Mit scharfer Munition in einem Grabensystem
Mit scharfer Munition in einem Grabensystem
- Datum:
- Ort:
- Mahlwinkel
- Lesedauer:
- 4 MIN
Nach den zahlreichen Auslandseinsätzen stellen sich auch die Fallschirmjäger mit Erweiterter Grundbefähigung (EGBErweiterte Grundbefähigung) wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung um. Mit der Übungsserie Taurus 2024 trainieren die Spezialisierten Kräfte vom Fallschirmjägerregiment 31 im scharfen Schuss unter realistischen Bedingungen. Dazu gehört auch der Grabenkampf.
Die Bilder aus dem Ukrainekrieg sind prägend. Soldatinnen und Soldaten kämpfen wieder in Schützengräben. Hinzu kommen neue Bedrohungen beispielsweise durch Drohnen aus der Luft. Egal, ob damals oder heute: Der Grabenkampf ist eine enorme Herausforderung selbst für Spezialisierte Kräfte wie die einsatzerfahrenen EGBErweiterte Grundbefähigung-Fallschirmjäger der 2. Kompanie. Um ein Grabensystem aufzurollen, sprich, vom Feind zu befreien, bedarf es hoher Konzentration und Technik, und das unter enormem psychischem und physischem Stress sowie unter hohem Munitionsverbrauch. Um hier zu bestehen, müssen die Fallschirmjäger die Abläufe intensiv üben, Schritt für Schritt. Wir gehen mit in den Graben.
Der Charlie-Zug befindet sich im Angriff zwischen Gebäuden und Bäumen. Bei der Annäherung an den Feind wird er von der eigenen Drohne überwacht. Plötzlich die Meldung: „Im Osten, 30 vor eigenen Spitzen, feindlicher Kampfstand und ein feindliches Grabensystem aufgeklärt.“ Bislang sind die Fallschirmjäger unbemerkt geblieben. Der Entschluss: Graben aufrollen, Feind bekämpfen. Nach einer kurzen Koordinierung ist die Einbruchstelle identifiziert. Hier wollen sich die Infanteristen zügig und überraschend einen Weg in das System verschaffen.
Damit das funktioniert, geht das sogenannte Deckungselement, also Soldatinnen und Soldaten, die Deckung geben, in Stellung. Diese können vor der eigenen Truppe agieren und das Vorgehen ihrer Kameradinnen und Kameraden mit dem Maschinengewehr überwachen. Gleich beginnt das Sturmverfahren, also das truppweise Eindringen in die Einbruchstelle. Bereit für den Angriff?
Feuer und Bewegung
Auch im Grabenkampf kommt es besonders auf die Zusammenarbeit der sogenannten Sturm- und der Deckungselemente an. Die größte Herausforderung: „Nichts ist so unübersichtlich wie ein Grabensystem. Es gibt keinerlei Orientierungspunkte. Beim falschen Eindrehen besteht schnell die Gefahr, auf eigene Schützen zu schießen“, erklärt der Kompaniechef der 2. Kompanie des Fallschirmjägerregiments 31, Major Daniel D.*
Nach dem Wurf der Handgranate verschaffen sich die ersten Soldatinnen und Soldaten mit einem Sprung den Weg in den Graben. Beim Schießen im Graben müssen sie darauf achten, die Waffe nicht zu hoch zu halten, um andere Kameradinnen und Kameraden nicht zu gefährden. Der Feind muss mit dem Sturmgewehr sauber „niedergehalten“ werden. So bleibt ihm keine Möglichkeit zu handeln. Am Kampfstand wendet der Schütze mit seinem Gewehr im Anschlag eine spezielle Technik an. Diese Schießtechnik wird auch beim Kampf im Gebäude eingesetzt. Der Feind wird so erfolgreich bekämpft.
„Achtung, weitere Feindkräfte!“
Währenddessen späht die Drohne aus der Luft Kampfstände und feindliche Schützen aus. Vorn müssen die Sturmelemente derweil das Momentum aufrechterhalten und weitere Kräfte, wie es militärisch heißt, nachfüttern. Der Angriffsschwung muss andauern, um den Feind unter Druck zum Ausweichen aus dem System zu drängen, und das, ohne zu pulken, also die Kräfte zu stauen.
„Zu viele Menschen auf einem Fleck ergeben sonst ein leichtes Ziel für den Feind, der hinter jeder Ecke stehen kann“, erklärt der C-Zugführer und Ausbildungsleiter der heutigen Grabenkampfübung, Stabsfeldwebel Lennard G.* „Mann für Mann fließen die Schützen unter Deckungsfeuer in das Grabensystem ein wie eine ganz lange Perlenschnur, die sich dann Stück für Stück durch das Grabensystem durcharbeitet.“ Ist der Graben feindfrei, beginnt für die Spezialisierten Kräfte das zeitlich begrenzte Halten, also das Verteidigen gegen den angreifenden Feind, bis ein neuer Auftrag folgt.
Besonders realistische Ausbildung möglich
Die Anlage in Mahlwinkel ist sehr realistisch und bietet übenden Kräften den nötigen Freiraum, um sich auf den Ernstfall zielgerichtet vorzubereiten. Hier können innovative Techniken und Ausstattungen getestet werden. Normalerweise wird auf einem Übungsplatz nur dann scharf geschossen, wenn die Soldatinnen und Soldaten in einem Graben oder geschütztem Bereich sind. In einem Grabensystem, also einem komplexeren Schützengraben, wird hingegen mit ungefährlicherer Übungsmunition geschossen.
In Mahlwinkel gibt es jedoch erweiterte Möglichkeiten: Die große Übungsanlage wird von einer zivilen Firma betrieben, und die Sicherheit beim Schießen wird durch das Landeskommando Sachsen-Anhalt überwacht. „Wir nutzen hier PT-Munition, also Plastik-Geschosse, als Übungsmunition, die dennoch gefährlich sein kann. Zudem dürfen die Schützen in alle Richtungen schießen. Das ist ein innovativer Ansatz“, erläutert der Kompaniechef.
Im Heer gibt es vier EGBErweiterte Grundbefähigung-Kompanien. Eine davon ist die 2. Kompanie, sie heißt „Taurus“. Hieraus leitet sich auch der Name der Übungsserie ab. Die Serie steht im Zeichen der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BVLandes- und Bündnisverteidigung). So werden die Kräfte, die darauf spezialisiert sind, direkte taktische Unterstützung der Spezialkräfte auf der einen Seite zu leisten, nun wieder auf der anderen Seite mit dem Fallschirmjägerregiment Seite an Seite in den verschiedensten Operationsarten kämpfen. Gerade Letzteres spielt in einem LV/BVLandes- und Bündnisverteidigung-Szenario eine besondere Rolle.
*Namen zum Schutz der Soldaten abgekürzt.