es ist eine Strategie des Militärs: Der Gegner ist dem Schützen ausgeliefert, hat dieser ihn erst einmal im Visier. Dabei trennen beide oft Hunderte Meter. Bricht der Schuss, kommt er aus dem Nichts, der Soldat bleibt unerkannt. Und doch weiß jeder, wer es war: ein Scharfschütze.
Der Begriff Scharfschütze ist umgangssprachlich geläufig. Aber nur die Wenigsten wissen, welch harte Ausbildung und langer, mühsamer Weg hinter den Soldaten liegt, bis sie sich als Scharfschütze bezeichnen dürfen. Wie sich diese intensive Ausbildungszeit gestaltet, wann und wie diese Soldaten eingesetzt werden und mit welchen Waffen sie kämpfen, erklärt ein Scharfschütze, der diesen Job seit über einem Jahrzehnt macht.
Früher und heute
Oberstabsgefreiter André L.* ist seit knapp 15 Jahren als Scharfschütze im Panzergrenadierbataillon 371 eingesetzt. Gemeinsam mit seinen Kameraden aus dem sächsischen Marienberg war er bereits in zahlreichen Auslandseinsätzen, wie zum Beispiel in Afghanistan oder in Litauen. Derzeit sind die Scharfschützen auf dem Truppenübungsplatz in Klietz, um ihre neue Scharfschützenwaffe, das G22 A2, einzuschießen. Seit einigen Wochen verfügt das Bataillon über dieses weiterentwickelte Scharfschützengewehr. André L. wurde am Beginn seiner Laufbahn noch am Vorgängermodell, dem G22 A0, ausgebildet. Er erinnert sich noch gut an seine Anfänge bei der Bundeswehr und die ersten Schritte auf dem Weg zum Scharfschützen.
„Meine Grundausbildung absolvierte ich 2005 im damaligen Jägerbataillon 371 in Marienberg. Als junger Obergefreiter wurde ich angesprochen, ob ich Interesse hätte, am Auswahlverfahren des Bataillons für künftige Scharfschützen teilzunehmen. Dafür musste ich zuerst einmal den Einstellungstest bestehen.“ Bis heute hätten sich die Anforderungen an diesen Test nicht geändert, sagt er. Die Bewerber müssen beispielsweise einen Lauf über eine Distanz von 7.000 Metern mit 20 Kilogramm Gepäck in unter 52 Minuten schaffen.
Schlafmangel und wenig Essen
Nach dem bestandenen Eingangstest bereiten die Bataillone in einer sechswöchigen Vorausbildung ihre Soldaten schließlich auf den offiziellen Scharfschützenlehrgang vor. Dieser erstreckt sich über vier Wochen und findet zentral für alle angehenden Scharfschützen an der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg statt. In ihren Heimatverbänden werden die Soldaten beispielsweise durch Orientierungsmärsche, Beobachtungsübungen und Waffen- und Schießtrainings auf diesen Lehrgang vorbereitet. „Wir haben den Anspruch, die Männer so auszubilden und vorzubereiten, dass sie für Hammelburg gewappnet sind und nicht wegen Leistungsmangels abgelöst werden“, sagt L.
Die Anstrengungen und die Strapazen, denen sich die angehenden Scharfschützen auf dem Lehrgang aussetzen, sind enorm. Extreme körperliche Belastung, Schlafmangel, wenig Essen und psychischer Druck lassen viele diese Zeit nicht durchhalten. Die Anforderungen an die künftigen Scharfschützen sind sehr hoch, doch das Jobprofil verlangt in allen Bereichen absolute Bestleistungen. Die Gründe sind einfach, betrachtet man die Aufträge und die Einsätze dieser spezialisierten Infanteristen.
Das Team
„Wir operieren immer in Teams. Wir sind zwar in die Kompanie eingegliedert, agieren allerdings losgelöst von dem Rest des Verbandes. Scharfschützen sind immer auf sich allein gestellt“, erklärt André L. und ergänzt: „In einem Team arbeiten wir zu zweit, manchmal auch zu dritt. Hierarchien durch Dienstgrade gibt es nicht. Jeder Scharfschütze kann jederzeit die Aufgaben des Kameraden übernehmen.“ Der Einsatz in den kleinen Teams schweißt die Soldaten zusammen, sodass die Kameradschaft auf eine ganz neue Ebene gehoben wird.
Ein Scharfschützenteam besteht aus einem Spotter, dem Beobachter, und einem Shooter, dem Schützen. Jeder ist auf die Fähigkeiten des anderen angewiesen und beide müssen sich blind vertrauen. Der Spotter ist verantwortlich für die Zielansprache und die Benennung der Zielkoordinaten. Er gibt dem Shooter die Angaben, die für die Einstellungen des Gewehrs wichtig sind. Zuvor hat er die exakte Zielentfernung, den Neigungswinkel berechnet und die Wind- und Wetterdaten in seine Rechnung einbezogen. Diese Angaben sind wichtig, um die Abweichung des Geschosses zu bestimmen. „Man sagt, der Schütze schießt und der Beobachter trifft. Die Zusammenarbeit bringt das Projektil ins Ziel. So muss der Spotter beispielsweise die Zielentfernung genau bestimmen, da bei Distanzen um die 1.000 Meter Abweichungen von mehreren Zentimetern entstehen können“, erklärt der Oberstabsgefreite.
Im zweiten Teil erfahrt Ihr, wann die Scharfschützen eingesetzt werden, mit welchen Waffen sie kämpfen und was die Tarnung der Scharfschützen mit einem schottischen Berggeist zu tun hat. Es wird deutlich, wie eng der Verstand und die Moral im Zusammenhang mit dem Kampf und dem finalen Schuss stehen.
*Name redaktionell geändert